Ein Plädoyer für die Gratiskultur

Rund um die Adobe-Programme – v.a. Photoshop und Lightroom –, hat sich ein Öko­system mit einem riesi­gen Angebot an Res­sourcen wie Scripts und Entwicklungs­ein­stel­lungen ent­wickelt: Früher meist gratis, heute immer öfters kostenpflichtig.

Für publisher.ch betreue ich seit Jahren den Downloadbereich. Das ist eine Sammlung von Hilfsmitteln für Leute, die aus Gründen des Broterwerbs, vielleicht aber auch aus Freude an der Sache Software für die Medienproduktion und für gestalterische Zwecke einsetzen. Beim Publisher liegt der Fokus traditionell auf den Adobe-Programmen.

Denn das Fachmagazin war ursprünglich Organ der «User Group for Aldus products», die nach der Übernahme des Pagemaker-Herstellers Aldus durch Adobe unter Beibehaltung des Akronyms UGAP zur User Group for Adobe products wurde. Heute ist der Fokus etwas weiter, doch Adobe steht noch immer im Kern.

Ein Gratisfoto, mit einer Gratis-Aktion behandelt. (Bild: esudroff/pixabay.com, CC0; Aktion: Hard-Lomo-Action/deviantart.com)

Gute Kandidaten für den Downloadbereich sind Scripts oder Erweiterungen, die in InDesign, Photoshop oder Illustrator Dinge ermöglichen, die die Programme von Haus aus nicht können. Auch Hilfsmittel zur Rationalisierung bestimmter Aufgaben gehören dazu. Sehr gefragt sind Utilities für kreative Effekte, die in Handarbeit nicht oder nur sehr aufwändig zu erzielen wären. Plus Dinge, die ich als Ressourcen bezeichne: Schriften, Pinsel, Icons bzw. Piktogramme, Vorlagen und Gestaltungs-Versatzstücke, und was da sonst noch so im Web herumgeistert.

Entwicklungs-Stile für jeden Geschmack

Mit Lightroom sind auch die Entwicklungseinstellungen aufgekommen: Das sind Vorgaben fürs Entwicklungsmodul, mit denen man bestimmte Parameter voreinstellt und einen bestimmten Bildlook erzielt. Es gibt Entwicklungseinstellungen für unzählige Looks, Effekte, Farbstimmungen oder auch für bestimmte Zwecke: Für ein Highkey-Portrait, für die Hochzeitsfotografie, für sommerliche Landschaftsbilder, für einen Grunge-Effekt… und was sonst noch so durch die Hirne von Leuten geistern, die von Berufes wegen «kreativ» sind.

Bei Photoshop erzielt man die Bildlooks entweder mit Color Lookups oder aber via Aktionen. Die Actions oder Aktionen sind aufgezeichnete Programmabläufe, die die Bildparameter wunschgemäss verändern.

Diese Aktionen und Scripts werden in der Community rege getauscht. Für InDesign gibt es einge Leute, die seit Jahren tolle Scripts kostenlos zur Verfügung stellen: Peter Kahrel, in-tools.com, Theunis de Jong, Gregor Fellenz, Sergey Anosov, Marc Autret, Rorohiko, Ajar Productions, Hans Haesler, id-extras.com, um die zu nennen, die mir gerade einfallen. An die, und an alle, die ich vergessen habe, ein grosses Dankeschön! Ihr macht tolle Arbeit für die kreative Gemeinschaft.

Immer mehr kommerzielle Angebote

Bei den Photoshop-Scripts und -Aktionen und den Lightroom-Entwicklungseinstellungen konstantere ich seit einiger Zeit einen Trend zur Kommerzialisierung. Auch banale Dinge werden nicht mehr gratis angeboten, sondern verkauft. Creativemarket.com, filtergrade.com, graphicriver.net, photographypla.net, shutterpulse.com, envato.com sind nur einige der Plattformen, auf denen ich immer wieder lande, wenn ich nach tollen Dingen suche, die ich im Downloadbereich anbieten könnte.

Nun kann man die Entwicklung positiv sehen: Es ergibt sich eine neue Einnahmequelle für kreative Photoshop-Arbeiter, die eine zündende Idee haben, die gut in eine Photoshop-Aktion verpacken können und mit den richtigen Worten anpreisen. Dafür ein paar Franken zu verlangen, ist nicht überzogen – wenn man als Nutzer seinerseits damit Zeit spart, ist es die Ausgabe allemal wert.

Was ist aus dem guten alten Community-Gedanken geworden?

Ich kann dieser Argumentation zu einem gewissen Grad folgen. Trotzdem bedauere ich die Entwicklung. Dies natürlich auch egoistischen Motiven. Die kommerziellen Plattformen machen mir mein Leben als Betreuer des Downloadbereichs schwer, denn die kostenpflichtigen Dinge fallen ausser Rang und Traktanden. Ich kann im Downloadbereich nur kostenlose Dinge oder aber Demos bzw. Shareware anbieten. Da es von Aktionen und Entwicklungseinstellungen keine Demovarianten gibt (die sind technisch nicht möglich), wird es immer aufwändiger, gute Gratis-Aktionen zu finden.

Ich finde es aber auch schade, weil ich es fürs Internet bedauere, dass der Idealismus dem Geschäftstreiben offenbar nicht gewachsen ist. Eine kleine Photoshop-Aktion gratis ins Netz zu stellen – das ist sympathisch, egal ob sie nun von einem Hobbyisten genutzt wird oder von einem professionellen Gestalter, der die eingesparte Arbeit dennoch seinem Kunden verrechnet.

Man muss nicht aus jeder Kleinigkeit ein Geschäftsmodell machen

Und eben: Eine Photoshop-Aktion oder eine Entwicklungseinstellung ist nun keine so aufwändige Angelegenheit, in die man Hunderte von Mannstunden gesteckt hat, für die man unbedingt einen ROI benötigt. Wer über ausreichend Erfahrung verfügt, kann den Effekt anhand der Beispielbilder selbst nachbauen. Es geht einfach etwas gegenseitige Hilfsbereitschaft verloren.

Es gibt auch ein technisches Problem: Da man sein digitales Produkt nicht wie beim klassischen Shareware-Programm vorher ausprobieren kann, gibt es die Gefahr, dass sie nicht funktioniert. Adobe hat leider den Fehler gemacht, dass die Lokalisierung von Photoshop einen Einfluss auf die Scripts hat. Es passiert relativ häufig, dass Photoshop-Aktionen, die mit dem englischen Programm entwickelt wurden, bei deutschsprachigen Installationen mit einem Fehler hängen bleiben. Eine Dienstleistung für die Nutzer des Downloadbereichs von Publisher.ch ist, dass ich diese Aktionen eindeutsche. Doch wenn man in dieses Problem reinläuft, nachdem man für eine Aktion bezahlt hat, ist man zu Recht ungehalten.

Schade, die Idee der freiwilligen Spende nicht gegriffen hat

Ich hoffe jedenfalls, dass diese Form der Gratiskultur im Netz nicht komplett verloren geht. Und wünschen würde ich mir auch, dass die Flattr-Idee nicht ganz gestorben ist. Denn nachträglich eine kleine Spende zu leisten, wenn man eine Aktion oder eine Entwicklungseinstellung ausprobiert und für toll befunden hat, sollte nicht nur einfach möglich sein, sondern auch zur Gewohnheit werden…

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