Eschbach hat einen passablen Weltreiseführer geschrieben

«Der schlauste Mann der Welt» von Andreas Eschbach ist die Ge­schich­te eines Mannes, der ein Leben im Luxus dem eines fleissigen Arbei­ter­bien­chens vorzieht – und nicht viel Mühe darauf verwen­den muss, sich diesen Traum zu erfül­len.

Andreas Eschbach gehört zu den Autoren, die eine persönliche Website haben, die sich auch wirklich zu lesen lohnt. Viele seiner Kollegen veröffentlichen auf ihren Homepages bloss die Klappentexte zu den Büchern, die sie geschrieben haben. Und das bietet leider keinen Extranutzen gegenüber Amazon – im Gegenteil, denn dort kann man sich wenigstens noch die Kommentare der Leserinnen und Leser zu Gemüte führen.

Bei Eschbach finden die interessante Rubrik übers Schreiben. Dort rezensiert er ausführlich die Papyrus-Textverarbeitung, die er für seine Bücher benutzt. Ich habe sie mir auch schon angesehen, aber nicht in der Tiefe wie er – denn wie könnte ich, wo ich noch keinen Roman mit Papyrus verfasst habe (und auch nicht mit einer anderen Software).

In diesem Blog habe ich auch ein interessantes Detail zu seinem neuen Buch gefunden: Es sei ausserplanmässig entstanden, schreibt er, weil er es nicht als Vertragsarbeit geschrieben habe:

Vielmehr ist ein anderes Buchprojekt, das schon verabredet war und für das ich das Jahr 2022 Zeit eingeplant hatte, erst mal auf Eis gelegt worden, sodass ich überraschend »frei« hatte. Da ich es aber ohne zu schreiben nicht lange aushalte, habe ich mir kurzerhand ein älteres, unvollendetes Romanprojekt noch einmal vorgenommen, zu Ende geschrieben, überarbeitet, noch einmal überarbeitet und schließlich meinem Lektor zu lesen gegeben. Und der war zu meiner Freude so angetan, dass er es gleich im kommenden Frühjahr ins Programm genommen hat.

Das Buch heisst Der schlauste Mann der Welt und ist nicht, wie der Titel vermuten lässt, eine Eloge auf die Klugheit. Vielmehr geht es darum, dass Eschbachs Protagonist findet, Faulheit sei eine Tugend. Gleichzeitig ist er der Ansicht, dass ihm eine Leben in Luxus zustehen würde. Er wohnt gern in Luxushotels – und zwar nicht in einem beliebigen Zimmer, sondern in der schönsten Suite.

Faulheit ist eine Tugend

Wie weit es runtergeht, ist eine der entscheidenden Fragen dieses Buchs.

Ohne an dieser Stelle viel zu spoilern, findet Jens Leunich einen Weg, sich genau diesen Lebensstil zu ermöglichen. Viel Aufwand ist es nicht: Auch bei der Methode des Gelderwerbs geht er den Weg des geringen Widerstands, wobei das Schicksal ihm mit glücklichen Fügungen zur Seite steht. Und uns schwant an dieser Stelle, dass man «schlau» nicht mit «klug» verwechseln darf: Leunich ist das, was man bauernschlau nennt – und er lernt schnell, sich unter den Gutbetuchten zu bewegen, obwohl er von Geburt niemals zu diesen Kreisen gehören würde.

Dieses ausserplanmässige Buch ist nicht so ausgeklügelt wie viele der anderen Eschbach-Geschichten. Es ist eine etwas lang geratene Kurzgeschichte, die ich nichtsdestotrotz gern gelesen habe. Die Wendung am Schluss bestätigt die alte Erkenntnis, wie ungerecht das Leben ist, weil der Teufel immer auf den grössten Haufen scheisst Leuten, die haben, gegeben wird.

Was es mit anderen Eschbach-Büchern gemein hat, ist der differenzierte Subtext. Denn oberflächlich betrachtet könnte man glauben, die Geschichte sei dazu da, den Neid auf jene Leute anzufachen, denen das Leben in Luxus in den Schoss gefallen ist. Zwar ist Jens Leunich keiner, der durch komplettes Nichtstun (a.k.a. Erben) reich geworden wäre. Er ist ein Self-Made-Millionär, auch wenn er nicht viel für sein Geld leisten musste. Aber im richtigen Moment kaltblütig zu handeln, ist schliesslich auch eine Leistung.

Würden wir tauschen wollen?

Wenn wir etwas tiefer gehen und uns die Frage stellen, ob wir denn mit Jens Leunich würden tauschen wollen, dann kommen vermutlich die allermeisten Leserinnen und Leser zu einem klaren Nein. Selbst für einen Eigenbrödler wie mich wäre das ein zu einsames Leben. Und auch wenn Eschbach die Frage nach dem Sinn des Lebens nie explizit stellt, so lauert sich doch ständig wie ein hungriges Tier zwischen den Zeilen.

Fazit: Ein schönes Buch, dass es der Leserin erlaubt, so viel hineinzuinterpretieren, wie er denn möchte: Sie kann auch eine Kapitalismuskritik darin finden, wenn er mag. Und es gibt meines Erachtens auch einen passablen Reiseführer ab, falls wir denn in der glücklichen Lage sein sollten, eine Weltreise in Angriff zu nehmen …

Beitragsbild: Auch Jens Leunich kommt ziemlich viel herum (Pure Julia, Unsplash-Lizenz).

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