Microsoft schwebt in den Wolken

Microsoft hat 2022 seine Wand­lung zum Cloud-Un­ter­neh­men weiter voran­ge­trie­ben – Windows ist fast schon Nebensache. Das bleibt nicht ohne Aus­wir­kun­gen auf uns Nutzer­innen.

Microsoft hat sich in den letzten Jahren vom Software- zum Cloud-Unternehmen gewandelt. Der Börsenkurs war Ende letzten Jahres auf einem Allzeithoch. Seitdem ging es zwar wieder nach unten. Doch so ist es vielen ergangen; 2022 war ein schwieriges Jahr.

Sehen wir uns doch einmal an, wie Microsoft Geld verdient. Das Unternehmen hat drei Sparten. Die umsatzträchtigste nennt sich «Intelligent Cloud». Das ist vor allem die Azure-Plattform, die Geschäftsjahr 2022¹ gut 75 Milliarden umgesetzt hat. Azure gibt es seit 2008. Und ein Umstand ist in der Tat bemerkenswert: Diese Sparte ist innert 14 Jahren zum wichtigsten Standbein des Unternehmens geworden. Das ist nicht allein das Verdienst des derzeitigen Chefs Satya Nadella, weil der seinen Posten erst 2014 angetreten hat. Aber es ist offensichtlich, wie erfolgreich er die Weiterentwicklung des ehemaligen Office- und Windows-Konzern vorangetrieben hat.

Windows ist die abgeschlagene Nummer drei

Die zweite Sparte heisst «Productivity and Business Processes». Darunter fällt vor allem Microsoft 365, also alles, was mit Office zu tun hat. Linkedin wird ebenfalls hier verbucht und Microsoft verzeichnet auch hier ein strammes Wachstum. Für 2022 war ein Umsatz von 63 Milliarden zu verzeichnen. Der dritte und mit knapp 60 Milliarden Umsatz am Ende angesiedelte Bereich ist «More Personal Computing». Zu dem gehören Windows, Xbox, Microsofts Hardware und die Websuche.

Da das Wachstum bei der Cloud deutlich stärker ist als bei den anderen Bereichen, wird Microsofts Wandlung zum Cloud-Unternehmen weiter voranschreiten.

Das ist spannend für die Investoren, aber aus Anwendersicht wirft es die Frage auf, wie sehr Microsoft in Zukunft noch an diesem Geschäft interessiert sein wird. Droht die Gefahr, dass Microsoft die gleiche Entwicklung nimmt wie IBM? Das Unternehmen, das die Entwicklung des Personal Computer in den 1980er-Jahren mit Produkten wie dem legendären IBM-PC nachhaltig geprägt hat, ist im Dezember 2004 aus dem PC-Geschäft ausgestiegen und beschäftigt sich seitdem mit Lösungen für grosse Unternehmen und mit Consulting – für unsereins ist IBM annähernd irrelevant geworden.

Bald so langweilig wie IBM? Wohl nicht

Diese Frage hat «Forbes» schon vor bald zehn Jahren in den Raum gestellt. Ironischerweise wird sie heute umgekehrt formuliert, weil IBM inzwischen ähnliche Cloud-Ambitionen hat wie Microsoft.

Mit anderen Worten: Es bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten. Meine Prognose ist, dass Microsoft auch das inzwischen nicht mehr so aussichtsreiche Windows-Geschäft nicht aufgeben wird – Nutzer des Betriebssystems aber damit rechnen müssen, dass ihnen Microsoft zunehmend offensiv andere Produkte schmackhaft machen wollen. Das ist nicht neu: Schon mit Windows 11 haben wir es erlebt, dass uns Teams, Onedrive und Microsoft 365 angetragen wird. Diese Werbeoffensiven in eigener Sache werden nicht nachlassen, sondern an Vehemenz zunehmen.

Ein letzter Punkt: Am 18. Januar in diesem Jahr hat Microsoft die Absicht verkündet, Activision Blizzard für 68,7 Milliarden US-Dollar in Cash übernehmen zu wollen. Aus diesem Haus stammen einige der grossen Game-Titel, namentlich Call of Duty, Warcraft, Diablo und Candy Crush Saga. Wenn die Übernahme durchgeht, dann würde das grösste Videospiel-Unternehmen überhaupt entstehen. Das ist ein deutlicher Fingerzeig, dass Microsoft auch in Zukunft nicht bloss Cloud-Geschäfte betreiben will und auch weiterhin sowohl Geschäftsleute in Anzügen und mit Krawatte und Gamer in Schlabber-T-Shirts und kurzen Hosen zu seiner Kundschaft zählen will – um es mit zwei Klischees auszudrücken.

Diese Übernahme wird sich noch hinziehen

Zuerst bleibt allerdings abzuwarten, ob diese Übernahme durchgeht. Es gibt Skepsis sowohl in den USA als auch in Europa: Die US-Kartellbehörde FCC erwägt eine Klage gegen die Übernahme und auch die Europäische Kommission will diesen Deal genau prüfen. Diese Sache wird sich noch tief ins nächste Jahr hineinziehen.

Fussnoten

1) Microsoft gehört zu den Unternehmen mit seltsamen Geschäftsjahren. Das FY23 Q1 ging am 25. Oktober 2022 zu Ende; die Resultate dazu finden sich hier.

Beitragsbild: Ganz wegpacken wird Microsoft die Hardware vorerst wohl nicht (Windows, Unsplash-Lizenz).

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