Unsere Zeit ist geprägt von Effizienzdenken. Kosten werden auf Bruchteile von Rappen oder Cents berechnet, Abläufe hochoptimiert, Zeitpläne sekundengenau erstellt und überhaupt sind Dinge wie Effizienz, Optimierung, Performance und Ersparnis inzwischen annähernd religiöse Kategorien.
Davon müssen wir wegkommen. Für weniger Stress in der Gesellschaft, weniger Frust und Druck braucht es mehr Schlendrian. Mal etwas Tagträumen hier. Ein bisschen müssiges Sinnieren dort. Ein viel zu langer Kaffeeklatsch mit Kollegen. Zwei Stunden Dösen im Stadtpark an der Sonne.
Ein Tag ohne Pläne!
Ein halber Nachmittag zufälliges Musikhören im Plattenladen (oder meinetwegen im iTunes Music Store). Drei Stunden in der Badewanne, bis man aussieht wie ET. Ein Tag ohne Pläne.
Ich proklamiere jedenfalls nicht den Müssiggang. Komplette Faulheit ist unkreativ und ein zu grosser Widerspruch zu der normalen Lebensweise. Aber nicht immer am Limit zu laufen, brächte Freiheit für den Geist. Zumindest mir geht es so, dass mein Kopf im Leerlauf die besten Ideen produziert. Wenn Gedanken ungehindert in beliebige Richtungen wandern.
Das ist gut, aber ich will deswegen nicht anfangen zu meditieren, und gleich wieder eine Wissenschaft draus machen. Das ist nämlich auch so eine Krankheit dieser Tage. Man kann ein Ding nicht einfach nur tun.
Immer gleich übertreiben!
Nein, man muss ihm, dem Ding immer gleich einen Namen geben, man muss einen Kursus besuchen, ein kluges Buch dazu lesen (oder selbst eines dazu schreiben), eine Produktlinie kreieren oder eine Sekte dazu gründen. Auch so ein Auswuchs.
Was ich will, sind mehr Toleranzen im Leben. Nein, nicht Toleranz, sondern mehr spatzig lassen, wie manche sagen. Und dafür braucht es eine Kultur des gepflegten Schlendrians, wie ich sie nennen würde…
… ok, gut, ein Widerspruch zu obigem Absatz, wo ich fordere, Dinge nicht zu benennen. Wenn man eine Diskussion vom Zaun brechen will (was ich hier tun möchte), dann muss man Dinge wohl oder übel benennen – wobei es beim diesem Thema vielleicht auch Nichtbenennung bzw. Comicsprache funktionieren könnte: Ich will mehr Schubidu und Trallala, mehr Paditadam und Rampampam. Ich bin jedenfalls gespannt, was Google Adsense mir zu diesen Begriffen für Werbung auf die Webseite hängt.
Das kreative Chaos
Ich hatte vor Jahren (irgendwann 1990, um genau zu sein), das kreative Chaos gefordert. Das ist, wo man doch älter und weiser (?) wird, zu anarchistisch. Heute würde ich es kreatives Beinehochlegen nennen. Es geht einher mit weniger Perfektionismus und der Fähigkeit, ohne Magenübersäuerung auch einmal Fünfe grad sein lassen zu können. Wir haben ja Frühling. Die perfekte Zeit, damit zu beginnen. Stadtpark, ich komme!
Super Sache – aber wie setzt man das in die Praxis um? Die Chefs dieser Welt haben i.A. sensationell wenig Verständnis für dieses Anliegen… ok, ich kann am Wochenende rumtrödeln und tue das auch ausgiebig, aber das tue ich mehr, um am Montag wieder fit zu sein und möglichst effizient zu funktionieren.
Ausserdem ist man beim Herumtrödeln oft allein, da viele Leute dazu neigen, auch ihr Privatleben hocheffizient vorauszuplanen…
Du hast recht mit dem Hinweis auf das Umsetzungsproblem. Darum fordere ich ein gesellschaftliches Umdenken. Es braucht auf breiter Basis ein Verständnis dafür, wie wertvoll Nichteffizienz und Rumdödelei sein kann.