Zuckerberg sollte den Hut nehmen

Das sieht nicht gut aus für «the blue app»: Einige Erkenntnisse aus dem Facebook-Buch von Steven Levy.

Ich fand und finde es heute noch irritierend, wenn von einer «juristischen Person» gesprochen wird. Das sind eben keine Personen, sondern Organisationen – Kapitalgesellschaften, Vereine, Stiftungen und Genossenschaften.

Doch vielleicht ist die Bezeichnung nicht ganz so unsinnig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass einem manche Unternehmen sympathisch sind und man andere für ziemliche Kotzbrocken hält. Die Handlungen der einen Organisation leuchten einem ein, während man sich bei anderen bloss wundern kann.

Ein Unternehmen, über das ich mich in den letzten Jahren immer wieder gewundert habe, ist Facebook. Wenn man sich dieses Unternehmen als Person vorstellt, dann hat man einen geltungssüchtigen, unreifen, rabiaten und rücksichtslosen Nerd vor Augen. Diese Person hat ohne Zweifel ihre Ideale. Und ich gestehe ihr auch zu, dass sie tatsächlich im Glauben handelt, die Welt zu verbessern – und ich teile ihre Ansicht, dass die Vernetzung von Menschen im Kern etwas Gutes ist.

Das Problem dieser Person ist jedoch, dass ihr Verständnis für die Menschen und soziale Mechanismen erstaunlich unterentwickelt ist. Sie schaut auch wenig über den Tellerrand hinaus und hat kein Gespür für kulturelle Unterschiede oder Sensibilitäten abseits der eigenen Peergroup. Und sie zeigt ein frappanter Unwille, aus Fehlern zu lernen, Kompromisse einzugehen und den Horizont zu erweitern.

Nicht sonderlich liebenswürdig

Da brökelt der Kitt…

Die Person ist nicht leicht zu durchschauen. Und es ist noch schwieriger, sie zu mögen. Beim Verständnis hat mir das Buch von Steven Levy geholfen. Es heisst in Englisch Facebook: The Inside Story und in Deutsch Facebook – Weltmacht am Abgrund. Ich habe es für die Tamedia-Blätter besprochen (Fast hätten sie den «Like»-Knopf verschlafen). Und an dieser Stelle noch ein paar persönliche Worte dazu.

Levy hat den Balanceakt, die Nähe zu Mark Zuckerberg, Sheryl Sandberg und anderen Facebook zu suchen und zu finden und seine kritische Distanz zu bewahren, so weit ich das beurteilen kann, bravourös gemeistert. Man erfährt viel über das Unternehmen, seinen Gründer und die Kultur – und es wird auch deutlich, dass die juristische Person Facebook und ihr Gründer zwar nicht identisch sind, aber doch viele Gemeinsamkeiten aufweisen.

Der Chef ist schuld

Das Fazit für mich: Facebook ist nicht so «böse», wie es oft wirkt. Vieles von dem, was schiefläuft – und es ist vieles – liegt in den Charaktereigenschaften begründet, die der Erfinder seinem Werk vererbt hat. Das bringt mich zum Schluss, dass es Zeit für Zuckerberg ist, abzutreten.

Es liegt auf der Hand: Facebook kann seiner Rolle als globaler Vernetzer nur dann adäquat ausfüllen, wenn der Genpool des Unternehmens durchmischt und vielfältiger wird. Dass es ihm an Diversität mangelt, wurde erst jüngst wieder öffentlich kritisiert, und Levy greift dieses Problem in seinem Buch explizit auf.

Die entscheidende Frage ist, wer diese Rolle denn erfüllen könnte – und wie man ein Unternehmen dazu bringt, jemanden an die Spitze zu setzen, der mit den Traditionen bricht und die Firmenkultur aufmischt. Das kriegen manche Unternehmen hin. Microsoft zum Beispiel mit Satya Nadella wäre ein Beispiel, das Vorbildcharakter haben könnte – auch wenn es dort mehr um die Produkte und Geschäftsmodelle und weniger um die Kultur ging.

Bei Facebook sehe ich das weniger. Denn auch das führt Levys Buch vor Augen: Das Social-Media-Unternehmen hatte durch seine Zukäufe immer wieder Zustrom durch intelligente und innovative Erfinder und Unternehmer, die eine echte Bereicherung für die «DNA» der Organisation hätten sein können.

Zuckerberg duldet keine Talente neben sich

Ich denke nicht unbedingt an Palmer Luckey von Oculus Rift. Sondern vielmehr an Kevin Systrom und Mike Krieger von Instagram – und natürlich an die beiden Whatsapp-Gründer Jan Koum und Brian Acton. Gerade Koum – der für seinen Glauben in die Privatsphäre der Nutzer bei der Trennung von seinem ehemaligen Unternehmen eine Milliarde US-Dollar auf dem Tisch liegen liess und heute luftgekühlte Porsches sammelt – hätte für Facebook eine Bereicherung sein können. Aber sie alle hat Zuckerberg aus dem Unternehmen gedrängt. Und wie Levy andeutet, scheint Zuckerberg es sich nicht nehmen zu lassen, ihre Verdienste klein- und seine eigenen gelegentlich etwas grösserzureden…

Das sind schwierige Voraussetzungen – doch trotzdem bleibt es spannend. Ich denke, dass die Chancen fifty-fifty stehen: Entweder schafft Facebook die Erneuerung. Oder das Unternehmen wird von seinem eigenen Gewicht in Grund und Boden gedrückt.

Beitragsbild: Hier, er liegt schon parat (Yang Deng, Unsplash-Lizenz).

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