Meine Themenliste ist eher ein Stack als eine Queue. Wenn ich eine Idee für einen Blogpost oder einen Artikel habe, füge ich den am oberen Ende ein. Entweder wird er zeitnah realisiert. Oder er rutscht nach unten, wo er irgendwann im Bodensatz landet. Dort bleibt er dann, mutmasslich für alle Ewigkeit.
Heute kommt eine Themenidee zum Zug, die seit ungefähr fünf Jahren im Bodensatz steckt. Warum sie dort gelandet ist, kann ich nicht mehr rekonstruieren. Dass sie es wert ist, hier diskutiert zu werden, steht ausser Frage.
Vielleicht hatte ich in der Zeit so viele andere Knaller-Themen auf der Liste, dass es sich so ergeben hat. Oder womöglich lags auch daran, dass ich damals noch öfters «richtig» ins Kino gegangen bin und darum weniger Sinn in einem Streamingdienst für Arthouse-Filme gesehen habe.
Ich halte aber einen anderen Grund für ausschlaggebend: Ich glaube, ich konnte damals dem Ansatz «Klasse statt Masse» weniger abgewinnen. Ich habe Mubi.com ungefähr 2014 auf meine Liste gesetzt, also in dem Jahr, als Netflix in die Schweiz gekommen ist. Damals hat mich der grosse Katalog beeindruckt – und die Tatsache, dass ich eben nicht auf die Auswahl eines Programmchefs angewiesen bin.
Ist die Netflix-Müdigkeit schuld?
Demzufolge ist es denkbar, dass es mit einer gewissen Netflix-Müdigkeit zusammenhängt, dass ich im Bodensatz meiner Liste auf Mubi gestossen bin. Diese Streamingplattform für Filmklassiker und unabhängige Produktionen wirbt mit «handverlesenem Kino»: Es gibt einen «Film des Tages», der während eines Monats zur Verfügung steht und danach wieder verschwindet. Daneben gibt es auch Filme zu Schwerpunkten wie dem Locarno-Film-Festival, den Festspielen von Cannes, zu Meisterwerken der 1960er- oder 1980er-Jahre, zum LGBTQ+-Kino oder zu Coming-of-Age.
Dieser geführte Zugang wirkte damals anachronistisch: Netflix und bald danach auch Sky Show, Amazon Prime Video, Disney+ und AppleTV+ versprechen allesamt ein Angebot, das so gross ist, dass für jeden etwas dabei ist. Sie erweckten obendrein den Eindruck, dass man den passenden Film ohne jede Anstrengung entdeckt, weil die schlauen Algorithmen den eigenen Geschmack bald besser kennen würden als man selbst – und darum jederzeit etwas Adäquates parat haben.
Nach acht Jahren haben wir einerseits gemerkt, dass diese Algorithmen längst nicht so allwissend sind, wie man uns weismachen möchte. Im Gegenteil, sie können bevormundend sein. Und obwohl das Repertoire der Streamingplattformen gross ist, gibt es ein gewisses Muster, das grosse, internationale Produktionen auszeichnet und das mit der Zeit auch Abnutzungserscheinungen mit sich bringt. (Darüber haben wir auch in dieser Nerdfunk-Folge hier diskutiert).
Manche kündigen deswegen ihr Abo, wie zum Beispiel Lena Rittmeyer, die bei Tamedia einen Abgesang auf Netflix gesungen hat. Den fand ich wahnsinnig oberflächlich, zumal sie auch mit «Wilder» argumentiert, was bekanntlich keine Netflix-Produktion ist und noch nicht einmal bei Netflix läuft. Abgesehen davon ist es uninteressant zu lesen, was sie nun alles nicht mehr schaut. Viel interessanter wäre es gewesen zu erfahren, womit sie die Netflix-Lücke füllt. Die Erwähnung von «Benissimo» am Ende ist als Pointe gemeint, aber ich hätte lieber eine ernsthafte Empfehlung gelesen.
Warum nicht eine Serie schwarmfinanzieren?
Wie die Crowd-Finanzierung einer Serie auf Kickstarter oder auf Wemakeit. Oder eben, ein Mubi-Abo. Das kostet zwölf Franken im Monat und ist jederzeit kündbar. Es gibt die App fürs iPhone/iPad und den Apple TV, für Android und Android TV, diverse smarte Fernseher von Samsung und Sony und LG und für den Chromecast, FireTV und Roku. Man kann die Filme auch im Browser und über Swisscom-TV ansehen.
Was mich angeht, bin ich noch nicht so weit, dass ich mein Netflix-Abo wirklich gekündigt hätte. Die Preiserhöhung neulich hat mich zwar dazu gebracht, darüber nachzudenken, aber im Moment passt das Serienformat besser zu meinem Bedürfnis nach Unterhaltung und Eskapismus als Kinofilme, für die an einem normalen Abend zu wenig Zeit ist. Aber ich behalte das Angebot im Auge und sobald ein «Film des Tages» auftaucht, der meine Neugierde entfacht, bin ich mit dabei…
Beitrag: Kino ist wie Netflix, nur mit mehr Leuten (Krists Luhaers, Unsplash-Lizenz).