Das stille Sterben bei Crowdfunding-Kampagnen

Dem Crowdfunding sei dank bin ich Financier bei diversen Projekten, die seit Jahren vor sich hindümpeln und die – wenn die Hinterleute ehrlich wären – wahrscheinlich nicht mehr realisiert werden.

Vor einiger Zeit hatten wir im Nerdfunk eine Sendung, wo ich meinen überaus miesen Leistungsausweis in Sachen Crowdfundung offenlegen musste. Ich habe so einige Projekte unterstützt, die nicht vom Fleck gekommen sind.

Die grösste Pleite war Arkyd, das Weltraumteleskop für jedermann. Die «Süddeutsche Zeitung» hat seinerzeit über dieses Projekt geschrieben:

Neben dem digitalen Porträt mit der Erde als Hintergrund, das ab 25 Dollar (etwa 19 Euro) zu haben ist, hat Planetary Resources daher noch weitere Anreize im Angebot. Für 99 Dollar können Unterstützer zum Beispiel fünf Minuten Beobachtungszeit auf dem Teleskop namens Arkyd kaufen und an Schüler oder Forscher weitergeben. Und für 200 Dollar dürfen Interessenten Arkyd sogar selbst ins All richten (nur nicht auf die Sonne) und ein Bild für ihr Fotoalbum schiessen.

1,5 Millionen haben die Initianten eingesammelt. Sie haben es aber nicht geschafft, das Projekt durchzuziehen. Warum, ist mir nicht so richtig klar geworden. Wahrscheinlich war das Projekt einfach zu ambitioniert. Immerhin: Man hat dort sein Geld zurückbekommen.

Mehrere Projekte liegen im künstlichen Koma

Doch es ist nicht immer so, dass Projekte offiziell scheitern und die Initianten hin stehen, und sagen, was Sache ist. Mehrere Projekte, in die ich ein bisschen Geld gesteckt habe, hängen seit Jahren in der Schwebe. Für tot oder zum Misserfolg erklärt wurden sie nicht. Aber es geht nichts voran.

Ein solcher Fall ist «Wires for Empathy». Das ist ein Projekt, das im Februar 2012 unter dem Titel The Tube Open Movie an den Start ging. (Gestatten, Filmproduzent, habe ich seinerzeit dazu gebloggt). Das letzte Projekt-Update stammt aus dem Januar 2016. Da ist eine Durchhalteparole zu lesen – und das Versprechen, es gäbe künftig häufiger Fortschrittsmeldungen. Doch die sind im Gegenteil ausgeblieben.

Nicht zustande gekommen ist auch das Spiel Gbanga Famiglia Rise and Fall von Matthias Sala. Ich habe seinerzeit im Tagi darüber berichtet und selbst ein Investment geleistet. Das Spiel wurde nur zu 17 Prozent finanziert, doch weil die Kampagne bei Indiegogo mit einem Flexible Goal abgehalten wurde, wurde das Geld dennoch ausbezahlt. Zu sehen ist von dem Spiel nichts – und das wird sich auch kaum ändern. Denn mit weniger als einem Fünftel des angestrebten Betrags lässt sich ein Projekt nicht umsetzen.

Das flexible Goal ist eine problematische Sache, das den Investoren mehr Risiko aufbürdet als das fixed funding, bei dem nur eine Auszahlung erfolgt, wenn das Finanzierungsziel erreicht worden ist. Ich werde jedenfalls künftig sehr vorsichtig sein, wenn auch Teilsummen an die Initianten ausbezahlt werden.

Der letzte Fall – und der Grund, weswegen ich mit diesem Blogpost hier ein bisschen auf den Busch klopfen will – ist «Grabowski – Alles für die Familie». Das ist ein Spin-off von Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding von 1999. Viele erinnern sich noch: Dieser Kinofilm war eine (abgesehen vom Soundtrack mit H-Blockx) wirklich gelungene Komödie aus dem Kleinkriminellen-Milieu.

Den deutschen Humor gibt es. Nur den schwarmfinanzierten Film dazu nicht

Er beweist, dass das es erstens den deutschen Humor tatsächlich gibt und zweitens, dass dieser auch abseits von Otto und Didi Hallervorden kinotauglich ist.

Es gab die beiden Nachfolge-Werke «Was nicht passt, wird passend gemacht» und «Goldene Zeiten». Und 2014 sollte eine der Hauptfiguren, der von Ralf Richter gespielte Kalle Grabowski einen eigenen Film bekommen. 2014 wurden dafür 127’648 Euro eingesammelt. Auf der Website heisst es nach wie vor, das Premiere-Datum werde «Ende 2015 bekannt gegeben».

Ansonsten herrscht Schweigen im Wald. Ein letztes Update von Mai 2018 auf der Website der Crowdfunding-Plattform kündigt eine Lesung aus dem Drehbuch an. Da es nachher kein weiteres Lebenszeichen gab, darf man wohl annehmen, dass das Drehbuch nicht auf sehr viel Gegenliebe gestossen ist. Ein wenig mehr, aber nichts Handfestes, findet man bei Facebook.

Jedenfalls hat auch die Presse immer mal wieder nachgefragt, zum Beispiel hier 2017 und hier 2019 (leider hinter einer Paywall). Und hier sagt Ralf Richter: «Es macht mehr Arbeit. (…) Die Geschichte liegt bei den Verleihern.»

Warum  nicht ein Schlussstrich ziehen?

Fazit: Ich würde bei allen drei hier erwähnten Projekten darauf wetten, dass nichts mehr nachkommt. Das ist schade – einerseits natürlich für die Projekte selbst, andererseits aber vor allem auch für die Sache des Crowdfundings.

Denn ein Projekt einfach sang- und klanglos untergehen zu lassen, ist der sicherste Weg, das Vertrauen ins Crowdfunding nachhaltig zu erschüttern. Dafür, dass Projekte sich verzögern oder scheitern, hat jeder Investor Verständnis. Aber niemand will für sein Vertrauen mit Schweigen belohnt werden.

Nein, allein der Anstand gebietet es, offen zu kommunizieren und ehrlich zu sein: Die Kampagnen-Verantwortlichen müssen entweder sagen, warum sie noch an eine Realisierung glauben. Oder aber einen klaren Schlussstrich ziehen. Und wenn ein Projekt scheitert, haben die Investoren ein Recht darauf, die Gründe zu erfahren. Und wenn noch etwas vom Geld vorhanden ist – was zum Beispiel bei einem Film, bei dem noch kein einziger Drehtag stattgefunden hat eigentlich der Fall sein müsste – dann sollte dieses Geld zurückgezahlt werden.

Beitragsbild: Vidar Nordli-Mathisen/Unsplash, Unsplash-Lizenz

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