Wie der Rausch die Kontrolle übernahm

Im Podcast «Sucht & Süchtig» erzählen zwei Männer, wie sie in die Drogen­sucht hinein­gera­ten sind und wieder heraus­ge­funden haben. Wir lernen einiges über Cannabis und Kokain, aber auch über die for­male Viel­falt des Pod­cast-Mediums.

Beitragsbild: Die ersten zwei Mal wars noch gratis (Cocaine powder on black table von Marco Verch/Flickr.com, CC BY 2.0).

Im Podcast Sucht & Süchtig erzählen zwei Männer in zehn Folgen von ihrer Drogensucht: Wie sie mit in der Schule mit Cannabis angefangen haben, dann mit Kokain, Partydrogen und Medikamenten in Berührung kamen. Wie sie die Drogen anfänglich als nützlich wahrgenommen haben, weil die Substanzen Ängste beseitigt und sie während des Konsums produktiver, zielstrebiger und selbstbewusster waren. Wie sich das Blatt gewendet hat und Paranoia, Beschaffungskriminalität, Lügen und Konsumdruck eingesetzt haben.

Und wie die beiden auch wieder aus der Abhängigkeit herausgefunden haben: Das ist schon in der zweiten Folge ein Thema, in der Silke Rojas Garcia von der Vista-Suchtberatung in Berlin Auskunft gibt, wie ein Erstkontakt stattfindet und Therapiemöglichkeiten ausgelotet werden – und dass man sich jederzeit mit seinen Fragen an diese Beratungsstellen wenden darf.

Wie das Leben so spielt

«Eine oft tödliche Krankheit.»

Der Podcast (RSS, iTunes, Spotify) hat mich beeindruckt: Ich ziehe meinen Hut vor Hagen Decker und John Cook, die in diesem Podcast offen und so ehrlich, wie man es nur erwarten kann, aus ihren Leben und ihrem jahrelangen Leben als Süchtige erzählen. Das ist lehrreich für mich, der ich zwar Tendenzen zum Workaholic habe, mich ansonsten aber als wenig Sucht-affin einstufen würde. Und ja, ich weiss, dass das ein Trugschluss sein könnte. Vielleicht lag es am Mangel an Gelegenheiten während der neuralgischen Jugendjahre.

Oder daran, dass einer meiner Cousins, mit dem ich als Teenager häufig am Wochenende unterwegs war, nach wenigen Zügen an einem Joint so seltsam wurde, dass mir völlig klar war, dass diese Form des Kontrollverlusts für mich nicht infrage kommt. Ansonsten – wer weiss? Es ist in der Tat nicht so, dass ich nicht genügend Musik gehört hätte, die unter dem Einfluss psychedelischer Drogen entstanden ist, dass ich nicht eine gewisse Neugierde auf den weissen Hasen entwickelt hätte.

Der Podcast ist neben dem Inhalt auch als formaler Sicht interessant – und ein Beleg, wie die Podcasts die Palette der informativen Audioformate erweitert. Denn im linearen Radio wäre die Konstellation nicht denkbar, dass sich zwei Betroffene direkt unterhalten, ohne dass ein Moderator das Gespräch führt und für eine «Einbettung» sorgt.

Zwischenfragen wären manchmal sinnvoll – aber oft auch unnötig

Ich habe mir lang überlegt, welche Auswirkungen ein Moderator gehabt hätte. An manchen Stellen wäre er sicherlich sinnvoll gewesen. Beispielsweise erzählt Hagen, wie er eine «Line gezogen habe» und korrigiert sich daraufhin, dass dieses Vokabular eigentlich zu vermeiden sei. An dieser Stelle hätte ich die Frage eines Moderators nach dem Warum sinnvoll gefunden. Klar, ich kann es mir zusammenreimen: Der Szene-Jargon ist dazu da, den Sachverhalt zu verniedlichen und zu idealisieren, während nüchternere Formulierungen wie Konsum Distanz schaffen und bei der Reflexion helfen. Aber ich hätte es mir gern direkt erläutern lassen.

Eines der Musikvideos, das Hagen gedreht hat und von dessen Entstehungsgeschichte er in der ersten Folge erzählt.

Abgesehen davon geben sich die beiden Mühe, die Sachverhalte allgemeinverständlich zu beschreiben und selbst die Distanz herzustellen, für die in einem klassischen Setting der Moderator zuständig wäre. Und das gibt den Schilderungen eine Intensität und Intimität, die in einer Dreierkonstellation mutmasslich schwer zu erzielen wäre.

Abschliessend einmal mehr die Feststellung, dass Podcasts eine Bereicherung sind – und eine Hör-Empfehlung für diese Produktion.

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