Das bringt Apples neue iPhone-Software.
Gut, der Titel ist etwas polemisch: Denn nerven tut meistens nicht das Betriebssystem, sondern die Apps, die sich ständig mit Benachrichtigungen bemerkbar machen.
Zum Beispiel durch Hinweise, dass dieser oder jener Kollege neulich seit längerem zum ersten Mal wieder getwittert, gefacebookt, geinstagramt oder gewasauchimmer hat. Da gibt es die Apps, die noch nicht mal so tun, als ob sie für den Nutzer sinnvolle Informationen pushen würden. Nein, sie zeigen eine Meldung an, die ausgedeutscht eigentlich nur heisst: «ÖFFNE MICH JETZT!»
Es gibt auch den Missbrauch der Benachrichtigungen in Form von Game-Center-Spam, den Apple noch immer nicht gestoppt hat. Doch um die Sache zu verkomplizieren, existieren auch nützliche Benachrichtigungen. Die sind Schuld, dass man die Misere nicht einfach durch generelles Abschalten der Benachrichtigungen behebt. Stattdessen muss man sich mit der Konfiguration einzelner Apps herumschlagen und sich die Mühe machen, Aufmerksamkeitsheischer zum Schweigen zu bringen.
Nervige Apps ruhigstellen
iOS 12 macht das jetzt endlich einfacher: Wie das Video zeigt, ist es direkt aus der Mitteilungszentrale möglich, Apps temporär oder dauerhaft ruhigzustellen. Das ist eine Funktion, die es bei Android schon länger gibt und die so nahe liegend ist, dass Apple sie schon seit Jahren hätte einbauen müssen.
Ähnliche Benachrichtigungen werden gruppiert, sodass die Liste nun im Idealfall nicht mehr ganz so lang ist. Das ist hilfreich, aber es ändert nichts daran, dass das Telefon noch nicht in der Lage ist abzuschätzen, wann man an welchen Benachrichtigungen interessiert ist. Das hängt schliesslich sehr von den Umständen ab.
Beim Arbeiten sind Linkedin und Twitter interessant, aber Facebook sollte mich möglichst nicht ablenken. Im Zug habe ich hingegen Zeit, mich mit Social-Media-Belanglosigkeiten und mit den Messengern herumzuschlagen – wobei auch da eine grosse Rolle spielt, wer gerade was geschrieben hat. Netflix-Ankündigungen sind in meinem Fall meistens sinnlos, ausser wenn genau im richtigen Moment auf den passenden Film hingewiesen wird.
Das Smartphone müsste die Lebenssituation genauer kennen
Und so weiter. Die Benachrichtigungen sind ein exemplarisches Beispiel dafür, dass viele der Smartphone-Funktionen erst dann wirklich lebensnah sein werden, wenn die Smartphones irgendwann lernen werden, was der Benutzer genau tut: Ist er bei der Arbeit? Macht er Sport? Fährt er mit dem Auto, Zug oder sitzt er im Flugzeug? Ist er an einer Sitzung? Möchte er schlafen? Ist er krank? Hat er ein Tête-à-Tête oder einen Ehekrach?
Das Informationsbedürfnis und die Erwartungen ans Telefon sind in jeder dieser Situationen anders. Und in jeder dieser Situationen könnte einem die Technik helfen – und wenn es nur dadurch ist, indem sie sich ruhig verhält.
Mit anderen Worten: Der «Bitte nicht stören»-Modus ist schön und recht, aber der unterscheidet bis jetzt vor allem die beiden Fälle, wo der Nutzer schläft oder wach ist. Das wird der normalen menschlichen Existenz nicht gerecht. Natürlich, es leuchtet mir schon ein, wie schwierig es für ein Smartphone ist herauszufinden, in welchem «Modus» sich sein Besitzer gerade befindet.
Riesiges Potenzial für Verbesserungen
Schliesslich sollten auch Datenschutz und die Privatsphäre gewahrt werden, sodass nicht ständig via Kamera und Mikrofon die Aktivitäten im Raum beobachtet werden können. Doch das ginge wahrscheinlich auch diskreter über Sensoren und Hilfsmittel wie Bluetooth beacons und Wearables.
Ich bin jedenfalls überzeugt, dass es in dem Bereich ein riesiges Potenzial für Verbesserung gibt. Und Fortschritte unverzichtbar sind, wenn Smartphones zu echten digitalen Assistenten werden sollten.
Zurück zu iOS 12: Es ist bezeichnend, wenn der grösste Fortschritt beim Betriebssystem darin besteht, dass es etwas weniger nervt. Abgesehen davon gibt es die Bildschirmzeit, die einen darüber informiert, was man wie lange mit welcher App tut.
Wie im Beitrag Hey Leute, es ist freiwillig! beschrieben, kann ich der Sache durchaus etwas abgewinnen. Allerdings finde ich die Analysen am PC sinnvoller als am Smartphone – da ist es mir schon klar, dass ein Grossteil meiner Aktivitäten Zeitverschwendung sind.
Was ist mit der Kurzbefehle-App?
Bleibt die Frage nach der Kurzbefehle-App: Ich halte die für sehr spannend und ich habe hier im Blog mehrfach erwähnt (Ein Fliessbandarbeiter für iOS, So macht iPad-Bloggen Spass! und Das Screenshot-Chaos entschärfen).
Ob es Apple gelungen ist, die App auf den nächsten Level zu heben, bleibt abzuwarten. Ich bin skeptisch, zumal die App jetzt offenbar nicht Teil des Betriebssystems ist, sondern separat zu installieren sein wird. Wenn sie nicht ganz nutzlos ist, wird hier im Blog zu lesen sein, was ich damit anstelle…