Google wollte, dass ich meinen kritischen Artikel relativiere

Eine Regel für meine Arbeit lautet: Fragen und Bedenken zu Produkten müssen in journalistischen Berichten thematisiert werden. Es ist nicht nötig, sie vorher mit PR-Leuten zu besprechen, damit die sie zerstreuen können.

Ich habe neulich geschrieben, warum ich meine Fotos nicht alle bei Google hochlade. Ein hier nicht namentlich genannter Pressesprecher hat sich daraufhin über diese Berichterstattung beklagt (siehe letzter Punkt im Beitrag Mit der PR geht es bergab).

Ein paar Fotos habe ich bei Google. Aber eben nur die, die auch öffentlich werden dürfen.

Ich habe heute Deine Analyse zu Google Fotos gelesen. Da wir uns jetzt doch schon seit sieben Jährchen kennen, hätte ich mich natürlich über eine Anfrage deinerseits gefreut. Dann hätten wir in einem gemeinsamen Gespräch auch einige Deiner Bedenken besprechen können.

Also erstens glaube ich nicht, dass die persönliche Beziehung zwischen Journis und Mediensprechern einen Einfluss auf die Berichterstattung haben sollte. Denn dieser Einfluss wird (so der Mediensprecher nicht heimlich auch ein Whistleblower ist) nur die journalistische Distanz tangieren.

Liebe PR-Verantwortliche: Es ist Aufgabe der Presse, problematische Aspekte zu thematisieren

Zweitens stelle ich natürlich Fragen, wenn mir etwas unklar ist. Wenn ich glaube, ein Produkt verstanden zu haben, damit aber so meine Probleme habe, dann gebe ich diesen problematischen Punkten Raum in meiner Berichterstattung.

Das Produkt muss für sich selbst im Markt und bei den Nutzern bestehen. Der «Normal-User» hat keinen Pressesprecher des Herstellers zur Verfügung, der ihm eben mal kurz Red und Antwort steht. Wenn man als Literaturkritiker den Plot eines Romans für Unsinn hält, dann schreibt man, dass der Plot Unsinn ist. Und man ruft nicht den Buchautor an und lässt sich ins Notizbuch diktieren, dass der Roman eben trotz allem grossartig sei.

Zu Deiner Angst, dass Google die Bilder zu kommerziellen Zwecken verwenden würde, hätte ich Dir folgendes sagen können:
Google Photos wird die hochgeladenen Bilder oder Videos nicht für geschäftliche oder werbliche Zwecke verwenden ausser wir würden unsere Nutzer explizit danach fragen.

Meine Aussage im Artikel ist nicht so zu verstehen, dass ich Google unterstelle, die Bilder für Werbezwecke zu verkaufen. Ich gehe aber davon aus, dass sie als Grundlage für die Auswahl von zielgerichteten Werbebannern dient. Das ist laut Auskunft von Internetjurist Martin Steiger im Beitrag rechtlich genauso möglich wie bei GMail.

Toll für eure Leser…

Wie Du ja sicherlich weisst hat Google diesen Montag auch «Mein Konto» angekündigt. «Mein Konto» ist eine neue zentrale Anlaufstelle für Nutzer, auf der diese ihre Privatsphäre- und Sicherheitseinstellungen ganz einfach überprüfen und ändern können. «Mein Konto» ist unter myaccount.google.com verfügbar und ermöglicht Nutzern, alle Einstellungen, die für ihre Google-Nutzung relevant sind, zentral von einer Stelle aus zu verwalten.

Darüber hinaus liefert Google auf der neu gestalteten Seite privacy.google.ch Antworten auf Fragen rund um Privatsphäre und Sicherheit bei Google. Auch Security und Privacy Checks sind möglich. Auch ermöglicht mein Konto den Export von Daten, bspw. auch aus einem Dienst wie Fotos und gibt den Nutzern volle Kontrolle über ihre Inhalte.

Wäre es nicht toll für Eure Leser, wenn Mein Konto auch im Tagi vorgestellt würde, allenfalls auch im Kontext Deiner Analyse? Die Medienmitteilung habe ich Dir unten eingefügt. Ich erinnere mich daran, dass Du einst über die «Data Liberation Front» was gemacht hattest – Mein Konto ist die kontinuierliche Weiterentwicklung dieser Philosophie. Evt. könnte man ja daran anknüpfen.

Ich halte es für bedenklich, wenn Mediensprecher einem unverblümt nahe legen, man solle doch bitte eine kritische Analyse relativieren. Abgesehen davon habe ich schon in dem erwähnten Beitrag zur «Data Liberation Front»¹ geschrieben, dass das Google-Dashboard zwar nützlich ist, aber auch eine Feigenblattfunktion hat: «Aber es handelt sich nach den Kontroversen um die Datensammlerei von Google doch um eine Charmeoffensive gegenüber den Anwendern und Datenschützern.»

An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Insbesondere kann ein solches Dashboard, die Bedenken bezüglich Geschäftsmodell nicht zerstreuen. Dieses Geschäftsmodell, das keinen einzigen Hinweis darauf macht, was man als Nutzer in Zukunft für eine Gegenleistung für den (potenziell gigantischen) Online-Speicherplatz für Tausende oder Zehntausende Fotos wird leisten müssen.

Dominanzgebaren

Es fördert nun mein Vertrauen in Google nicht unbedingt, wenn die Kritik im Artikel bei Google offenkundig als unberechtigt angesehen wird und nicht als Ausdruck eines latenten Unbehagens bei einem Teil der Nutzerschaft. Falls Google nicht beabsichtigt, die Leute durch schiere Dominanz auf ihre Dienste zu zwingen, müsste man dieses Unbehagen ernst nehmen. Das Missbrauchspotenzial bei so vielen und so persönlichen Informationen lässt sich nun einmal nicht wegdiskutieren.

Zum einen gibt es die Gefahr des bewussten Missbrauchs – unter Umgehung der gesetzlichen Regeln zum Datenschutz und der Nutzungsbestimmungen. Diese Gefahr halte ich bei Google, aber auch bei anderen Diensten wie Dropbox, Microsoft oder Flickr zwar für gegeben, aber für relativ klein. (Auch wenn es in grossen Unternehmen überall frustrierte Mitarbeiter gibt, die auf die Idee kommen könnten, auf eigene Faust irgend etwas anzustellen.)

Relativ gross ist meines Erachtens die Gefahr des Missbrauchs, der quasi als Kollateralschaden einer künftigen technischen Entwicklung auftritt. Denn Google erlaubt es seit jeher, dass die bei einem bestehenden Dienst hochgeladenen Bilder automatisch auch in andere, künftige Dienste Eingang finden können.

3 Kommentare zu «Google wollte, dass ich meinen kritischen Artikel relativiere»

  1. Welche ist zur Zeit eine Weltmacht? USA? China? Falsch. Google!
    Ich mache, wenn es eine Alternative gibt, einen Bogen um Google, auch wenn der Aufwand bei den Mitbewerbern grösser ist. Ich mag keine Werbung.

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