Einige gute, neue Ideen und ein altes Ärgernis

Mac OS 14 alias Sonoma in einem ersten Augen­schein: Apple hat es knapp verpasst, ein rund­um ge­lungenes Up­date ab­zu­lie­fern – und das aus nich­tigen Grün­den.

Bei iOS 17 und iPad OS 17 habe ich nützliche und fragwürdige Neuerungen entdeckt – ebenso beim Herbst-Update für Windows. Aber wie steht es um Mac OS Sonoma? Das ist die Version 14, die später im Jahr erscheinen wird.

Ich habe die öffentliche Beta installiert und mir einen ersten Eindruck verschafft. Da ich bei früheren Tests dieser Art schlechte Erfahrungen gemacht habe, habe ich eine altbewährte Sicherheitsmassnahme ergriffen: Ich die Vorab-Version auf einer externen Festplatte eingerichtet. Das geht am einfachsten mit dem Stand-Alone-Installer, den es – Achtung, Geheimtipp! – bei Mr Macintosh gibt.

1) Ein alter Kritikpunkt: Die mangelnde Rückwärtskompatibilität

Als Erstes fällt auf, dass Apple wieder an den Systemanforderungen gedreht hat. Das war schon vor einem Jahr meine Hauptkritik gewesen: Auch Computer, die noch gar nicht so alt sind, kommen nicht in Genuss des Updates. Das kommende Betriebssystem setzt folgende Limiten: Die ältesten noch unterstützten Geräte sind der iMac Pro von 2017, das MacBook Pro, das MacBook Air und der Mac Mini von 2018, der Mac Pro von 2019 und der Mac Studio von 2022.

Einschätzung: Das ist und bleibt ein grosses Ärgernis, nachdem schon letztes Jahr mit Ventura einige noch ziemlich neue Rechner über die Klinge springen mussten.

Das liegt meines Erachtens daran, dass Apple die Intel-Rechner möglichst schnell aus dem Update-Zyklus ausrangieren will. Der Wechsel zu Apple Silicon hat ab 2020 stattgefunden und wenn es Apple mit der Rückwärtskompatibilität weiter so handhabt, wird er in ein bis zwei Jahren weitgehend abgeschlossen sein. Für Apple ist das komfortabel, für die Nutzerinnen und Nutzer aber frustrierend.

Es sei erwähnt, dass es Möglichkeiten gibt, die Restriktionen zu umgehen. Dazu verwenden wir den OpenCore Legacy Patcher: Er macht es möglich, dass die neuen Versionen auch auf Rechner installiert werden, die zehn bis 15 Jahre alt sind. Ob das sinnvoll ist, was die Ausführungsgeschwindigkeit angeht, ist natürlich eine andere Frage.

Ich habe diese Meethode mit meinem Macbook Pro von 2016 durchexerziert. Das Fazit ist unter dem Strich positiv und im Beitrag Neue Mac-OS-Versionen auf alten Macs installieren nachzulesen. Meine Kritik an Apple vermag der OpenCore Legacy Patcher nicht zu mildern.

2) Der Name

Einschätzung: Der Name klingt in meinen Ohren nach einem medizinischen Fachbegriff für eine exotische Schlafstörung. Oder nach Teigtaschen aus Indien und Pakistan. Doch laut Wikipedia handelt es sich um eine Stadt in Kalifornien. Wann also dürfen wir mit Mac OS Rocky Beach rechnen?

3) Videos als Desktop-Hintergrund

In den Systemeinstellungen bei Hintergrundbild finden sich nebst den klassischen, statischen Bildern und den dynamischen Hintergründen, die sich der Tageszeit anpassen, jetzt auch Videos. Die erinnern an die Bildschirmschoner des Apple-TV: Es handelt sich um Landschaften, die gemütlich überflogen werden. Das Video erscheint auch im Sperrbildschirm, um dann nach der Anmeldung abzubremsen und als Standbild den Desktop zu schmücken.

Das ist sehr elegant und bringt Abwechslung mit sich: Denn je nachdem, wie schnell wir uns anmelden, haben wir eine etwas andere Ansicht der gleichen Szene auf dem Schirm. Und die Filme lassen sich auch als Bildschirmschoner verwenden.

Einschätzung: Ein tolle Feature, das keinen produktiven Zweck erfüllt und seinen Tribut verlangt. Die Videodateien sind riesig. Der Film «Flusstal im Grand Canyon» belegt mit seiner 4k-Auflösung und einer Laufzeit von 27 Sekunden belegt ein halbes Gigabyte auf der Festplatte. Bei Macs mit knappen Reserven beim Speicherplatz und Arbeitsspeicher verzichtet man daher wohl besser auf das Feature. Sicher auch, wenn man den Akku schonen will.

Immerhin: Die Videos werden nicht vorgehalten, sondern nach Bedarf heruntergeladen, und nicht mehr benötigte Titel können jederzeit gelöscht werden¹.

Beitragsbild: Die Widgets vor einem Video-Bildschirmhintergrund.

4) Die Widgets auf dem Desktop

Eine weitere Neuerung betrifft den Desktop: Die Widgets können nicht mehr nur in der Mitteilungszentrale deponiert werden, die bei einem Klick auf die Datums-und-Uhrzeit-Anzeige in der Menüleiste erscheint. Nein, sie lassen sich auch auf dem Desktop platzieren. Dazu klicken wir bei gedrückter Control-Taste auf eine freie Stelle des Desktops und wählen Widgets bearbeiten aus dem Kontextmenü aus.

Die Widgets sind optisch identisch mit denen von iOS und iPad OS und auch das Angebot ist weitestgehend identisch. Das halte ich für eine verpasste Chance: Am Mac würde ich erwarten, dass der grösseren System-Offenheit Rechnung getragen wird und es z.B. Widgets für die Prozessorauslastung, den freien Festplattenspeicher und andere Leistungs-Daten gibt, die uns Apple beim iPhone und iPad vorenthält. Aber das kommt vielleicht noch – und lässt sich sonst allenfalls über Widgets von Drittherstellern realisieren.

Ausserdem bemerkenswert: Es gibt bei Sonoma keine Widgets mit News. Das könnte daran liegen, dass es Apple News noch immer nicht bis zu uns geschafft hat.

Die Widgets für den Desktop: Die Auswahl ist dürfte üppiger sein.

Einschätzung: Eine interessante Neuerung – wenngleich ich mir die Bemerkung nicht verkneifen kann, dass das Vorwärts und Rückwärts in dieser Angelegenheit bemerkenswert finde. Erinnern wir uns: Sowohl Windows mit als auch der Mac hatten bei früheren Betriebssystemversionen solche Widgets eingebaut. Microsoft hat in der Vergangenheit schon zwei Anläufe gewagt: Mit dem Active Desktop in Windows 95 und den Windows Desktop Gadgets in Vista. Beim Mac war das Dashboard die grosse Neuerung in Tiger (10.4), die mit Mojave (10.14) endgültig über die Klinge springen musste.

Auch Microsoft hat bei Windows 11 eine neuerliche Widget-Offensive unternommen, die meines Erachtens gehörig in die Hose gegangen ist. Apple macht es besser, aber ich glaube, dass auch bei Sonoma das Ei des Kolumbus nicht gefunden wurde.

Ich habe die Widgets bereits wieder vom Desktop verbannt: Ich will dort nichts haben, was mich ablenkt – oder von Fenstern überdeckt wird und darum auch nichts bringt. Wenn ich am Mac arbeite, finde ich es praktischer, wenn mich das iPhone via Sperrbildschirm und Always-On-Display mit derlei Informationen versorgt.

5) Kamera-Einstellungen

Durch Recken beider Daumen wurde dieses Feuerwerk gezündet.

Falls eine App auf die Webcam zugreift, erscheint prominent ein Kamera-Icon in der Menüleiste. In diesem Menü ist sichtbar, welche App das tut – also z.B. Zoom, Facetime oder auch Photobooth. In dem Menü gibt es diverse Funktionen:

  • Porträt optimiert die Darstellung des Gesichts, wobei wir mit einem Schieberegler einstellen können, wie stark der Effekt sein soll.
  • Studiolicht hellt das Gesicht auf.
  • Reaktionen sind besonders lustig: Mit dieser Funktion werden unsere Gesten durch Einblendungen multimedial untermalt. Wenn wir einen Daumen hochstrecken, erscheint ein Daumen-hoch-Logo im Bild. Wenn wir beide Daumen hochstrecken, wird hinter uns ein Feuerwerk gezündet. Zur Not lassen sich diese Effekte über das Reaktionen-Menü auch manuell zünden.
  • Center Stage: Wenn wir eine weitwinklige Kamera nutzen, gibt es die Möglichkeit, virtuell auf uns zoomen zu lassen, sodass wir immer im Bild sind und uns der Kamera-Ausschnitt folgt.
  • Mit Desk-View lässt sich auf den Bildschirm umschalten, wobei das eigene Bild in diese Ansicht eingeklinkt wird.

Einschätzung: Die «Reaktionen» sind eine Apple-typische Spielerei, die natürlich auch den Zweck hat zu demonstrieren, dass ein Apple-User gegenüber allen anderen immer noch ein Ass im Ärmel hat.

Aber die zentralen Einstellungsmöglichkeiten für die Kamera, die in allen Videotelefonie- und Videoconferencing-Apps Anwendung finden, sind praktisch und eine grosse Erleichterung – vor allem für Leute, die häufig und gezwungenermassen unterschiedliche Programme nutzen müssen.

6) Web-Apps ins Dock einfügen

In Safari gibt es neu den Befehl Ablage > Zum Dock hinzufügen. Mit dem lässt sich Gmail, Youtube, Onedrive, Slack, Twitter oder sonst eine Anwendung ins Dock verfrachten, die dort wie ein lokal installiertes Programm erscheint. Wenn man die Anwendung von dort startet, erscheint sie ohne Adressleiste in einem separaten Fenster.

Gmail, als Webapp ans Dock geheftet, fühlt sich fast wie eine normale Anwendung an.

Einschätzung: Das ist eine simple, nützliche Neuerung. Sie erlaubt es uns, häufig gebrauchte Anwendungen aus dem Browser und den übervollen Reiter-Leisten auszugliedern. Wir können die Anwendung mit den üblichen Fenster-Verwaltungs-Methoden organisieren, also z.B. mittels Command Tabulator zwischen ihr und anderen Apps hin und her wechseln. Und die ausgelagerten Apps kommen uns beim Surfen in der übervollen Reiter-Leiste nicht in die Quere.

7) Weitere Neuerungen und Fazit

Der Blockierungsmodus (Lockdown mode) macht den Mac robuster gegen Hacker-Angriffe.

Es gibt noch einige weitere Neuerungen, etwa den Lockdown-Modus, den Apple vor einem Jahr fürs iPhone und iPad eingeführt hat (Der Modus für Extra-Sicherheit beim iPhone und iPad). Kein Zweifel – der ist unbezahlbar für Leute, die tatsächlich gefährdet sind oder ihr individuelles Sicherheitsgefühl verbessern möchten.

Ausserdem gibt es eine Möglichkeit zum Teilen von Passkeys und diverse kleine Verbesserungen, wie die Möglichkeit, Notizen zu verlinken, neue Bedienungshilfen wie die individuelle Stimme, visuelles Nachschlagen auch am Mac und die Möglichkeit, PDF-Formulare automatisch auszufüllen. Diese Dinge werde ich natürlich noch gesondert ansehen.

Fazit: Sonoma hat keine überragenden oder revolutionären Neuerungen zu bieten, aber das meiste ist sinnvoll – und die Einstellungen zur Kamera erachte ich sogar als überaus praktisch. Darum Lob für Apple – mit der Kritik, dass sich der Eindruck nicht vertreiben lässt, dass Mac OS nur noch hinter iOS und iPad OS hertrottet, ohne eigene Pflöcke einzuschlagen. Mein Herz schlägt nach wie vor für den Desktop. Und darum betrübt mich das.

8) Ein Nachtrag: Was an Sonoma nervt

Eine Sache ging mir bei der regulären Arbeit mit Sonoma zunehmend auf die Nerven: nämlich die Neuerung, dass beim Klick auf den Schreibtisch die Fenster ausgeblendet werden. Wie wir den Ursprungszustand wiederherstellen, beschreibe ich hier.

Fussnoten

1) Sie sind unter /Library/Application Support/com.apple.idleassetsd zu finden, wobei es im Ordner Customer Unterordner pro Video gibt.

One thought on “Einige gute, neue Ideen und ein altes Ärgernis

  1. Sehr hilfreicher Kommentar, danke! Mir geht die ganze Klickerei auch viel zu weit, ich bin auch für den Desktop. Wenn das so weitergeht bei Apple, kommt nur noch Linux infrage.

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