John Balestrieri kreiert mit seiner Softwareschmiede Tinrocket höchst ungewöhnliche Apps. Die Percolator-App, die Fotomotive in Seifenblasen oder Farbringe zerlegt, haben wir bei einer früheren Gelegenheit vorgestellt. Eine zweite App von Balestrieri weist ähnliche Merkmale auf: Sie hat einen sperrigen Namen, betreibt einen kreativen Umgang mit Farbe und Form und ihre Funktionsweise ist nicht eben einfach zu erklären.
Popsicolor verwandelt Fotos in Illustrationen aus Wasserfarbe. Das Ausgangsfoto wird nicht eins zu eins nachgepinselt, sondern in ein Kunstwerk im Pop-Art-Stil umgewandelt. Die App zerlegt es in einzelne Bildteile und färbt diese als Duotone neu ein. Duotone werden in Deutsch auch Duplexbilder genannt (nicht zu verwechseln mit der Duplexfunktion beim Drucker) und sie verwenden, wie der Name verrät, zwei Farbtöne. Bei einem klassischen Duplexbild wird ein Graufstufenmotiv mit einer zweiten Farbe getont. Das Bild kann gleichmässig eingefärbt werden. Es ist auch möglich, nur die dunklen, hellen oder die Mitteltöne einzufärben.
Die Welt in Wasserfarbe und in Duoton
Popsicolor kann, dank den Algorithmen zur Erkennung von Bildbereichen, nun einzelne Teile des Bildes separat färben. Das Beispiel zeigt die Hallgrímskirkja in Reykjavík, die von der Software als Objekt erkannt und blau eingefärbt wurde. Der Himmel erfuhr als Kontrast eine bräunlich-rote Färbung. Das Resultat mit seiner abstrahierenden Wirkung darf als künstlerische Interpretation gelten – ganz abgesehen davon, dass die Wasserfarben mit den teilweise ineinander verlaufenden Pinselstrichen perfekt simuliert werden.
Über drei Module lässt sich das Bild auf vielfältige Weise variieren. Das erste Modul (mit dem Pinsel) erlaubt farbliche Variationen: Am oberen Rand bestimmt man, über viele farbige Wasserglacé-Symbole, die eine Farbe im Bild. Am unteren Rand gibt es weitere Wasserglacés, die die zweite Farbe im Bild definieren. Mit Swap tauscht man die Farben aus, über Shuffle vergibt man sie nach Zufall. Über das Tintenfässchen (Ink) zieht man die Bildkonturen mit Tintenstrichen nach.
Variationen beim Farbauftrag
Im zweiten Modul (erkennbar an der Sonnenbrille), variiert man mit der Art und Weise, wie die Farbe aufgetragen wird. Man kann sie spärlich oder dick auftragen, das Bild dunkler oder heller halten – und weniger bzw. mehr Weissraum lassen. Über die Bereiche Barbel, Edge und Obscura intensiviert man den Farbauftrag an den Kanten oder an einem Rand bzw. in der Mitte des Bildes. Bei Tools kann man das Bild umkehren und einen Rahmen hinzufügen.
Beim dritten Modul, dem mit der Zielscheibe, wird die Sache erst recht pop-artig. Hier überlagert man das Bild mit einem Verlauf, der über die beiden Farben realisiert wird. Vom linearen horizontalen und linearen vertikalen Verlauf über radiale Varianten bis zu Wellenmustern, Interferenzen, Flammen, Sonnen und einem wilden Mix stehen 23 Varianten zur Wahl.
Fürs Coverbild des nächsten Fotobuchs
Fazit: Popsicolor ist eine liebevoll und sorgfältig entwickelte App, die sehr überzeugende Resultate liefert und zum Spielen einlädt. Klar, Bilder im Popsicolor-Stil bieten nur relativ beschränkte Einsatzmöglichkeiten. Wenn man das nächste Fotobuch in Angriff nimmt und ein gelungenes Popsicolor-Bild aufs Cover setzt, hat sich der Preis für diese App allemal gelohnt.