Der grösste gemeinsame Nenner des helvetischen Kulturschaffens

Damit der Anteil der einheimischen Produktionen irgendwann doch noch die vom Bundesrat festgelegte Quote erfüllt, erfolgt heute die Besprechung eines Podcasts, wie er schweizerischer kaum sein könnte: dem Giacobbodcast.

Das einheimische Schaffen kam bei meinen Podcast-Besprechungen bislang kaum zum Zug. Kafi Freitag, einige SRF-Podcasts (hier und hier) – und das war es auch schon. Doch es ist Besserung in Sicht: Heute gesellt sich eine längst überfällige Nennung hinzu.

Die drei gelben Quadrate stehen wahrscheinlich für die vier Landesteile.

Es handelt sich um den Giacobbodcast, der schon im Titel verrät, wer die Hauptfigur ist: Viktor Giacobbo, mit dem mich die weltbewegende Gemeinsamkeit verbindet, dass wir beide in Winterthur wohnen.

Darüber hinaus sind wir beide Moderatoren, wobei er dieses Geschäft allerdings um eine Nuance erfolgreicher betreibt als ich. Und mit dieser Erkenntnis nähern wir uns so langsam dem wichtigsten Unterschied an: Er ist nämlich, anders als ich, tatsächlich witzig.

Nach Schweizer Massstäben weltberühmt

Für die Leserinnen ausserhalb der Schweiz – deren Gruppe gemäss meiner Blog-Statistik in letzter Zeit deutlich gewachsen ist – sei ergänzt, dass Viktor Giacobbos Hauptbeschäftigung Kabarettist ist, er mehrere Sendungen beim Schweizer Fernsehen hatte und das Casinotheater hier in Winterthur mitinitiiert hat. Das ihr übrigens unbedingt besuchen solltet, wenn es euch einmal in diese Stadt hier verschlägt (auch wenn es wahnsinnig eng bestuhlt ist). Es gibt sämtliche Spielarten der Kleinkunst zu sehen, von Comedy, Kabarett, Satire bis zur Slam Poetry.

Aber zum Podcast: Der Giacobbodcast (RSS, Apple, Spotify, Google) gehört zur Sorte der klassischen Produktionen, die keinen Storytelling-Schnickschnack betreiben, sondern sich damit begnügen, dass einige Leute in ein Mikrofon sprechen und die Aufzeichnung davon hinterher mehr oder weniger ungeschnitten veröffentlicht wird.

Das ist auch hier der Fall: Giacobbo unterhält sich jeweils mit einer Person, die nach Schweizer Massstäben prominent ist.

Der Gastgeber kokettiert (zum Beispiel in der Folge mit Schriftstellerin, Journalistin und Ex-Kollegin von mir, Simone Meier) gern damit, dass er sich überhaupt nicht vorbereiten würde, sodass sich der Verlauf der Konversation aus der Situation heraus ergäbe und nicht gross gesteuert würde.

Gespräche aus der Hüfte

Nun lehrt uns Mediennutzer die Erfahrungen, diesen Spontaneitäts-Beteuerungen nicht allzu viel Glauben zu schenken, weil es zum Instrumentarium der elektronischen Medien gehört, vermeintlich ungeplante Ereignisse minutiös zu inszenieren. Doch gleichgültig, wie viele oder wenige Gedanken sich Giacobbo macht, eine Eigenschaft des Podcasts ist es in der Tat, dass er nicht wie ein strenges Interview und auch nicht wie ein Frage-Antwort-Spiel daherkommt, sondern wie ein aus der Hüfte geführter Plausch.

Ein Indiz dafür, dass sich Giacobbo vorab womöglich buchstäblich nicht sehr viele Gedanken macht, besteht darin, dass der Gast die Gespräche massgeblich prägt.

Mit seinem ehemaligen Fernsehkumpan Mike Müller entsteht ein surreales Hin und Her, das einem als Nicht-Eingeweihter das Gefühl gibt, dass dieser Dialog nur aus Subtext besteht. Bei Psychotherapeut und Satiriker Peter Schneider ist der Informationsgehalt höher, wenngleich auch hier der Grad der Ernsthaftigkeit nur als volatil bezeichnet werden kann. Die Folge mit Frank Baumann kommt eine andere Seite zum Vorschein, da beide nicht nur Bühnenpersonen, sondern auch Unternehmer im Unterhaltungsbereich sind – Giacobbo wie erwähnt beim Casinotheater, Baumann beim Arosa Humor-Festival.

Ob Frau Badran mein Vorurteil zerstreut?

Einen Bogen habe ich bislang um die Folgen mit den Politikerinnen gemacht, die es auch gibt, weil die in solchen Situationen typischerweise versuchen, lustig zu sein und es meistens partout nicht sind. Aber habe mir fest vorgenommen, dieses Vorurteil einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen; vielleicht mit der Folge mit Jacqueline Badran. Mein Eindruck ist, dass sie der Versuchung, sich durch vorgeblichen Humor anzubiedern, hervorragend widerstehen kann.

Fazit: Ein Podcast, der trotz des trockenen und für hiesige Verhältnisse erstaunlich subversiven Humors von Viktor Giacobbo etwas sehr Schweizerisches hat. Das liegt daran, dass in dieser Szene einfach jeder jeden kennt. Das wird manchmal als Filz bezeichnet, aber vermutlich ist es eine Unvermeidlichkeit, angesichts der Kleinräumigkeit des Landes. Womöglich hat es auch nichts mit der Landesgrösse zu tun, sondern ist ein Merkmal einer jeden Szene. Man kann es auch positiv sehen, indem das etwas Verbindendes hat, wo manche nicht damit aufhören wollen, die Spaltung des Landes herbeizureden.

Beitragsbild: Auch nicht viel kleiner als in Wirklichkeit – Swiss Miniature.

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