Sollen Domainhalter anonym bleiben?

Mein Hosting-Anbieter macht es neuerdings ganz leicht, dass sich Betreiber von Websites hinter einem Strohmann verstecken können. Das ist falsch: Es mag in Einzelfällen Gründe geben, anyonym zu bleiben – doch für die Nutzer ist Transparenz im Web wichtig.

Er hier betreibt gern Websites. Nur sein eigener Name soll nicht ins Web. (Bild: Kaique Rocha/Pexels.com, CC0)

Hostpoint macht seit einiger Zeit Werbung bei Facebook für eine Funktion namens Domain Privacy. Die wird wie folgt angepriesen:

Die persönlichen Adressangaben zum Inhaber einer Domain sind – in den meisten Fällen mit E-Mail-Adresse und Telefonnummer – öffentlich über sogenannte Whois-Server zugänglich. Jedermann kann somit überprüfen, wem eine Domain gehört. Dies nutzen allerdings zunehmend auch unseriöse Adresshändler, Spammer oder Telefon-Marketing-Firmen, aber auch Betrüger, zu ihren Gunsten.

Durch den Einsatz von Domain Privacy Light oder Domain Privacy schützen Sie sich vor Missbrauch Ihrer persönlichen Daten. Anstelle Ihrer Adressdaten wird die Adresse eines sogenannten Proxy-Dienstes – einem neutralen Vertreter – angezeigt. Ihre Daten werden komplett verborgen oder lediglich ihr Vor- und Nachname angezeigt («Privacy Light»).

Für die, die nicht mit den technischen Hintergründen vertraut sind: Zu einer Website kann man über eine Whois-Abfrage den Domainhalter und den technischen Kontakt abfragen. Zu dieser Domain hier spuckt nic.ch meinen Namen und die private Wohnadresse aus. Nichts, was nicht auch im Telefonbuch stehen würde – aber eben global recherchierbar.

Klar, dass es das Angebot gibt. Aber!

Ich verstehe natürlich, dass die Webhoster diese Funktion anbieten. Schliesslich kann jeder Domaininhaber seine Identität verschleiern, indem er seine URLs von einem Mittelsmann registrieren lässt. Da kann man als Hoster auch gleich ein paar Franken dazuverdienen, indem man selbst den Mittelsmann spielt.

Ich verstehe auch, dass manche Webseiten-Betreiber anonym bleiben möchten. Wie nicht nur Hostpoint, sondern auch Wikipedia zur Domain privacy erwähnt, versuchen vielerlei Akteure, diese Angabe zu missbrauchen: Spammer, Direktvermarkter, Identitätsdiebe, um nur einige zu nennen. Wenn man eine Website zu einem heiklen Thema betreut, dann besteht die Gefahr persönlicher Angriffe.

Doch ich sehe eben auch die andere Seite: Und das ist die Medienkompetenz, die nicht nur ich gerne predige. Wenn man eine Website nutzt, sollte man nicht alles unbesehen glauben, was auf dieser Website steht. Man muss seine Quellen beurteilen und auch bei Internetangeboten eine Einordnung vornehmen. Da ist die Frage zentral, wer eigentlich hinter Informationen steht. Man findet diese Angabe manchmal in einem Impressum – oft aber auch nicht. Häufig genug findet man bloss eine E-Mail-Adresse oder gar keine Kontaktangabe. Und ich habe auch schon viele Websites gesehen, bei denen man nicht einmal erfährt, aus welchem Land die Betreiber operieren.

Man beraubt uns Nutzer einer Methode, mehr über den Betreiber einer Site herauszufinden

In solchen Fällen ist die Whois-Abfrage hilfreich. Es gibt auch Dienste wie whois.com, die nicht nur zur Schweizer Top-Level-Domain Auskunft geben, sondern auch zu allen oder fast allen anderen. Und mit Reverse-Whois-Abfragen findet man heraus, welche Domains eine Person betreibt. Ich habe diese Instrumente schon oft für journalistische Zwecke genutzt. Zum Beispiel vor einiger Zeit, als ich eine Frage wegen eines Blog-Diebstahls erhielt: Die Fragestellerin hatte festgestellt, dass ihr Blog als Kopie im Web stand, wobei es subtile Änderungen gab, die darauf hindeuteten, dass hier jemand eine Linkfarm aufbauen wollte.

Und ich habe auch schon mehrfach über die Instrumente geschrieben: In den Beiträgen Wie man sich schlau über Websites macht und Im Internet steht viel Quatsch: Wie Sie nicht darauf reinfallen: Denn ich bin überzeugt, dass man Fakenews und Verschwörungstheorien nur bekämpfen kann, wenn möglichst viele Leute wissen, wie man Quellenkritik betreibt.

Ein typischer Zielkonflikt

Es handelt sich um einen typischen Zielkonflikt zwischen einem legitimen Informationsbedürfnis der Nutzer und einem in vielen Fällen ebenfalls legitimen Anspruch auf Schutz der Privatsphäre. Wie könnte man den auflösen?

Einen «neutralen Vertreter» anzugeben, so wie Hostpoint das tut, ist nicht sinnvoll und die schlechtestmögliche Lösung für dieses Dilemma. Die Angabe eines neutralen Vertreters hat keinerlei Informationsgehalt; da könnte man sie auch gleich weglassen. Dabei gäbe es auch einen happy middle ground, bei dem die Anonymität des Halters gewahrt bleibt, die Öffentlichkeit aber doch gewisse Anhaltspunkte erhält:

Bei Organisationen wäre es problemlos möglich, den Namen und die Adresse der Organisation auszuweisen. Denn selbst umstrittene Organisationen haben in der Regel eine Postadresse. Bei Privatpersonen könnte man wenigstens den Wohnort mitteilen, sodass sich eine Website geografisch verorten lässt. Und wenn die Angabe komplett unterschlagen wird, müsste im Minimum eine Begründung erfolgen, weswegen das so ist.

Warum keine Begründung für die Unterschlagung der Angaben?

Dann hätten wir als mündige Internetnutzer die Möglichkeit, diese Begründung zu bewerten. Wenn sie glaubwürdig ist, dann tut das dem Informationsgehalt der Website wahrscheinlich keinen Abbruch. Doch wenn sie nicht nachvollziehbar ist, dann wüssten wir, dass Vorsicht angebracht ist.

Schliesslich wäre sogar eine Kundennummer o.ä. hilfreich. Anhand einer solchen Nummer könnte man mit einer Reverse-Whois-Abfrage herausfinden, welche Sites Mr Anonymous sonst noch so betreibt – auch das kann bei einer dubiosen Website schon eine wertvolle Information sein. Und wenn selbst das jemandem nicht reicht, dürfte er natürlich seinen Anwalt beauftragen, bei Whois als Strohmann zu fungieren. Dieser Anwalt würde selbstverständlich das Anwaltsgeheimnis wahren, aber ggf. auch eine Mitteilung an seinen Klienten weiterleiten…

Kommentar verfassen