Ich habe eine für meinen Job eigentlich unverzeihliche Schwäche: Ich bin oft resistent, was Trends angeht. Ich höre zwar meistens relativ früh, wenn eine Sau durchs Dorf getrieben wird. Aber dann denke ich: «Das ist sicher nur so eine Sau, die gerade durchs Dorf getrieben wird und die in zwei Wochen schon geschlachtet ist.» Will heissen: Sich damit zu beschäftigen, wäre vergebene Liebesmüh.
Was in der Tat auch häufig stimmt. Aber manchmal eben nicht. Was zur Folge hat, dass ich – wenn ich nicht mehr herumkomme, mir ein Thema näher anzusehen –, der allerletzte bin, der das tut. Und sämtliche Leute in meinem Bekanntenkreis, vor allem auch alle Leserinnen dieses Blogs hier, schon Bescheid wissen. Und ich dem Trend hinterherhechle, wie die sprichwörtliche alte Fastnacht.
Das ist mutmasslich auch beim heutigen Thema der Fall. Es existiert seit 2015 und ist nach Web-Massstäben uralt. Ich könnte versuchen, mich herauszureden, dass das Thema vornehmlich für Gamer interessant ist und mich ich nicht zu dieser Gruppe zähle – aber trotzdem.
Doch besser spät als nie: Das Thema, um das es geht, ist Discord. Den Namen finde ich schon einmal grossartig. Er bedeutet Zwietracht, Uneinigkeit oder auch Misston, und wenn man einen Kommunikationsdienst so nennt, zeugt das entweder von einer misanthropischen Grundhaltung – oder vielleicht auch von einer realistischen Einschätzung der menschlichen Natur. Auf alle Fälle passt er. Denn wieso sollte man kommunizieren, wenn man sich einig ist?
Einen Server einrichten? Will ich das?
Meldet man sich bei Discord an, wird man als Erstes aufgefordert, einen sogenannten Server einzurichten. Kann sein, dass ich deswegen den Dienst bis jetzt nie ausprobiert habe – denn «einen Server einrichten» klingt nach einer ernsthaften Angelegenheit, die man nicht aus Jux und Dollerei betreibt. Und vor allem nicht, wenn man überhaupt erst einmal nachsehen will, womit man es bei diesem Dienst zu tun hat.
Und ja, dieser Begriff passt nicht wirklich. Natürlich wird bei Discord nicht für jeden Nutzer, der sich neu anmeldet, ein neuer HPE ProLiant ins Rack geschoben. Es handelt sich vielmehr um einen eigenen Kanal; man könnte auch von Chatroom reden.
Auf diesem sogenannten Server finden sich in der Menüleiste links die Rubriken Textkanäle und Sprachkanäle. Im ersten Bereich richtet man sich Chaträume ein, die ungefähr so funktionieren, wie man es sich aus IRC-Zeiten gewohnt ist, wobei es einige moderne Errungenschaften wie die Threaded Messages gibt, die man bei Slack und Teams schätzen gelernt hat: Eine Detaildiskussion wird ausgelagert und in einen eigenen «Ast» des Chats versetzt, sodass sie dort von den Leuten gelesen werden kann, die sich für sie interessieren und nicht die Allgemeinheit belästigt.
Textchats, Sprachkommunikation, Video und Bildschirmfreigabe
Der zweite Bereich ist logischerweise dazu da, sich sprechenderweise zu unterhalten: D.h. streamt per Mikrofon. Es ist auch möglich, seine Kamera einzuschalten oder seinen Bildschirm freizugeben.
Das macht Discord zu einer interessanten Alternative zu den klassischen Videoconferencing-Lösungen wie Zoom oder Google Meet. Und zwar eine, für die einiges spricht: Man richtet für bestimmte Zwecke einen Raum ein, woraufhin es simpel ist, eine Besprechung abzuhalten: Man loggt sich in den Raum ein und trifft dort die Leute und hat als Betreiber eines «Servers» seine Kanäle alle schön im Blick. Was mir gegenüber der Videoconferencing-Software gefällt, ist, dass der Community Charakter im Zentrum steht: Es fühlt sich weniger nach ernsthaftem Geschäftsmeeting, als vielmehr nach sozialem Kontakt und gemeinsamem Abhängen an.
Hat man einen Kanal erstellt, dann erscheinen neben dem Logo zwei Symbole: Über das Icon mit der Person lädt man Leute in den Kanal ein, wobei man einen Link wie discord.gg/pZcTwhHP6y erhält. Dieser Link führt übrigens zu meinem Nerdfunk-Kanal, auf den ich gleich noch zu sprechen kommen werde.
Die Berechtigungen für die Nutzer festlegen
Über das Zahnrad-Symbol konfiguriert man seinen Kanal: Man legt bei Sprachkanälen die Bitrate und die Videoqualität fest, vergibt ein Benutzerlimit, legt fest, ob es sich um einen privaten oder einen öffentlichen Kanal handelt und verwaltet die Mitglieder und die Rollen. Auf diese Weise bestimmt man etwa die Moderatoren, die im Kanal für Zucht und Ordnung sorgen.
Man kann sich natürlich nicht nur auf seinem eigenen Server tummeln. Auf dem ist direkt nach der ersten Anmeldung eh nichts los. Stattdessen nimmt man das Angebot an öffentlichen Servern in Augenschein, was man über die Leiste ganz am linken Rand tut.
Da tut sich was!
Wenn man einen Server wie Apple oder Microsoft anschaut, sieht man, wie sich ein solcher Server präsentiert, wenn tatsächlich etwas los ist: Es gibt einen Infobereich mit Hinweisen für neue Nutzer und diverse Kanäle: Bei Apple beispielsweise eine Lounge für den Smalltalk, plus dezidierte Kanal für Vorbestellungen (Pre-Orders), Kauf-Tipps (Purchase-Advice) und zwei Audiokanäle namens Voice und Stage, die für mich als Newbie aber noch gesperrt sind.
Noch deutlich grösser ist das Kanal-Angebot bei Microsoft: Hier finden sich Kanäle für allgemeine Unterhaltungen (general-chat), für Windows 11, für Insiders, Linux, IT-Pros, Gaming, Fotografie, Musik, für Tech-Support, Office, Kaufempfehlungen, Clouddienste und vieles mehr.
Im Bereich Home findet man seine Freunde und die Direktnachrichten, die man mit Leuten austauscht. Man sieht, wer davon online ist und kann auch einen Gruppenchat einrichten: Das deutet darauf hin, dass man mit Discord nicht nur in Echtzeit (synchron), sondern auch zeitversetzt (asynchron) kommunizieren kann. Es ergibt für mich Sinn, diese Dinge über eine einzige Plattform abzuwickeln.
Flexibel und nerdig zugleich
Fazit: Auf den ersten Blick gefällt mir Discord gut. Die Plattform hält moderne Kommunikationsmöglichkeiten bereit, und zwar auf eine flexible und gleichzeitig etwas nerdige Art und Weise.
Ich möchte ausloten, ob Discord etwas für den Nerdfunk wäre. Mit dem Sprachkanal könnten wir unser Publikum während der Sendung beteiligen. Das ist etwas, was ich seit unserem Experiment mit der Clubhouse-App (Radio aus dem Clubhouse) tun will. Zwei Gründe sprechen indes dafür, es nicht mit Clubhouse zu tun: Erstens scheint diese Hype-App bereits wieder auf dem absteigenden Ast zu sein. Zweitens ist Discord flexibler, weil man diesen Dienst nicht nur via Smartphone, sondern auch per Computer und Browser nutzen kann. (Immerhin hat Clubhouse das grösste Manko ausgeräumt und die App für Android nachgeliefert.)
Also, wenn ihr mitmachen wollt, meldet euch doch beim passenden Server unter discord.gg/pZcTwhHP6y an. Es braucht leider einen Discord-Account – ohne Anmeldung ist die Nutzung nicht möglich. Mein Benutzername ist MrClicko#3319.
Es gibt auch Kritik
Discord ist kostenlos und proprietär; für Zusatzfunktionen gibt es die kostenpflichtigen Nitro-Abos, die einige Vorteile bieten, zum Beispiel mehr Speicherplatz für Dateien und eine grössere Sichtbarkeit auf beliebten Servern. Dafür zahlt man 100 US-Dollar im Jahr oder 10 US-Dollar pro Monat. Man kann Discord via Browser nutzen. Es gibt auch Apps für Android, iPhone und iPad, Windows, Mac und Linux.
Kritik wird an den Datenschutzbestimmungen geübt, die es erlauben, auch private Informationen mitzulesen und sogar weiterzuverkaufen. Damit ist, wie Wikipedia anmerkt, Discord nicht DSGVO-konform und kritisiert wird auch, dass Rechtsextreme sich via Discord organisieren.
Beitragsbild: So gehts auf Discord ständig zu und her (Yan Krukov, Pexels-Lizenz).