Die praktischen neuen Wegwerf-Apps von Apple

Die App Clips verursachen kein Littering, sondern halten im Gegenteil das iPhone sauber. Doch so gut die Idee auch ist – ich musste etwas suchen, um überhaupt einen echten App-Clip aufzuspüren.

Eine der Neuerungen von iOS 14 sind die App Clips. Das ist eine Art Mini-App, die ohne explizite Installation auf dem Gerät landet und sich nach Gebrauch auch wieder in Luft auflöst. Etwas despektierlich würde man das Wegwerf-App nennen.

Es gibt diese Apps im Web. Interessanter ist jedoch die Möglichkeit, ihnen in der realen Welt zu begegnen: Man kann sie sich über einen QR-Code besorgen – oder, noch komfortabler, über einen NFC-Tag. Das sind diese kleinen, vielseitigen Etiketten, schon vor Einführung der App Clips eine Menge draufhatten. Einige der Möglichkeiten beschreibe ich im Beitrag Warum bei mir jetzt überall solche Kleber kleben.

In einem Dokument für die Entwickler beschreibt Apple noch einige Details und erklärt, für welche Anwendungsfälle diese Mini-Apps gedacht sind:

  • Der Vermieter von Mietvelos versieht seine Gefährte mit einem NFC-Tag, damit die Mieter es über die Ad-hoc präsentierte App ausleihen können.
  • Ein Coffeeshop bietet eine Möglichkeit für schnelle Vorbestellungen an. Der Kunde startet die App via Website.
  • Ein Restaurant stellt seine Bezahl-App über die Maps-App, per Siri oder via NFC-Tag am Tisch zur Verfügung.
  • Ein Museum klebt QR-Codes neben die Ausstellungsstücke kleben. Besucher, die die scannen, erhalten einen Audiokommentar oder Augmented-Reality-Inhalte zu den Werken.

Wer eine solche App entwickelt, sollte sich auf die essenziellen Funktionen konzentrieren. Es braucht eine einfache, selbsterklärende Nutzer-Oberfläche, und die App muss gleich mit der wesentlichen Ansicht starten. Die Nutzer müssen die App vom Fleck weg benutzen können, namentlich auch ohne erste einen Account einrichten zu müssen. Ausserdem soll die App klein und teilbar sein. Unerwünscht sind App Clips, die nur Marketingzwecken dienen. Schliesslich pocht Apple auf den Datenschutz und gibt vor, dass ein App Clip nur eine überschaubare Menge an Daten sammeln und verarbeiten sollte.

Spannend in der Theorie, nichtexistent in der Praxis

Dieser QR-Code führt zu besagter Avatar-App.

App Clips sind definitiv eine spannende Sache. Zumindest in der Theorie. In der Praxis ist es so, dass mir bislang noch keine einzige App in geclippter Form begegnet ist.

Da ich so langsam ungeduldig wurde, habe ich mich auf die Suche gemacht und bin in diesem Beitrag auf einen QR-Code gestossen, der zur URL chibi.app/make führt. Hinter der steckt nun wiederum die App Chibi Studio hier im App Store.

Die App selbst ist nun nicht das, was mir unbedingt gefehlt hätte: Man kann einen Avatar im Manga-Stil basteln. Aber sie ist ebenfalls ein gutes Beispiel, wo solche Einmal-Apps Sinn ergeben: Schliesslich fertige ich nicht täglich neue Avatare an. Wenn der Avatar gespeichert ist, benötige ich die App so schnell nicht wieder. Es ist in Ordnung, wenn sie automatisch vom iPhone verschwindet und ich sie nicht selbst löschen oder unnötigerweise mit mir herumschleppen muss.

Scannen, App verwenden

In diesem Popup bestätigt man, dass man die App verwenden möchte.

Nach dem Scannen des Codes tippt man den Link an, worauf ein Popup erscheint, über das man den App Clip direkt startet. Die lässt sich ohne weitere Umstände und ohne Umweg über den Homescreen verwenden.

Wenn man den App Clip schliesst, ist er in der App-Mediathek in der Rubrik Zuletzt hinzugefügt auffindbar und kann erneut geöffnet werden.

Bleibt die Frage, wie lange die App auf dem Gerät verbleibt. Dazu habe ich keine schlüssigen Informationen gefunden. Das erwähnte Supportdokument von Apple weist aber darauf hin, dass ein App Clip bis acht Stunden nach dem ersten Start Benachrichtigungen empfangen kann.

Das scheint mir ein sinnvoller Zeitrahmen zu sein – und es ist mutmasslich sowieso sinnvoller, die App nicht strikt nach einer bestimmten Zeit zu löschen, sondern die Entfernung davon abhängig zu machen, ob sie der Nutzer noch einmal benötigt oder nicht. Die erwähnte App zur Ausleihe von Mietvelos oder die Restaurant-Bezahl-App könnte auf dem Gerät verbleiben, während eine Museums-App ihren Dienst nach der einmaligen Verwendung wahrscheinlich erfüllt hat – zumindest bei Leuten wie mir, die nicht ständig in die gleichen Museen gehen. (Im Naturmuseum Winterthur war ich indes schon häufiger, weil meine Tochter es gerne mag.)

Es steckt Potenzial in den App Clips

Fazit: In diesen App Clips steckt Potenzial. Und zwar genug, dass ich einen radikalen Vorschlag habe: Apple sollte jede App als App Clip anbieten. Apps, die man mehrfach nutzt, werden automatisch in normale, persistente Apps umgewandelt. Die anderen verschwinden vom Gerät. Das würde es mir nämlich ersparen, all die Programme, die ich nur zu Test- und Besprechungszwecken installieren, wieder von Hand zu löschen¹.

Okay, vielleicht ein bisschen radikal. Aber warum kein Schalter in den Einstellungen, mit dem man zu dieser Operationsweise umschalten kann? Apple dürfte ihn auch gerne mit Computerjournalisten-Modus beschriften.


Beitragsbild: Der hier löst sich leider nicht in Luft auf (Brian Yurasits, Unsplash-Lizenz).

Fussnoten

1) Zugegeben, das ist seit iOS 14 kein so drängendes Problem mehr, weil neue Apps nicht mehr zwangsläufig auf dem Homescreen auftauchen, sondern in die App-Mediathek verbannt werden können.  Wie das geht, habe ich im Beitrag Die grossen und kleinen Verbesserungen in iOS 14 beschrieben.

One thought on “Die praktischen neuen Wegwerf-Apps von Apple

  1. Nope. Ich schnall es immer noch nicht. Das Aufrufen eines AppClips ist kein bisschen einfacher oder schneller als bei einer normalen App. Das Herumtragen merke ich nicht. Und eine App löschen ist nun wirklich auch kein Aufwand. Ich nehm mal an, dass man sich bei AppClips seltener registrieren muss – was tendenziell ein Vorteil ist. Leider wird die Motivation für Anbieter, einen AppClip statt einer echten App zur Verfügung zu stellen auch nicht grösser. Gleich viel Aufwand (!) kein Einkommen. Weder Geld noch Daten.

    Mit anderen Worten: ich sehe den Case nicht. Und wenn sich ein Case ergäbe, gehe ich jede Wette ein, dass der auch mit einer guten Browseranwendung (allenfalls sogar Progressive Web App) auch abzubilden ist.

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