So bekommen wir Facebook in den Griff

Ich nehme den Knatsch zwischen Facebook und der australischen Regierung zum Anlass darüber nachzudenken, welche Lösung es anstelle des Leistungsschutzrechts gäbe, um nicht nur uns User, sondern auch den Journalismus zu stärken.

Das Digitalereignis von dieser Woche dreht sich um Facebook. Es ist verblüffend, in wie viele Konflikte das soziale Netzwerk inzwischen verwickelt ist.

Einer davon ist diese Woche eskaliert: In Australien hat Facebook die Inhalte der grossen Medienhäuser blockiert. Das war die Retourkutsche dafür, dass die Australier in einem neuen Mediengesetz die grossen Tech-Konzerne zu Zahlungen zwingen wollen. Wenn Nutzer Inhalte teilen, sollen die Betreiber der Plattformen, allen voran Google und Facebook, dafür bezahlen müssen. Das nennt sich Leistungsschutzrecht oder salopp-umgangssprachlich auch «Linksteuer».

Ich habe eine zwiespältige Haltung zu dem Leistungsschutzrecht. Als Freund des freien und offenen Internets bin ich dagegen.

Dennoch habe ich mit einem gewissen Erstaunen festgestellt, dass ich es begrüsse, wie Australien und auch Frankreich die Möglichkeiten ausloten. Das hat mit meiner Abneigung gegen die Machtballung zu tun, die Google und Facebook inzwischen ausüben: Auch die ist nicht dazu angetan, das Herz eines Freundes des freien und offenen Internets zu erfreuen.

Das Leistungsschutzrecht als kleineres Übel?

Also ist das Leistungsschutzrecht das kleinere Übel? Es ist und bleibt eine Tatsache, dass Facebook gigantische Umsätze generiert und Milliardengewinne einfährt, während Medienunternehmen und Journalisten weiterhin darben. Als weitere Tatsache müssen wir festhalten, dass Journalisten und Medien ihren Teil dazu beitragen, mit ihren Inhalten die Nutzer auf der Plattform und das Geschäft der Tech-Konzerne am Laufen zu halten.

Ja, ich stelle mit einem gewissen Erstaunen fest, dass ich dem Leistungsschutzrecht nicht mehr mit der gleichen Ablehnung gegenüberstehe, wie noch vor einiger Zeit. Schuld an diesem Meinungswandel ist das ungebrochene Wachstum der Tech-Giganten.

Als Marxist-Leninist würde man das Gesetz des Maximalprofits heranziehen. Als Verfechter eines gebändigten Kapitalismus hat man immerhin die Beobachtung zu bieten, dass wirtschaftliches Wachstum offenbar unvermeidlicherweise dazu führt, dass aus Start-ups, die unsere Sympathie geniessen, unsympathische Moloche werden, bei denen uns gar nichts anderes übrig bleibt, als sie mit Gesetzen zu bändigen.

Das ist bei sozialen Medien besonders offensichtlich: Wenn ein Unternehmen mit nutzergenerierten Inhalten ein Auskommen findet, Löhne zahlen kann und sogar einen moderaten Gewinn einfährt, dann hat niemand von uns etwas dagegen – schliesslich erhalten wir Nutzer im Gegenzug eine hübsche Plattform, die uns einen spannenden Austausch ermöglicht.

Wenn Grösse zu einem riesigen Problem wird

Wenn das gleiche Unternehmen aber zu einem Koloss heranwächst, der seine Gründer steinreich und einflussreich macht, zu einer gesellschaftlichen und politischen Grösse heranwächst, aber die damit einhergehende Verantwortung nur sehr widerwillig oder überhaupt nicht wahrnehmen möchte, dann verändert sich auch unsere Wahrnehmung.

Und zu Recht. In diesem Augenblick gerät das Verhältnis zwischen uns Nutzern und diesem Unternehmen aus der Balance: Wir haben zwar nach wie vor eine schöne Plattform. Doch das Unternehmen geniesst dank unserer unentgeltlichen Beteiligung eine Machtfülle, der wir niemals zugestimmt haben.

Das führt mich zu einer Idee, was für eine Regelung man anstelle des Leistungsschutzrechts einführen könnte. Und die liegt eigentlich auf der Hand:

Denn wenn es die Nutzer sind, die mit ihren Inhalten die Werbegewinne einer Plattform ermöglichen, dann sollten es auch diese Nutzer sein, die an den Gewinnen beteiligt werden. Mit anderen Worten: Ein beträchtlicher Teil des Gewinns von Facebook, Google und Twitter sollte an uns alle ausgeschüttet werden.

Noch mehr Fakenews? Wirklich? (Nein!)

Und gibt es einen offensichtlichen Einwand: Wie sollte diese Ausschüttung denn erfolgen, ohne dass sie verheerende Folgen hätte? Denn wenn sie anhand des Outputs erfolgt, dann würden die Leute noch viel mehr dazu angestachelt, Fakenews, Lügen und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen – weil sich Lügen in den sozialen Medien schneller verbreiten als die Wahrheit. Wenn nun die Spinner, Querdenker und Verbreiter alternativer Fakten auch noch entlohnt werden und dieses Geschäft hauptberuflich betreiben, dann können wir gleich einpacken.

Darum sollte dieses Geld nicht direkt an die Nutzer ausbezahlt werden, sondern an eine organisierte Nutzervertretung. Die würde es treuhänderisch verwalten und sinnvolle Dinge tun: Beispielsweise eine vom Betreiber des sozialen Netzwerks unabhängige Moderation und Faktenkontrolle betreiben und vor Ort dafür sorgen, dass Geld zurück in die lokale Medienlandschaft fliesst.

Und ja, eine solche Nutzerorganisation würde auch gemeinnützige Journalismusprojekte fördern: Damit würden sich neue Perspektiven für eine zukunftsgewandte Form des Journalismus eröffnen, die abseits der grossen Verlage stattfindet und heute unter dem Stichwort stiftungsfinanzierter Journalismus angedacht wird. Da ergäbe sich plötzlich ein äusserst interessanter Aspekt, was die Finanzierung dieser Stiftungen angeht.

Neue Chancen für den Journalismus

Auch die Idee eines unabhängigen Gremiums, das sich in die Belange der sozialen Medien einmischt, ist nicht brandneu. Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat sie 2019 auf der re:publica entworfen:

Ich weiss nicht, ob das seine ureigene Idee war. Pörksen schlägt jedenfalls eine Regulierung vor, die an die Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Medien erinnert. In Deutschland gibt es dafür Aufsichtsgremien. Hierzulande sind manche Medien über Trägervereine in der Bevölkerung verankert. Das gilt für die SRG, aber auch für das Winterthurer Kulturradio Stadtfilter, bei dem ich die Nerdfunk-Sendung mache.

Ich halte die Idee für ausgezeichnet. Die Nutzer wären eben nicht nur die Manövriermasse, die so bewirtschaftet werden muss, dass sie maximalen Gewinn abwirft. Sie wären als Inhaltslieferanten der zentrale Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg einer Plattform. Damit kommt ihnen eine Bedeutung zu, die sie berechtigen muss, eine verantwortungsvolle Rolle innerhalb des Unternehmens einzunehmen.

Fazit: Das Leistungsschutzrecht stösst eine interessante Diskussion an, ist aber kaum der Weisheit letzter Schluss – wie hier bei Heise.de nachzulesen ist. Jedenfalls eine gute Gelegenheit, die Sache weiterzudenken!

Beitragsbild: In welche Richtung zeigt der Daumen noch mal (Barefoot Communications, Unsplash-Lizenz)?

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