Unser tägliches Empowerment gib uns heute

Über Tech-Themen zu schreiben, ist eine Herausforderung – aus sprach­licher Sicht: Man sollte nicht stän­dig pas­sive For­mu­lie­rungen ver­wen­den und nicht wie Micro­soft in pseudo­reli­giö­ses Pre­di­gen ver­fal­len.

Themen aus der digitalen Welt sind sperrig, unhandlich und aus mehreren Aspekten eine Herausforderung: Unsere Aufhänger sind in aller Regel abstrakt. Im Zentrum stehen Produkte, bzw. deren Anwendung im Alltag und die daraus entstehenden Veränderungen für die Gesellschaft als ganzes. Zwar werden diese Produkte von Menschen für Menschen gemacht und die technologische Revolution muss von den Menschen verkraftet werden.

Wer über Promis schreibt, hats einfacher. (Foto: Cast aus How to Get Away with Murder von Disney | ABC Television Group/Flickr.com, CC BY-ND 2.0)

Trotzdem kommen alle diese Menschen als anonyme Masse vor. Benennbare Akteure wie im Sport, in der Politik oder im Showbiz gibt es selten. Denn wann hat man schon mal Gelegenheit, mit Satya Nadella über Windows zu plaudern, Larry Page ein paar Vorwürfe zu Googles Datenwürgegriff zu machen, Tim Cook über die Apple Watch auszuquetschen oder Jeff Bezos bzw. Mark Zuckerberg zu seinen Weltbeherrschungsplänen zu befragen?

Man kann, man kann, man kann.

In den Rezensionen oder Servicetexten ist darum oft von Möglichkeiten und Unmöglichkeiten die Rede, selten von echten Handlungen. Der User (das unbekannte Wesen) kann mit seinem shiny Gadget oder seiner fancy Software dieses oder jenes tun.

Das schlägt sich auch in der Sprache der Konzerne nieder. Microsoft hat am Superbowl 2015 den Werbeslogan Empowering us all in den Mund genommen – was in meinen nicht-angelsächsischen Ohren absolut grässlich klingt. Es hat den Anklang eines Gebets («… und führe uns nicht in Versuchung, sondern empowere uns alle…»), aber ohne die Demut, die idealerweise in der Anrufung einer höheren Macht steht. Im Gegenteil: Dank der tollen Technologie sind wir selbst die Götter, die uns die Maschinen untertan machen. Und möglicherweise auch die anderen Menschen, die die Technologie nicht ganz so geschickt nutzen.

Auf der grammatikalischen Ebene ist Tech-Berichterstattung ein konstanter Ausnahmezustand. Das Subjekt ist meistens ein Pseudo-Ding oder -Wesen. Das Verb bezeichnet keine wirkliche, echte Tätigkeit. Der User kann, muss, soll Dinge tun. Apple verbessert das iPhone. Der Bildschirm zeigt eine Fehlermeldung. iOS outet Batteriefresser. Der Anwender benötigt eine Seriennummer. Der Selbstauslöser ist eine längst überfällige Detailverbesserung. Die Apple Watch soll ab April erhältlich sein. Und das waren jetzt, bis auf das erste und das letzte, noch die guten Beispiele.

Ringen mit der Sprache

Immer lauert die Gefahr, dass ich als Autor die immer gleichen Floskeln aus der Mottenkiste ziehe, mich in Passivformulierungen oder Substantivierungen verstricke, mit Modalwerben um mich schmeisse oder sinnlose Wortkreationen in die Welt setze. Von den Anglizismen und dem Denglisch will ich hier erst gar nicht anfangen. Wer sich diesbezüglich aus Beste amüsieren will, dem sei der Freakshow-Podcast empfohlen und auch Bits und so hat in dieser Sache eine Reputation.

Das grundsätzliche Problem an der Sache lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Was nicht sein müsste, ist – Achtung, sinnlose Substantivierung! – die Vernachlässigung der Sprache, deren sich der gemeine Tech-Schreiber tagtäglich schuldig macht.

Keine Füllwörter, PR-Sprech meiden…

Mehr Aufmerksamkeit täte Not¹: Sätze einfacher, Füllwörter weg, PR-Floskeln eliminieren. Vom Blogschreiben habe ich immerhin gelernt, dass es hilft, mehr von sich zu sprechen. Das passt zwar nicht zum überhöhten Selbstbild des klassischen Journalisten, der keine privaten Meinungen, sondern überprersönliche Wahrheiten verbreitet und darum als Person im Text nicht in Erscheinung treten will.

Doch unter uns gesagt: Bei Rezensionen und Kritiken sind die Pirouetten, die oft um die Formulierung «Ich finde…» geschlagen werden, doch häufig lächerlich². Darum hilft es der Tech-Schreiberei, wenn der Autor sich in Szene rückt – und wenn er dabei versucht, sich in die Haut der Leserinnen und Leser zu rücken, umso besser.

Ach ja, ein Trost bleibt uns Tech-Schreibern immerhin: Die Juristen sind noch viel schlimmer.

Fussnoten

1) … sage ich als jemand, der notorisch Satzfragmente produziert und bei seinen Umschreibungen den Überblick verliert.

2) Der Unsitte, von «wir» anstelle von «ich» zu sprechen, habe ich mich auch schon schuldig gemacht. Es ist trotzdem so, dass die so zum Ausdruck gebrachte Meinung immer nur meine persönliche Meinung war und nicht die der ganzen Redaktion. Darum ist das eher Pluralis Majestatis als echte Bescheidenheit.

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