Juhuu, der Teeologe ist zurück! Mit zwei Tees, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht gefällig die Kehle herunterrinnen, sondern leichte Irritation auslösen. Hoppla, scharf! Das hätte man bei beiden nicht gedacht – beim einen noch etwas weniger als beim anderen.
Der eine heisst Daily Boost, stammt vom Lipton (Amazon Affiliate) und macht einen leicht hipsterigen Eindruck. Offenbar hat auch dieses Unternehmen das unternehmerische Heil in der Produktdiversifikation entdeckt. (Kein Wunder, Lipton gehört inzwischen auch zu einem dieser Lebensmittelgiganten, nämlich zu Unilever.)
Earl Grey ist zwar nach wie vor ein unbestrittener Klassiker, ebenso wie das Fehlen von Mischbatterien bei vereintkönigreichlichen Lavabos. Doch der junge Mensch wird wahrscheinlich nicht mehr unbedingt diesem schwarzen Tee frönen, der unter uns gesagt auch etwas langweilig schmeckt. Ich werde ihn trinken, wenn ich mal bei der Queen zu Gast bin. (Oder bei Meghan und Harry.) Aber sonst kann ich auch ganz gut ohne.
![](/wp-content/uploads/180825-daily-boost-matterhorn.jpg)
Es handelt sich beim Daily Boost um einen Grüntee, der zu meinen bevorzugten Teesorten gehört und der eine Produktdiversivikations-Steilvorlage darstellt: Man kann offenbar fast alles untermengen: Kräuter, Früchte, Vanille. Und alles, was einen exotischen Namen hat und ansonsten schwer verkäuflich ist. Vermischt man es mit Grüntee und packt es in eine fancy Schachtel, dann wird es auch gekauft. Ich glaube, das würde sogar mit gerösteten Katzenpfötchen und gehäckselten Fussnägeln von Lady Di funktionieren.
… wobei, Katzenpfötchen gibt es anscheinend tatsächlich in Tees. Es gibt nämlich eine Heilpflanze dieses Namens, sodass man kein perverser Tierquäler mit absurden Teefantasien sein muss, um die zu verwenden. Obs schmeckt, weiss ich allerdings nicht.
Ein internationaler Tee mit asiatischen Einflüssen
Also, die Schärfe im Daily Boost stammt (nicht überraschend) von Ingwer. Es hat auch noch was vom Zitronenstrauch (Lemon Verbena) drin, sowie ein Ding namens Turmeric. Wikipedia verrät, dass es sich dabei um Kurkuma handelt. Man erhält hier also einen internationalen Tee mit asiatischen und indischen Einflüssen – was ich nicht als unangemessen erachte. Und ein Produkt, auf das der Hersteller gross «Vitamin C» schreiben kann. Denn wenn der Teeologe etwas gelernt hat, dann das: Exotische Beimengungen sind das eine. Das Entscheidende ist bei Tees aber immer, dass man eine positive Auswirkung auf die Gesundheit insinuieren kann.
Der Tee schmeckt nun etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht unangenehm. Ich würde ihn eher zum Frühstück als unter Tags oder abends trinken – aber das ist Geschmackssache. Ich würde ihn auch eher als Wintertee betrachten, obwohl man ihn laut den Verheissungen des Herstellers auf der Schachtel «anytime» nehmen kann («any time is a good time to kick back and relax»). Ingwer im Tee ist für mich halt schon eher ein winterliches Feature, auch wenn man ihm Unrecht tut, ihn nur auf die erkältungsmindernde Wirkung zu reduzieren. Die Schärfe jedenfalls ist angenehm, vielleicht ein wenig verhalten. Und auf alle Fälle auch für Nicht-Inder verträglich.
Kein Dauer-, sondern ein Abwechslungstee
Eins ist klar: Das ist kein Dauertee, d.h. nicht einer, von dem ein eiserner Bestand vorhanden sein müsste. Ich zähle ihn zu den Abwechslungstees, auch weil er mir letztlich etwas zu fruchtig ist. Denn mit der Fruchtigkeit verhält es sich beim Tee wie beim Wein: Ein kleines bisschen geht, aber es gibt rote Linien. Und die sind auch bei dem Tee schnell überschritten, wenn man ihn zu lange ziehen lässt. Und bekanntlich lasse ich meine Tees gerne zu lange ziehen.
Der zweite Tee ist ein Produktparadoxon. Er heisst Matterhorn und stammt von Swiss Tea. Die haben dort eine Reihe von Tees, die nach Bergen benannt sind: Es gibt eine Jungfrau, einen Säntis, einen Mönch und einen Eiger. Da denkt man unwillkürlich an klassische Kräuterteemischungen – und wird beim Matterhorn überrascht. (Die anderen kenne ich noch nicht. Der Säntis ist allerdings bestellt und wird es womöglich demnächst hier in die Teeologie-Rubrik schaffen.)
Der Matterhorn-Tee enthält einerseits genau das, was man bei einem solchen Tee erwarten würde. Nämlich Edelweiss. Zweitens Dinge, die einen auch nicht überraschen: Fenchel, Zitronenthymian und Thymian. Drittens Zutaten, die uns wieder zur Frage führen, ob man eigentlich alles in Tees reintun kann: Ingwer, Chili und Stevia.
Zum Glück kein Klischee-Tee
Das ergibt ein durchzogenes Fazit: Einerseits finde ich es begrüssenswert, dass man unter dem Namen kein absolutes Kräutertee-Klischee erhält. Denn man muss Swissness ja nicht mit Réduit gleichsetzen.
Andererseits ist die Schärfe in diesem Tee so stark, dass die anderen Geschmacksnoten zu kurz kommen. (Vor allem, wenn man ihn nur ein bisschen zu lange ziehen lässt.) Ob das alle so empfinden, weiss ich nicht – vielleicht ist es eine Frage der Übung, ob man bei scharfen Gerichten die weniger dominanten Zutaten herausschmeckt oder nicht. Mir jedenfalls gelingt das schlecht.
Finales Fazit: Es im Schärfebereich mehr als den klassischen Yogi-Tee. Was einem schmeckt und was nicht, hängt massgeblich von der persönlichen Schärfetoleranz ab. Für Leute, die Chilischoten nicht schon zum Frühstück essen, ist der Daily Boost die bessere Wahl. Bergburschen und -mädels, die nicht so leicht aus genagelten Schuhen kippen, dürfen sich gerne am Matterhorn versuchen.