Das Herbst-Update von Windows 11 ist eine fragwürdige Angelegenheit

Ein grosses Update für Windows 11 steht vor der Tür: Der KI-Assistent namens Copilot überzeugt noch kein bisschen und wie Microsoft den Explorer zu einem Marketing-Vehikel für Onedrive umfunktioniert, ist nachgerade peinlich.

Das nächste grössere Update für Windows 11 heisst 23H2 und soll im vierten Quartal dieses Jahres offiziell erscheinen. Microsoft hat es (als Build 22631.2191) letzten Donnerstag via Windows Insider¹ veröffentlicht. Was mir eine Gelegenheit gibt, einen ersten Blick darauf zu werfen.

Und ich bin leider nicht sehr erfreut von dem, was ich sehe. Einige der Neuerungen sind okay, aber andere bestätigen Befürchtungen, die ich schon länger hege (hier, hier oder hier): Microsoft sieht sein Betriebssystem zunehmend als Marketing-Vehikel für andere Produkte und unternimmt fragwürdige Versuche, die uns Nutzerinnen und Nutzern schmackhaft zu machen.

Hier einige der Neuerungen, die uns mit dem Herbst-Update 2023 von Windows 11 erwarten:

Copilot von Bing

Der neue Copilot: Bing Chat auf dem Desktop.

Eine dieser fragwürdigen Neuerungen ist Copilot. Hinter der steckt Bing Chat, also die KI, die Microsoft in seine Suchmaschine eingebaut hat. Microsoft tut wirklich alles, damit uns diese KI auf Schritt und Tritt begegnet: Microsoft hat sie in seinen Edge-Browser hineingebastelt. Sie ist neuerdings auch in Skype vorzufinden.

Und eben, mit dem 23H2-Update ist sie sehr prominent im Betriebssystem vertreten: In der Taskleiste direkt neben dem Start-Knopf erscheint ein Copilot-Icon. Wenn wir es anklicken, erscheint am rechten Rand eine Leiste, über die Fragen an Bing Chat gestellt werden können.

Auf den ersten Blick ist das ein komplett nutzloses Feature: Es erspart es uns, den Browser zu starten und dort Bing Chat zu nutzen. Aber wenn wir auf diese Zeitersparnis erpicht wären, könnten wir auch selbst eine entsprechende Verknüpfung in der Taskleiste hinterlegen. Gerechtfertigt wäre das Icon an dieser Stelle nur dann, wenn Copilot es uns erlauben würde, mit dem System, Dateien oder Dokumenten zu interagieren.

Das Werbevideo hier verspricht genau das: Es zeigt, wie eine Fokussitzung oder der dunkle Bildschirmmodus aktiviert wird und wie man Bing Chat dazu bringt, eine Datei zusammenzufassen. Das wäre toll – aber fast nichts davon funktioniert bis jetzt tatsächlich. Ich habe folgende Dinge ausprobiert:

  • «Starte eine Fokussitzung!»
    Bing fragt nach, wie lange sie dauern soll und nimmt meine Antwort entgegen – tut dann aber nichts. (Was Fokussitzungen sind, steht hier.)
  • «Aktiviere den hellen Modus für mich!»
    Erstaunlicherweise – das klappt auch wirklich.
  • «Aktiviere den dunklen Bildschirmmodus.»
    Das zurückschalten auf die bevorzugte, dunkle Darstellung scheitert: Bing zeigt eine lediglich eine Anleitung an. Mit der Formulierung «Aktiviere den dunklen Modus» komme ich ans Ziel.
  • «Welches sind die zehn grössten Dateien auf meiner Festplatte?»
    Copilot empfiehlt mir, mit dem Programm Largest Files Finder zu suchen. #fail
  • «Spiele entspannende Musik mit Spotify.»
    Copilot verweist mich auf entsprechende Wiedergabelisten im Netz, denkt aber nicht daran, auch tatsächlich eine Wiedergabe zu starten – obwohl genau das im Video vorgeführt wird.
  • «Fasse mir diese Datei zusammen!»
    Beim Versuch, eine Worddatei aufs Eingabefeld zu ziehen, wie das im Werbevideo vorexerziert wird, erscheint der Edge-Browser, der die Datei in den Download-Ordner kopiert. Das ist komplett unsinnig.
Der Copilot sollte auch Systemeinstellungen ändern können. Das klappt aber nur gelegentlich.

Fassen wir zusammen: In dieser Form bringt das nichts. Copilot scheint Befehle nur zu verstehen, wenn sie in der exakt richtigen Formulierung gestellt werden. Doch dann kann man sich als Nutzerin oder Nutzer auch gleich merken, wo in den Einstellungen sie zu finden sind.

Natürlich, es kann sein, dass das dem Umstand geschuldet ist und Copilot in der endgültigen Fassung einen echten Nutzen haben wird: Sind wir gespannt! Vorerst bleibe ich bei der These, dass dieses neue Icon vor allem ein Marketing-Instrument für Microsofts Suchmaschine Bing ist.

Übrigens: Ich habe Copilot auch gefragt, wie man ihn deaktiviert. Er hat mir zwei Antworten geliefert², die den Zweck mutmasslich erfüllen. Die einfachste Methoe hat er übersehen: Die besteht darin, das Copilot-Icon auszublenden. Dazu klicken wir mit mit der rechten Maustaste auf eine freie Stelle der Taskleiste, wählen Taskleisteneinstellungen aus dem Kontextmenü und deaktivieren unter Taskleistenelemente den Eintrag Copilot (preview).

Windows-Explorer

Vorneweg: Eine Neuerung gefällt mir gut. Microsoft hat die Ansicht überarbeitet, die am rechten Rand Informationen zum ausgewählten Objekt anzeigt. Es gibt in der Symbolleiste rechts nun einen Knopf, der entweder Details oder Vorschau heisst und die entsprechende Leiste ein- oder ausblendet.

Die neue «Detail»-Ansicht zeigt die Metadaten und eine Voransicht des Dokuments.

Was in dieser Leiste zu sehen ist, wählen wir über den Knopf Anzeige aus. Wir haben Detailbereich und Vorschaufenster zur Auswahl:

  • Bei Details sehen wir Metadaten zur ausgewählten Datei oder zum Ordner, also Typ, Grösse, den Speicherort, Änderungsdatum, sowie Dateityp-spezifische Informationen: Autoren und Seitenzahl bei einem Worddokument, Exif-Informationen bei einem Digitalfoto. Bei Bilddateien ist ausserdem ein Thumbnail zu sehen.
  • Mit Vorschau wird der Inhalt angezeigt: Bei Textdokumenten der Anfang des Inhalts, bei Videos ein Standbild und Bildern eine Voransicht, die sich leider nicht zoomen lässt. Noch immer gibt es diverse Dateitypen, die Windows ungünstigerweise nicht beherrscht und von denen kein Preview zu sehen ist: Epub zum Beispiel.
Im Explorer gibt es neu einen sehr prominenten Knopf für den Onedrive-Upload.

Ein echtes Ärgernis ist die Schaltfläche Sicherung starten, die im Adressfeld am Anfang der Brotkrumen-Navigation erscheint. Sie gehört zu Onedrive und ermöglicht es, den fraglichen Ordner mit Onedrive zu synchronisieren.

Das mag praktisch sein für Leute, die tatsächlich einen grossen Datenbestand in Microsofts Cloud lagern wollen. Alle anderen dürften den Knopf als übergriffige Werbe-Massnahme für Onedrive empfinden. Und ja, auch von Apple sind wir diese enge Verzahnung von Betriebssystem und Cloud-Lösung gewohnt. Trotzdem ist sie nur sehr bedingt im Interesse der Nutzerschaft: Es brächte, wenn schon, die Option, auch Clouddienste von Drittanbietern auf die gleiche Art zu integrieren – und die Möglichkeit, die Cloud gänzlich zu deaktivieren.

Fussnoten

1) Microsoft macht Vorab-Versionen des Betriebssystems über das Windows-Insider-Programm verfügbar. Die Teilnahme an diesem Programm ist einfach: In den Einstellungen klicken wir in auf Windows Update und wählen dann den Menüpunkt Windows-Insider-Programm aus.

Hier stehen mehrere Optionen zur Verfügung. Ich habe bisher Release Preview genutzt, der aber nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Deshalb habe ich zum Beta-Kanal gewechselt.

Es bleibt der Hinweis, dass die Nutzung von Betaversionen ein gewisses Risiko darstellt und daher auf Produktiv-Geräten nur bedingt zu empfehlen ist. Ich habe Windows aber immer wieder auch mit Vorab-Versionen für meine tägliche Arbeit genutzt, sodass ich selbst für mich eine Ausnahme mache.

2) Bing Chat hat mir die folgenden Tipps gegeben, um Copilot zu deaktivieren, bzw. das Icon aus der Taskleiste zu entfernen. Wir können zu diesem Zweck entweder die Gruppenrichtlinie oder aber die Registry verwenden. Der Weg über die Gruppenrichtlinie ist einfacher, erfordert aber die Pro-Version des Betriebssystems.

Dieser Weg geht wie folgt: Wir betätigen die Windows-Taste und r, um den Ausführen-Dialog anzuzeigen. Dort geben wir gpedit.msc ein. In der hierarchischen Anzeige klappen wir folgende Äste aus: Richtlinien für lokaler Computer > Computerkonfiguration > Administrative Vorlagen > Startmenü und Taskleiste. Wir schalten hier die Option Copilot-Schaltfläche ausblenden auf Aktiviert um.

Der etwas schwierigere Weg via Registry funktioniert bei allen Windows-Versionen. Wir starten die Registry wiederum durch Betätigen der Windows-Taste und r und der Eingabe regedit. Wir hangeln uns zum Ast Hkey_local_machine\Software\Policies\Microsoft\Windows\Explorer. Wir klicken im Menü Bearbeiten auf Neu > Neuer Dowrd-Wert (32-Bit) und nennen ihn HideCopilotButton. Wir doppelklicken auf auf den Eintrag und geben 1 ein.

Dieser Vorgang muss unter Hkey_local_machine\Software\WOW6432Node\Policies\Microsoft\Windows\Explorer wiederholt weden.

Beitragsbild: Sehr vertrauenerweckend ist Microsofts Copilot derzeit noch nicht (Oscar Sutton, Unsplash-Lizenz).

Kommentar verfassen