Das grosse Twitterer-Assessment, Folge 3: @koeppelroger

Ich bewerte ungefragt, völlig subjektiv und teilweise hochgradig unfair die Twitter-Nutzer aus meiner Bubble. Heute einer, der die meisten seiner Berufskollegen alt aussehen lässt: @KoeppelRoger

Name und Twitter-Handle
Das Header-Bild verspricht eine heile Welt, die dieser Account nicht heraufzubeschwören vermag.

Roger Köppel alias @KoeppelRoger. Das Twitter-Handle ist, man muss es anerkennen, durchaus passend gewählt. Der Proband versteckt sich nicht hinter einem fantasievollen Alias oder hinter einer originellen Abwandlung seines Geburtsnamens.

Im Gegenteil: Das Twitter-Handle entspricht dem Geburtsnamen, mit einer bemerkenswerten Besonderheit allerdings: Der Proband stellt den Nachnamen vor den Vornamen.

Dieses Muster ist als Anknüpfung an eine konservative Tradition zu verstehen. In ländlichen Gebieten war (und ist es womöglich heute noch) Brauch, Leute mit dem Geschlechtsnamen voran zu benennen, teils sogar im Genitiv: «Meiers Fritz ist gestern schon wieder besoffen mit dem Velo aus dem Spunten nach Hause gefahren».

Hier drückt der Nachname eine Art Stammeszugehörigkeit aus, während der Vorname lediglich eine Konkretisierung darstellt, welcher der Meiers denn nun genau gemeint ist. In einem urbanen Kontext, in dem das Individuum im Vordergrund steht, würde man von einer solchen Benennung Abstand nehmen: Da ist man eher der Ansicht, dass allein der Vorname eine Person ausreichend beschreibt. Beispiel: @jack

Es ist immerhin auffällig, dass der Proband seinen Vornamen nennt. In letzter Konsequenz, zum Beispiel in einer hierarchischen Organisation wie der Armee, wird auf den Vornamen gänzlich verzichtet und stattdessen die Rangbezeichnung in den Namen integriert. Hätte sich der Proband für diese Benennung entschieden, würde das Twitter-Handle entweder @Koeppel oder aber @ChefredaktorKoeppel lauten. Allerdings ist das erste Handle bereits seit 2009 belegt, während der Proband erst 2012 zu Twitter gestossen ist. Das zweite mit 19 Zeichen zu lang. (Twitter-Handles dürfen maximal 15 Zeichen haben.)

Originalität der Twitter-Bio

Die Selbstbeschreibung besteht nur in einem Link zur «Weltwoche», der Wochenzeitung, der der Proband als Chefredaktor und Herausgeber vorsteht.

Diese Beschreibung ist insofern lückenhaft, als sie ausser Acht lässt, dass der Proband seit 2015 auch als Nationalrat im Schweizer Parlament sitzt. Entweder betrachtet der Proband dieses politische Amt als generell nicht so wichtig, oder aber er erachtet es im Kontext seiner Aktivitäten auf Twitter als nicht relevant. So oder so muss bei dieser Twitter-Bio mangelnde Originalität und fehlender Esprit konstatiert werden.

Bedeutung, Reichweite und Output

KoeppelRoger hat 24.640 Follower und gehört damit sowohl unter Berufskollegen wie auch im politischen Sektor zu den Schwergewichten.

Der Chefredaktor von SRF, @brenntr, hat im Vergleich lediglich gut 4000 Follower, obwohl sein Medienhaus deutlich mehr Einfluss geniesst als die Weltwoche. KoeppelRoger sticht auch den Bundespräsidenten Guy Parmelin aus, der mit seinem Account @ParmelinG lediglich auf knapp 13’000 Follower kommt. Man könnte das so interpretieren, dass Twitter die realen Einflusssphären verzerrt darstellt. Doch auch die Deutung, dass nicht alle Politiker und Chefredaktoren Twitter effektiv zu nutzen vermögen, ist zulässig.

Als Reichweite gibt socialbearing.com für die letzten 59 Tage beachtliche Zahlen aus: KoeppelRoger verzeichnet 3,25 Millionen Impressionen und eine Reichweite von 24’709 Nutzern, sowie 14’400 Retweets und 93’138 Favs. Das lässt keinen Zweifel daran, dass KoeppelRoger auf die Aufmerksamkeit sowohl der eingeschworenen Fans als auch der Kritiker und politischen Gegner zählen darf.

Themen und herausragende stilistische Merkmale

KoeppelRoger nimmt zu aktuellen politischen Themen Stellung und zeichnet sich durch eine Haltung aus, die man in einer moderaten Würdigung als kontrovers bezeichnen würde. Doch auch die Interpretation, dass bei KoeppelRoger das Anecken und Provozieren zu einem stilbildenden Merkmal gehört, ist durchaus zulässig. Das belegt der Tweet, der gemäss socialbearing.com in der jüngsten Vergangenheit für das grösste Engagement gesorgt hat:

Als lapidare Erkenntnis verkleidet, ist diese Aussage im Kern nichts weiter als eine Beleidigung an die Adresse aller Kritiker, die in einem Satz als Heuchler, als gefährlich und als Moralisten abgestempelt werden.

Diese Aussage allein genügt, KoeppelRoger im politischen Spektrum rechts zu verorten, in dem auch das Derogativ Gutmensch gebräuchlich ist. Es ist als Gegensatz zu der Selbstwahrnehmung dieser Kreise zu sehen, die sich als Teil einer Meritokratie verstehen, in der niemand etwas geschenkt bekommt, sondern alle sich jeglichen Erfolg selbst hart erarbeitet haben.

Der Vorwurf, ererbte Privilegien oder Günstlingswirtschaft könnten einen Teil zu diesem Erfolg beigetragen haben, wird von diesen Kreisen gerne als Auswuchs der politischen Korrektheit abqualifiziert und entsprechend vehement abgestritten.

Ein weiteres Merkmal dieses Twitterers ist, dass er sich als aktiver Verteidiger des abgewählten US-Präsidenten versteht und sich unumwunden als Verteidiger zu erkennen gibt:

Ob diese Haltung auf echter Bewunderung basiert oder lediglich auf strategischem Kalkül beruht, lässt sich aufgrund der Twitter-Nachrichten nicht abschliessend beurteilen.

Abschliessende Würdigung

Der Proband zeichnet sich durch das Bemühen aus, sich in seinen Tweets als Gentleman und als Feingeist darzustellen, der kühl beobachtet und rational entscheidet.

Allerdings schafft es der Proband nicht, diesen Eindruck konstant aufrechtzuerhalten. Es kommt immer wieder zu Tweets, die die Begutachter nur als eigentliche Ausrutscher taxieren können. Als beispielhaft für diese Einschätzung mag der folgende Tweet dienen. Da wir vom eingangs zitierten Tweet wissen, dass sich der Proband explizit nicht als Heuchler versteht, lässt sich diese Aussage nur unter Annahme eines Messiaskomplexes verstehen:

Abschliessend lässt sich festhalten, dass der Proband ein gutes Beispiel dafür ist, dass sich gezielte Provokationen in den sozialen Medien eins zu eins in sozialmediale Aufmerksamkeit ummünzen lassen.

Die Begutachter kommen an dieser Stelle nicht umhin festzuhalten, dass die inhaltliche Substanz und die gesellschaftliche Relevanz der Tweets allein diese Aufmerksamkeit in keiner Weise rechtfertigen und lediglich der Zementierung des altbekannten Freund-Feind-Schemas dienen. Die Begutachter geben daher die Empfehlung ab, dem Probanden künftig etwas weniger Aufmerksamkeit zu schenken – selbst wenn das bedeuten sollte, dass man sich einen schönen Aufreger-Moment entgehen lassen muss.

Beitragsbild: Gratulation, Sie haben Ihr Twitter-Examen bestanden. (Ekrulila, Pexels-Lizenz).

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