Wer bei Google zuoberst steht, hat es geschafft: Er ist der König des Internets – zumindest in Bezug auf das eine Wort, das ihn in der Trefferliste auf die vorderste Seite gebracht hat.
Bekanntlich gibt es ganze Heerscharen von Menschen, die sich SEO-Experten nennen und von sich behaupten, das fast Unmögliche möglich zu machen. Sie versprechen, einen auf den Suchmaschinen-Thron zu hieven. Dazu verwenden sie immer oft häufig miese Tricks. Oder sie müssen ihren Kunden zerknirscht erklären, warum es doch nur auf Seite 15 gereicht hat.
Aber darum soll es nicht gehen. Sondern um die Frage, was eigentlich ganz am hinteren Ende bei Google zu finden ist. Die Antwort ist nicht so umsatzträchtig und vermutlich auch nicht von Bedeutung für die Menschheit und den Lauf der Welt.
Aber unzweifelhaft hat sie eine mystische Qualität: Sie ist wie jenes Land, das früher auf Landkarten mit Hic sunt dracones angeschrieben war – weil noch niemand es entdeckt hatte und dort demnach alles sein konnte, was sich die menschliche Fantasie ausmalen kann: Drachen, Seejungfrauen oder meinetwegen auch der Garten Eden. Heute, wo jedes Flecken Erde kartografiert ist, müssen wir derlei Fantasien auf versunkene Inseln wie Atlantis projizieren. Oder natürlich nach draussen ins All, wie es jeder vernünftige Science-Fiction-Fan tut.
Ein unentdecktes Land…
Da niemand jemals bis ans Ende einer Google-Suche geblättert hat, wissen wir auch nicht, ob dort noch etwas Vernünftiges steht. Vielleicht schreibt Google ab Seite 100 bloss noch ein «Hast du nichts Besseres zu tun?» hin. Oder es finden sich Links zu Websites, auf denen das Geheimnis für die ewige Jugend, für das perfekte Liebesglück oder für die nächste unfehlbare Startup-Idee steht.
Wenn ich Sergey Brin oder Larry Page wäre, dann hätte ich es mir nicht nehmen lassen, am hinteren Ende zumindest ein Anmeldeformular für einen exklusiven Klub der aussergewöhnlichen Gentlemen und Gentlewomen zu platzieren. Die Teilnahme wäre kostenlos und mit allen Annehmlichkeiten verbunden, die der Googleplex zu bieten hat.
Stellt sich die Frage: Gibt es die Möglichkeit, ans Ende einer Trefferliste zu gelangen? Natürlich, ohne dass man Hunderte Male auf Weiter klicken muss?
Natürlich fällt einem als Nerd eine Methode ein, wie man es probieren könnte. Fast würde man das bedauern. Weil es eine Nebenwirkung des Internets ist: Für jedes Rätsel lässt sich sogleich eine Antwort ergoogeln. Jedes Mysterium wird augenblicklich entzaubert. Und nichts bleibt im Verborgenen und unserer Fantasie überlassen.
Wie man sich zum Ende hangelt
Aber trotzdem verrate ich, wie es geht: Man gibt sein Suchwort ein und klickt einmal auf Weiter. Nun steht in der Adressleiste ein langer Sermon, der den Suchbegriff und die diversen Parameter umfasst. Die Adressangabe auf Seite zwei zur Suche nach Barack Obama lautet wie folgt:
https://www.google.com/search?q=barack+obama&newwindow=1&client=firefox-b-d&sxsrf=ALiCzsYD-Lqk8Vw4-99pDXfGA3F_YE3W6Q:1651243833726&ei=OftrYor6K86O9u8P5KemuAM&start=10&sa=N&ved=2ahUKEwjK-pXRwrn3AhVOh_0HHeSTCTcQ8NMDegQIAhBR&biw=1480&bih=842&dpr=1
Er enthält Vorgaben zur Suche, die als Adress-Parameter übergeben werden. Interessant ist der Parameter start
. Er gibt an, dass die Resultate ab Position 10 angezeigt werden sollen. Die Resultate von null bis neun waren auf der ersten Seite zu sehen. Und ja, man kann in den Sucheinstellungen angeben, dass nicht zehn, sondern mehr Ergebnisse pro Seite angezeigt werden sollen: Dann muss man die hier beschriebene Vorgehensweise für die Anzahl der aufs Mal angezeigten Treffer anpassen¹.
Fast eine Milliarde Treffer!
Zu Barack Obama gibt es ungefähr 961’000’000 Treffer. Das sind 96’100’000 Suchseiten. Um auf die letzte Seite zu gelangen, ändern wir den Parameter also wie folgt ab: start=961000000
.
Leider entpuppt sich Google als wahnsinnige Spassbremse. Mit folgenden Worten erteilt uns die Suchmaschine eine Abfuhr:
Google zeigt maximal 1000 Ergebnisse für eine Suchanfrage an. (Du hast Suchergebnisse ab 96100000 angefordert.)
Also, was das allerletzte Resultat über Barack Obama ist, erfahren wir nicht – was bedauerlicherweise auch die Möglichkeit ausschliesst, auf diese Weise an fantastische Geheimnisse zu gelangen. Wir müssen uns damit zufriedengeben, ans Ende der jener Liste, die uns Google überantworten will, zu gelangen.
Das funktioniert aber leider weder mit dem Parameter start=1000
noch mit start=990
. Es ist schon auf Seite 208 Schluss (start=200
). Der letzte Treffer hier verweist auf die Wikipedia-Parodie Uncyclopedia.co und deren Artikel über Barack Obama.
Wie bitte?
Dass nicht alle Treffer angezeigt wird, liegt offenbar daran, dass Google die Liste filtert: «Damit du nur die relevantesten Ergebnisse erhältst, wurden einige Einträge ausgelassen, die den 208 angezeigten Treffern sehr ähnlich sind.» Und: «Einige Ergebnisse wurden möglicherweise aufgrund der Bestimmungen des europäischen Datenschutzrechts entfernt.»
Das kann ich nicht gelten lassen. Ich klicke auf Suche unter Einbeziehung der übersprungenen Ergebnisse wiederholen.
Aber auch mit dieser Methode gelangen wir längst nicht zu den versprochenen Suchresultaten. Schluss ist auf Seite 42, bei start=409
. Das letzte Resultat hier: Barack Obama: Women are better leaders than men von der BBC.
WIE BITTE?!?!
Was ist mit den anderen 58 Seiten? Wurden die alle aufgrund der Bestimmungen des europäischen Datenschutzrechts entfernt? Ich weiss es nicht – und wie ich seinerzeit erfahren habe, als ich der Frage nachgegangen bin, ob man herausfinden kann, welche Resultate einem Google vorenthält, bin ich nicht wirklich schlauer geworden.
Da ich ein paar Absätze weiter vorn die Entmystifizierung der Welt durch das Internet bedauert habe, müsste mir dieses Ergebnis meiner Nachforschungen eigentlich Freude bereiten: Ich habe nicht herausgefunden, was am Ende der Liste steht. Alles bleibt im Dunkeln.
Google lügt uns an – über die Welt und das Internet
Doch ich empfinde keine Freude. Und zwar deswegen, weil ich nun daran zweifle, dass Google Forscher wie mich überhaupt für voll nimmt: Google bereitet meinem Forschungsdrang ein völlig willkürliches Ende. Der Suchmaschinenkonzern verweigert mir die Möglichkeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Das ist eine Entmystifizierung, aber mit der falschen Methode – keine Aufklärung, sondern die Negation, dass da überhaupt etwas ist, zu dem man vorstossen könnte. Das dürfen Expediteure wie wir nicht hinnehmen – auf gar keinen Fall.
Fussnoten
1) In der ursprünglichen Variante des Beitrags habe ich einen Denkfehler gemacht: Ich habe gemeint, man müsse via start
die Seitenzahl übergeben, die Google anzeigen soll. Dann müssten wir für die Anzeige der Resultate ab Position 100 die Position durch die Zahl der Beiträge pro Seite teilen (im Beispiel 100/10 = 10). Das ist aber falsch: Der Parameter start
übergibt die Startposition in der Liste; sodass wir z.B. mit start=2
eine Liste ohne das Top-Resultat erhalten. Das heisst: Die Anzahl Resultate pro Seite hat keinen Einfluss und man muss auch keine Rechenoperationen vornehmen, um den Wert für start
zu bestimmen. ↩
Beitragsbild: Wo bleibt der Abspann bei Google? (Gerd Altmann, Pixabay-Lizenz).
Wenn man nach der Lösung für ein Software-Problem sucht, ist es mittlerweile leider notwendig, auf die hinteren Seiten zu blättern. Nicht gleich Seite 100, aber ab fünf oder so. Sicher nicht die ersten drei nehmen, auch wenn die verlockend aussehen mit ihrem „[solved]“ oder „[2022]“ im Titel. Sie enthalten zuoberst den Text der Fehlermeldung und dann unnütze Lösungen wie „PC neu starten“. Weiter unten steht als alternative Lösung dann, man solle das Tool „Driver Update Premium“ oder so kaufen, welches das Problem garantiert löse.
Die Foren mit den richtigen Lösungen sind erst weiter hinten platziert.
Es ist schade, dass Google diesen Trick nicht erkennt und die falschen Lösungen abwertet.