Ein unbefriedigender Besuch im Rotlichtmilieu des Web

Wer im Internet alles gesehen haben will, muss auch einen Blick auf Onlyfans.com werfen. Unter dieser Prämisse ist dieser Blogpost hier entstanden.

Onlyfans ist ein Liebling der Boulevardmedien und ein guter Schlagzeilenlieferant: Katie Price kündigt an: Sie will auf OnlyFans blank ziehen!, Studentin bietet heisse Inhalte auf OnlyFans an: Dann bemerkt sie voller Scham, wer ihr zuschaut oder Mama macht sexy Fotos für Onlyfans und neben ihr ertrinkt ihr eigenes Kind – solcher Stoff, halt. Da ich derlei Medien meide wie der Teufel das Weihwasser, wars kein Wunder, dass ich dieser Plattform bislang nicht begegnet bin.

Doch im letzten Jahr ist die Plattform auch in den Medien aufgetaucht, die ich lese: Die Plattform hatte angekündigt, sie würde keine sexuellen Inhalte mehr zulassen; OnlyFans macht Schluss mit selbstbestimmter Sexarbeit, kommentierte netzpolitik.org:

Sexarbeiter:innen kämpfen schon lange um eine Online-Plattform, auf der sie erotische bis pornografische Inhalte gegen Bezahlung teilen können. Seit ein paar Jahren macht die Webseite OnlyFans genau das mit einem Bezahlmodell möglich. Nun verkündete der Anbieter «anstößiges» und «sexuell explizites Verhalten» in wenigen Monaten von seiner Plattform zu verbannen.

Derlei Scheinheiligkeit ist nichts Neues: Solange Plattformen wenig bekannt sind, toleriert man einschlägige Inhalte. Doch ab einer gewissen Grösse entdecken die Betreiber plötzlich ihr moralisches Gewissen und geben sich plötzlich familienfreundlich und jugendfrei. Das ist genauso scheinheilig, wie es klingt.

Man erinnere sich, wie sich Tumblr.com selbst abgeschafft hat

Und der Schuss geht meistens nach hinten los. Ein Fall beweist das exemplarisch: Tumblr hatte nach der Übernahme durch Yahoo eine Wandlung zum sexlosen Saubermann durchgemacht und sich damit selbst der Irrelevanz preisgegeben. Das Netz wird immer prüder, war meine Einschätzung damals gewesen.

Also, bevor Onlyfans.com ebenfalls von der Bildfläche verschwindet – oder auch nicht, da der Pornobann widerrufen wurde –, ist es höchste Zeit, einen Blick auf die Seite zu werfen.

Es fällt auf, dass sie exakt wie Twitter aussieht: Man kann Beiträge schreiben, erhält Benachrichtigungen und führt Listen und Lesezeichen. Das zentrale Element ist die Zeitleiste, in der kurze Beiträge, anscheinend fast nur Videos, durchrutschen.

Wenn ich wüsste, wer Katie Price ist, würde ich vielleicht ihren Kanal für 7.50 Dollar pro Monat abonnieren.

Als frisch gebackener Nutzer sieht man sich bei Onlyfans mit dem gleichen Problem konfrontiert wie bei Twitter: Damit man in seiner Zeitleiste etwas Interessantes sieht, muss man erst einigen Leuten folgen – was aber schwierig ist, wenn nicht weiss, wer Katie Price ist und wer sich hier sonst noch so tummelt. Man folgt anfänglich einem Account namens @onlyfans, in dem es mal um gesundes Essen, dann um Cocktails, anschliessend um Djane Sowieso geht und der dann Ratschläge liefert, wie man ein gutes Körpergefühl entwickelt oder «als Mann seinem Partner das Gefühl gibt,  begehrt und verstanden zu werden».

Kraut und Rüben – und viel Dekolleté

Das ist ein wirres Durcheinander von Kraut und Rüben, mit einem einzigen roten Faden: Er besteht darin, dass ich fast nur Frauen zu Gesicht bekomme und die allesamt viel bis sehr viel Dekolleté zeigen.

Am rechten Rand werden einige Personen vorgeschlagen, denen man folgen könnte, aber auch diese Hinweise machen einen komplett willkürlichen Eindruck.

Onlyfans möchte mir eine Dame namens @beatsbylex schmackhaft machen, die in einem knappen Bikini posiert und sich als «Your music girl» anpreist. Deren Beiträge bestehen aus Einzeilern wie «Out and about 🖤» und einem Video, das man als Neuling aber nicht zu Gesicht bekommt: Ich müsste den Kanal von Beatsbylex abonnieren, um Näheres herauszufinden.

Doch dafür müsste ich erst einmal meine Kreditkarte zücken. Das Abo von Beatsbylex ist zwar kostenlos, aber trotzdem verlangt Onlyfans, dass ein Zahlungsmittel hinterlegt wird. Dabei erfolgt eine Belastung von zehn Cent: Vielleicht zur Überprüfung der Karte oder aber, dass auch die Kunden, die hinterher wieder abspringen, einen kleinen Obolus zum Umsatz beigetragen haben.

Wer sucht, der findet bei Onlyfans nicht

Ich versuche mein Glück über die Suchfunktion, finde aber zu keinem Stichwort, das mich interessieren würde, nur einen einzigen Treffer.

Damit komme ich unweigerlich zum Schluss, dass Onlyfans eine genauso bescheuerte Plattform ist, wie die am Anfang des Beitrags zitierten Boulevard-Schmierereien nahelegen. Und klar, ich habe schon gemerkt, dass ich die Plattform falsch benutze. Die richtige Vorgehensweise wäre, dass man irgendeinen B-, C-, D- oder E-Promi hat, den man anhimmelt, und der einem nebenbei über die traditionellen oder sozialen Medien zu verstehen gibt, dass man als echter Fan nicht darum herumkomme, ihm durch ein Abo bei Onlyfans zu huldigen.

Genau mein Ding: Fitness, Fashion und Wellness.

Und klar, meine negative Einschätzung hat auch damit zu tun, dass ich a) ein alter Sack bin und b) mit dem ganzen Promi-Zirkus nichts anfangen kann. Nichtsdestotrotz finde ich die eigentliche Idee nicht schlecht. Ich habe auch nichts dagegen, wenn eine solche Plattform eine Einkommensquelle für Sexarbeiterinnen und -arbeiter eröffnet – die Wahrscheinlichkeit, dass diese Arbeit online sicherer und selbstbestimmter vonstattengeht als offline, scheint mir gegeben.

Mit dieser Frage hat sich auch das Jugendportal der «Süddeutschen Zeitung» beschäftigt. Hier äussern sich einige Leute, die damit Erfahrungen gesammelt haben, etwa Carolyn Duchene aus Melbourne: Auf Onlyfans habe sie die Möglichkeit, die Sexarbeit und ihre Leidenschaft für Fotografie und Videografie zu verbinden.

So wird das nichts

Aber eben: Auch wenn die Idee ihre Berechtigung hat, ist die Umsetzung bei Onlyfans meines Erachtens gründlich misslungen. Meines Erachtens kann so eine Plattform nur funktionieren, wenn sie eine breite Palette von Inhalten anbietet und die erotischen bis pornografischen Angebote nur ein Teil in einer viel grösseren Auswahl an Kunst, Musik und Medien bilden. So ist die Stigmatisierung, die auch der Beitrag von jetzt.de erwähnt, zu gross.

Aber natürlich ist diese Trennung mit der eingangs erwähnten Prüderie nicht anders zu erklären. An der wird sich so schnell auch nichts ändern, wie auch die «Washington Post» neulich erläutert hat. Und wie die Zeitung aufzeigt, leiden unter diesen neuerlichen Bemühungen, die Internetpornografie zu zensurieren, vor allem sowieso schon marginalisierte gesellschaftliche Gruppen.

Beitragsbild: Dann vielleicht doch lieber einen Besuch in De Wallen in Amsterdam? (Skitterphoto, Pexels-Lizenz)

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