Als Windows erst für eine Randbemerkung gut war

Microsofts Betriebssystem feiert den 34. Geburtstag. Das hat mich auf die Idee gebracht, in die Archive zu steigen und nachzusehen, wie die Presse damals das Erscheinen von Windows 1.0 kommentiert hat – und wie sich der Tech-Journalismus seitdem entwickelt hat.

Neulich hat mich ein grosses Tech-Unternehmen freundlich darauf hingewiesen, dass es in seinen Reihen einen nicht ganz runden, aber dennoch formidablen Geburtstag zu feiern gebe. Beim Unternehmen handelt es sich um Microsoft, beim Geburtstagskind um Windows. Das Betriebssystem kam am 20. November 1985 auf den Markt, nachdem das Entwicklerteam ziemlich lange mit ihm schwanger gegangen war.

Schon 1981 waren erste Arbeiten aufgenommen worden. Die Ankündigung erfolgte 1983, nachdem Apple schon die Lisa, aber noch nicht den Macintosh lanciert hatte. Ich hatte nie die Gelegenheit, ernsthaft mit Windows 1.0 zu arbeiten. Aber was man so hört, muss es ein ziemlicher Murks gewesen sein. Und schon damals hat Microsoft die Idee gehabt, Windows als grafischen Wurmfortsatz für DOS zu konstruieren. Wahrscheinlich aus der grandiosen Überlegung heraus, dass man der Kundschaft so zwei Produkte statt nur eins verkaufen kann.

Nach einer massiv übertragenen Schwangerschaft, einer verkorksten Kindheit und einer turbulenten Zeit als Twen – man erinnere sich an die Zwangsverheiratung mit dem Internet Explorer – ist Windows nun also in den besten Jahren angelangt. Das ist schön für uns, die wir uns mit dem Betriebssystem herumschlagen müssen. Aber viel mehr ist es nicht – und ich warte auch bis heute noch auf die Einladung von Microsoft zur rauschenden Geburtstagsparty. Vielleicht dann nächstes Jahr zum 35.

Das Manko der digitalen Archive

Jedenfalls hat mich der Geburtstag auf die Idee gebracht, einmal nachzusehen, wie Windows hierzulande medial aufgenommen worden ist. Ich habe das schon einmal gemacht: Im Beitrag Die Steinzeit der Computerberichterstattung habe ich den 35. Geburtstag des Macintosh zum Anlass genommen, die Berichterstattung in der Presse anzusehen.

Dazu verwende ich die Schweizer Mediendatenbank (SMD). Dort ist der Datenbestand vor zirka 1995 leider lückenhaft. Es gibt nur die NZZ vollständig; die anderen Zeitungen und Zeitschriften sind fragmentarisch oder gar nicht vorhanden. Das reduziert den Erkenntnisgewinn. Aber aufschlussreich ist es womöglich trotzdem. (Oder auch nicht.)

In der NZZ erfolgte die erste Erwähnung am 1. Oktober 1985. Unter dem Titel «Situation und Entwicklung auf dem Personal-Computer-Markt» schrieb ein gewisser PD Dr. G. Gati, ETH Zürich:

Vor kurzem schockierte eine Nachricht die Fachwelt: Eine der im PC-Bereich erfolgreichsten Venture-Capital-Firmen, Sevin-Rosen Investments, will nicht mehr in dieser Branche investieren.

Der Risikokapitalgeber hatte in Compaq, Texas und Lotus investiert:

… man fragt sich, ob das ehemals hochgelobte Wachstumswunderkind Personalcomputer jetzt in eine Pubertätskrise geraten ist.

Herr Gati verbreitet Krisenstimmung auf der ganzen Linie:

Ein schlechtes Omen ist, dass bis jetzt noch kein Window-Management-System von Softwarehäusern (wie Windows von Microsoft, VisiOn von VisiCorp) zu einem nennenwerten Erfolg wurde. Die unterschiedlichen Schnittstellen zu den Applikationen haben die Softwarehersteller zu stark verunsichert.

Ob der typische NZZ-Leser damals mit diesen Schnittstellen zu Applikationen etwas anzufangen wusste?

Die Tech-Journalisten damals waren auch ETH-Professoren

Als die NZZ uns erklärte, was EDH (sic!) ist.

Am 25. September 1989 findet sich ein ganzseitiger Beitrag von Herbert Bruderer. Er ist Professor an der ETH und Buchautor – und nebenbei bemerkt jemand, der noch heute ab und zu per Mail auf meine Artikel reagiert. In seinem Artikel erklärte er das Desktop-Publishing:

Seit 1985 werden Desktop-Publishing-Systeme, das heisst, Anlagen zur elektronischen Druckvorlagenherstellung, angeboten. Diese Geräte eignen sich aber nicht – wie ursprünglich vorgesehen – für Laien. Nur Fachleute vermögen damit ansprechende Drucksachen herzustellen, weil gründliche Gestaltungskenntnisse unerlässlich sind.

Bei dieser Aussage hätte ich damals schon widersprochen – und ich würde auch heute noch widersprechen. Ich hatte schon anfangs der 1990er-Jahre Gelegenheit, mich mit PageMaker herumzuschlagen. Und obwohl ich alles andere als ein Fachmann war, habe ich sehr wohl ansprechende Drucksachen hergestellt. Jawoll!

Windows ist nur eine Randerscheinung

Windows wird in diesem Artikel nur nebenbei erwähnt:

Die Bearbeitung der Texte, Graphiken und Bilder am Datensichtgerät geschieht mit Text-, Graphik-, Bild- und Umbruchprogrammen.

Daraufhin gibt es eine recht lange Liste mit solchen Programmen, die mit Texstverarbeitungen anfängt (Word, Macwrite, Write Now, FullWrite, ….) und mit Grafikprogrammen endet (Windows Paint –sic!).

Die Erkenntnis aus dem Artikel ist folgende – wobei EDH übrigens für elektronische Druckvorlagenherstellung steht:

Ein mittleres EDH-System mit Flachbettleser und Laserdrucker kostet zurzeit etwa 30 000 bis 40 000 Franken.

Microsoft macht mit Fondue-Caquelon Werbung für Windows for Workgroups

Die Käse-Metapher: Microsoft versucht, den Leuten Windows for Workgroups schmackhaft zu machen.

Auch bemerkenswert: Eine grosse Kampagne mit ganzseitigen Inseraten von Microsoft selbst, die ab dem 25. November 1992 geschaltet wurde. Damals hat Microsoft selbst Windows for Workgroups 3.1 in einem Inserat vorgestellt:

Windows for Workgroups 3.1 definiert das Arbeitsgruppen-Computing neu und bringt das Reden und Teilen untereinander wieder in Mode.

Als Motiv ist es ein Fondue-Caquelon zu sehen. Das lag daran, dass man bei dieser Windows-Variante erstmals Arbeitsstationen über ein Peer-to-Peer-Netzwerk verknüpfen konnte. Nach heutigen Massstäben waren die Netzwerkfähigkeiten allerdings sehr bescheiden. Immerhin konnte man einen gemeinsamen Kalender führen – aber die Werbung hat die kollaborativen Möglichkeiten auf alle Fälle massiv überverkauft.

Beitragsbild: Ein Zeitgenosse von Windows 1.0 (IBM PC XT, Ruben de Rijcke, Wikimedia, CC BY 3.0)

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