Seit Ende letzten Jahres gibt es die Login-Allianz. Sie soll die Nutzer von Schweizer Newssites dazu bringen, sich zu registrieren, um die Angebote zu nutzen. Tamedia, Ringier, CH Media und NZZ sind beteiligt, und auch wenn es wegen Corona in letzter Zeit still um dieses Unternehmen geworden ist, soll es weitergehen.
In der «Werbewoche» war Ende Juni zu lesen, dass das Single Sign-on 2021 kommen soll. Single Sign-on bedeutet, dass sich der Nutzer nur einmal registrieren muss, um sich bei allen beteiligten Titeln einloggen zu können. Derzeit sind es rund 30 Medienmarken, die zur Allianz gehören.
Mit der Einführung des Universal-Logins wird die Registrierung nicht mehr freiwillig sein, sondern obligatorisch. Und auch SRF will daran teilnehmen; Ende 2020 soll dort die Amneldemaske Einzug halten.
Für die Idee hinter der Login-Allianz habe ich ein gewisses Verständnis: Es ist die Einsicht, dass man die Mediennutzern die Gratismentalität nur dann abgewöhnt, wenn die grossen Medienhäuser gemeinsam auftreten und gewisse Schranken vor die Inhalte setzen. Auch für das Interesse an Nutzerdaten habe ich absatzweise Verständnis. Und ich finde es besser, wenn man dieses Interesse über das Login klar deklariert, statt mittels versteckter Tracking-Methoden hinter dem Rücken Nutzer möglichst viele Daten zu sammeln.
Umsetzung missraten
Die Umsetzung der Login-Allianz halte ich indes für missraten. Erstens hätte das Single-Sign-on gleich beim Start zur Verfügung stehen müssen: Das hätte den Nutzern den Einstieg erleichtert. Und es würde jetzt nicht dazu führen, dass man die separaten Nutzerkonten zusammenführen muss.
Zweitens halte ich die Salamitaktik – erst freiwillig, dann obligatorisch – für schlecht. Es erhöht das Vertrauen nicht, wenn man als Nutzer das Gefühl hat, dass die Daumenschrauben kontinuierlich angezogen werden. Da fragt man sich unweigerlich, was als Nächstes kommt. Registierung nur mit bestätigter Identität oder mit hinterlegtem Zahlungsmittel?
Und schliesslich müsste man den Nutzern einen Mehrwert für ihre Anmeldung geben. Und zwar einen echten Mehrwert, nicht bloss die Möglichkeit, ein paar Abo-Plus-Artikel gratis zu lesen oder an einer Verlosung teilzunehmen.
Eine naheliegende Funktion, für die sich sicherlich viele Leute anmelden würden, wäre die Individualisierung der gebotenen Inhalte: Die Gelegenheit, die Ressorts nach den persönlichen Vorlieben zu sortieren. Oder, mir persönlich noch lieber, die Chance, Uninteressantes zu blockieren. Also, was mich angeht, kein Sport, keine Promi-Klatsch, kein Bachelorette-Bullshit.
Unliebsame Themen ausblenden
Sinnvoll wäre sicherlich auch die Möglichkeit, gewisse Stichworte zu blockieren – vielleicht sogar dynamisch. Grundsätzlich bin ich interessiert, was sich an der Corona-Front tut. Doch es gibt die Momente, wo mir die Pandemie zum Hals heraushängt und ich nichts davon lesen mag. Genauso geht es mir mit dem amerikanischen Präsidenten. Da wäre es schön, einen Schalter umlegen zu können, der besagt: Heute kein Covid-19. Heute kein Trump.
Ich habe mich nun gefragt, ob man diesen Effekt auch ohne entsprechende Filterfunktion bei den Newssites erzielen kann. Gibt es Browsererweiterungen, die entsprechende Dinge ausfiltern?
Die Erkenntnisse einer noch laufenden Nachforschung sind bisher folgende: Es gibt Ansätze, aber befriedigend sind sie nicht.
Zwei Themenblockierer – aber nur für den Desktop
Die beiden Lösungen habe ich im Testbetrieb – und beide funktionieren leider nur am Desktop, nicht aber auf den mobilen Plattformen:
Social Fixer. Das ist eine Erweiterung für Chrome und Firefox, die sich um Facebook kümmert. Sie tut eine ganze Reihe von Dingen: Entfernt gesponsorte Posts, schaltet automatisch von der algorithmisch gewichteten Timeline auf die richtige, chronologische Zeitleiste um, informiert den Nutzer darüber, wer ihn gerade entfreundet hat, und vieles mehr. Es ist beachtlich, was diese Erweiterung alles tut.
In den Einstellungen – die man über ein Schraubenschlüssel-Symbol in den Faceboook-Farben rechts oben aktiviert – gibt es die Option Hide posts. Dort erfasst man die Themen, die man nicht sehen will, als Stichworte. Standardmässig wird anstelle des ausgeblendeten Beitrags eine Meldung angezeigt, die wahlweise anzeigt, welches Stichwort zur Filterung geführt hat. Wenn man komplett in Ruhe gelassen werden möchte, kann man aber auch darauf verzichten.
Unter Filters gibt es auch vorgefertigte Löschoptionen – zu Covid-19, der US-Wahl 2020, Facebook-Spielen, Erinnerungen, Personenvorschläge und einiges mehr.
Gut, aber nicht sehr zuverlässig
Fazit dazu: Eine gute Idee, aber ich bin nicht überzeugt, dass Social Fixer zuverlässig funktioniert. Ich habe schon Posts gesehen, die eigentlich hätten eliminiert werden müssen. Das könnte ein Problem der deutschen Sprachversion sein. Denkbar ist auch das neue Facebook-Design, das ich schon im Einsatz habe. Trotzdem: Einen Versuch ist es auf alle Fälle wert!
Soothe. Eine Erweiterung für Chrome, die Hass und Belästigung zum Verschwinden bringen will. Nach der Installation kann aus den Kategorien Homophobie, Rassismus, Sexismus, Transphobie, Gewalt und sexualisierte Gewalt angeben, was man nicht sehen will.
Ein Test hier hat sie als recht effektiv bezeichnet, doch bei meinen Probelauf hat auch diese Erweiterung nicht so richtig funktioniert – was wahrscheinlich wiederum daran liegt, dass die Erweiterung auf den englischen Sprachraum ausgelegt ist.
Und Soothe ist auch nicht das, was ich möchte: Ich bin durchaus gewillt, mich mit den Widrigkeiten der Online-Welt auseinanderzusetzen. Ich habe kein Interesse an einer gesäuberten Version der Wirklichkeit. Es geht mir vielmehr darum, wann ich mich mit gewissen Themen beschäftige und wann nicht. Und dafür scheint es noch keine brauchbare Lösung zu geben. Falls aber jemand noch eine brauchbare Lösung dafür kennt: Gerne ab damit in die Kommentare!
Beitragsbild: Yoann Boyer, Unsplash-Lizenz
Trump auszublenden tönt zwar verlockend, aber ich bin entschieden gegen Filterblasen bei Zeitungen. Eine gute Zeitung soll einen Querschnitt durch das Relevante übersichtlich aufbereiten. Und da müssen auch Themen drin sein, die mir nicht passen. Jeden Tweet von Trump sofort weiter zu verbreiten ist dagegen einfach schlechter (oder gar kein) Journalismus. Eine der wichtigsten Aufgaben einer Redaktion ist, zu entscheiden, was relevant ist!
Natürlich kann man argumentieren, dass Relevanz ein subjektives Kriterium ist und eine Zeitung desshalb möglichst viele Informationen bereitstellen soll, aus denen der Leser dann auswählt. Doch die Klickanalysen und die vom Leser selbst gesetzten Filterkriterien werden unweigerlich dazu führen, dass nur noch Artikel mit gutem Klick-zu-Aufwand-Verhältnis produziert werden. Die Zeitung wird sich dann aber kaum noch von den unzähligen gratis Newssites unterscheiden und wohl kaum mehr genügend Leute überzeugen können, zu zahlen.
Bei der Werbung sind wir leider schon so weit. Bei einem gratis Angebot ist es verständlich, dass sich die Werbung um jeden Preis ins Blickfeld drängt und den Lesefluss unterbricht. Wenn so etwas aber bei einer Zeitung passiert, für die ich bezahle, fehlt mir das Verständnis. Die Werbung soll entweder statisch und klar vom redaktionellen Inhalt getrennt sein oder es soll eine (teurere) Abooption ohne Werbung geben.
Ich sehe das Zwangslogin kritisch. Je schwieriger seriöser Journalismus erreichbar ist, desto weniger wird er gelesen. Habe dazu mal den Spruch „The Truth Is Paywalled But The Lies Are Free“ gesehen und finde ihn passend. Will man seriöse Informationen, sind diese hinter einem Loginformular versteckt und neben der aufdringlichen Werbung kaum zu sehen. Unseriösen Mist -von harmlosen Klickstrecken bis zu gefährlichen Verschwörungstheorien- hingegen bekommt man kostenlos auf Facebook & Co. direkt vor die Nase gesetzt.
Eine Lösung für das Problem habe ich nicht, denn natürlich müssen die Journalisten entlöhnt werden.