Ich habe im Tagi vom letzten Montag die Videoweb-Settopbox besprochen, die mir als Testgerät zur Verfügung gestellt worden war.
Eigentlich eine gute Idee – ein Gerät am Fernseher, das Fernsehen via Zattoo und Internet auf den grossen Bildschirm bringt und den geneigten Fernsehkonsumenten unabhängig von Kabelanbietern macht. Smart-TV nennt man das, und dem klugen Fernsehen gehört ohne Zweifel die Zukunft.
Wem die Zukunft nicht gehört: Der Videoweb-Settopbox. Für sie gilt: Idee gut, Technik leider unausgereift. Man hätte es, weniger diplomatisch, auch so ausdrücken können: Da wurde ein Produkt im Alpha-Stadium auf den Konsumenten losgelassen. Wer die Box kauft und über keine sehr hohe Schmerztoleranz verfügt, wird nach der Webvideo-Erfahrung nie mehr zu einem Produkt dieses Herstellers greifen.
Mit iOS und Airplay machts mehr Spass
Das ist sehr schade, denn mehr Auswahl für den Konsumenten auf der letzten Fernsehmeile wäre sehr wünschenswert. Aber diese Box müssen UPC-Cablecom, Swisscom, Sunrise und die anderen Kabelanbieter nicht fürchten. Anders würde es natürlich aussehen, wenn es den AppleTV mit App-Store und der Zattoo-App gäbe – dann wäre das «Cable cutting» auf einen Schlag eine sehr reale Option.
Bis dahin ist ein iPad mit der Zattoo– oder Wilmaa-App der komfortablere Weg. Und man kann dank Airplay auch den grossen Schirm im Wohnzimmer ansteuern, wenn man einen AppleTV besitzt.
Aber zum Gerät:
Es kostet 149 Euro oder 199 Franken (schöner Umrechnungskurs, übrigens) und lässt sich via Ethernet und WLAN mit dem Internet verbinden. Ich habe beide Methoden getestet. Das Eintippen auch langer WLAN-Schlüssel klappt recht gut; ausser, dass bei der Eingabe von Buchstaben die Anzeige nicht nachrutscht und man «blind» tippen muss. Die Internetverbindung ist aber sehr unzuverlässig, auch beim Anschluss per Ethernet. Ich hatte ständig Meldungen bezüglich fehlender Internetverbindung, die offensichtlich falsch waren – das Internetradio, das ich beim Text im Hintergrund habe laufen lassen, funktionierte ohne einen einzigen Aussetzer.
Gut gefällt mir, dass man auch über einen Computer und den Browser auf die Box zugreifen kann. Man gibt an einem Computer im gleichen lokalen Netz die IP-Adresse in den Browser ein, die in den Einstellungen beim Netzwerk und bei der Registrierung ersichtlich ist, und man landet auf dem gleichen Interface, das man auch am Fernseher sieht (die Screenshots im Blog-Beitrag sind auf diesem Weg entstanden). Der Zugriff via Browser erspart einem, für die Registrierung beim Hersteller seine Adressangaben per Fernbedienung eingeben zu müssen. Viel weniger gut finde ich allerdings, dass für die Registrierung ein Facebook-Konto nötig ist und bei der Registrierung spamt Videoweb auch gleich ungefragt¹ einen Werbespot in die Timeline. Das ist pfui-pfui und eigentlich ein Grund, die Box unbesprochen zurückzusenden.
Die Box gibt Video in 720p, 1080p und 1080i aus und man kann als Seitenverhältnis Vollbild oder Original wählen. Fürs Fernsehen ist wie erwähnt die Zattoo zuständig. Die Qualität normale Qualität taugt für ein kleines Browser-Fenster, für den grossen Bildschirm ist sie allerdings unterirdisch. Die App bietet nur die allernötigsten Funktionen; HD, die Aufzeichnungsfunktion; Wahl der Tonspur und Replay-Funktion fehlen.
Vorinstalliert waren u.a. Red Bull TV, ARD Mediathek, ZDF-Mediathek, Arte-Mediathek, SAT.1-Videocenter, Pro7-Videocenter, Kabel1-Videocenter, Anixe-Mediathek, n-tv, ARDText, ZDF heute Journal Plus und ein für Mediaplayer für Inhalte, die ab USB-Stick oder von einem lokalen Mediaserver gespielt werden. Ferner gibt es die Updater-App, die App für Einstellungen und Service & Apps, über die man weitere Apps lädt.
Öffnungszeiten im Internet
Der Zugriff auf die Mediatheken der grossen deutschen Fernsehanbieter (SF glänzt durch Abwesenheit) ist komfortabel, wenngleich mir der Konsum des am letzten Sonntag ausgestrahlten «Tatort» verwehrt bleibt: Er ist nur zwischen 20 Uhr und 6 Uhr verfügbar (FSK ab 12 Jahren). Man wundert sich über die kuriosen Blüten, die der Jugendschutz in Deutschland treibt, konstatiert aber, dass die Sache grundsätzlich funktioniert. Der Teletext der ARD (via App ARDText) ist sehr viel komfortabler als richtiger Videotext zu nutzen, weil der Abruf schneller erfolgt und man keine Seitennummern eintippen muss.
Das Angebot der Apps ist nicht grossartig, aber solide. Das Herunterladen funktioniert meistens, wobei einzelne Apps aus unerfindlichen Gründen nicht erscheinen. Die Qualität der Apps ist hingegen durchwachsen. Sehr gut gefällt mir die TuneIn-Radio-App. Wenn man die App an einem iOS-Gerät bereits nutzt und dort ein Benutzerkonto verwendet, kann man diese Konfiguration auch auf die Settopbox bringen. Dazu muss man noch nicht einmal Benutzername und -Passwort eintippen: Die App zeigt am Fernseher einen kurzen Code an, den man auf tunein.com einträgt und so das Gerät freischaltet. Das ist sehr komfortabel gelöst!
Nicht überzeugt die Flickr-App. Sie bietet kein HD und lässt sich nicht mit dem Benutzerkonto verbinden, sodass man Clips umständlichstens über die Suchfunktion aufstöbern muss. Die Flickr-App startet erst gar nicht. Laut Pressestelle bietet sie aber auch keine Möglichkeit, das eigene Konto zu hinterlegen. Da sollte sich mal beim AppleTV ansehen, wie es richtig geht. Schön immerhin, dass es eine Picasa-App gibt. Aber auch hier lässt sich leider kein Benutzerkonto hinterlegen, was sie quasi unbrauchbar macht.
Gut für die Cablecom!
Fazit: Die Software ist unfertig und die Oberfläche arbeitet quälend langsam. Es gibt gelegentliche Anzeige- und häufige Verbindungsfehler, es sind oft Neustarts nötig und bei meiner Box erscheint bei jedem Start der Hinweis, dass Service und Apps vorbereitet würden und das beim ersten Start länger dauern würde. An diesem Problem hat auch ein Reset mit Löschen allen meinen Benutzerdaten nichts geändert und ein Update der Firmware musste ein erstes Mal abgebrochen werden, weil es nach einer Stunde immer noch bei 100% hing. Im Vergleich erscheint selbst die ungeliebte Settopbox von UPC als zuverlässig und kundenfreundlich. Gut für die Cablecom!
Fussnoten
1) Wahrscheinlich gibt man dazu irgendwo im Eula sein Einverständnis. Bewusst habe ich zu einer Facebook-Veröffentlichung jedenfalls nicht ja gesagt. ↩