Es gibt nur eine wirkungsvolle Methode, sich vor Datenverlust zu schützen. Und die heisst Datensicherung. Deshalb ist «Backup, Backup, Backup!» das Mantra überhaupt für Computerbenutzer, denen etwas an ihren Dokumenten liegt. Und längst gibt es komfortable Mittel und Wege, dieses lästige Übel automatisch erledigen zu lassen. Ausführliche Hinweise zu allen Aspekten der Datensicherung finden sich im Beitrag Nicht sichern ist nicht sicher in diesem Blog.
Doch wie es mit vielen guten Ratschlägen ist – manchmal kommen sie zu spät. Bei der Kummerbox treffen in unschöner Regelmässigkeit Anfragen ein, weil wichtige Daten unauffindbar sind. Oft sind es eigentliche Tragödien, von denen berichtet wird, denn persönliche Dokumente, Fotografien oder Manuskripte haben für den Besitzer und Urheber oft einen enormen reellen oder ideellen Wert, sodass der Verlust schmerzhaft ist.
Ursachenforschung
Dennoch habe ich als Kummerbox-Betreuer keine Wahl, als meine Antwort mit einer langen Präambel einzuleiten. Datenrettung ist per Ferndiagnose im Grunde nicht vernünftig möglich. Um die richtigen Massnahmen einzusetzen, muss man die Ursache eingrenzen können und genau wissen, was die Dokumente zum Verschwinden brachte: War es ein Virus, ein Fehler im Betriebssystem, eine Software, die verrückt gespielt hat? Ist die Festplatte defekt oder vielleicht dem Benutzer ein Malheur passiert? Denn wenn man einer Festplatte, die bereits knirscht und knarzt, mit einer Rettungssoftware zu Leibe rückt, kann das die Daten endgültig ins Aus befördern.
Bevor man als Laie in guten Absichten Schaden anrichtet, muss man abwägen, ob die Daten es wert sind, von einem Profi gerettet zu werden. Mit einem professionellen Datenretter wie Kroll Ontrack, Data-repairs, Datenretter Schweiz oder SDR Data Recovery sind die Erfolgsaussichten am grössten, doch die Kosten können erheblich sein.
Wenn man sich dafür entscheidet, selbst Hand anzulegen, dann hat man es mit widersprüchlichen Empfehlungen zu tun:
Vielleicht doch bloss im falschen Ordner?
Zum einen der Tipp, erst einmal eine gründliche Suche zu starten. Es soll schon vorgekommen sein, dass vermeintlich verschwundene Daten doch noch vorhanden waren. Sie steckten im Papierkorb oder sind durch eine verunglückte Verschiebaktion per Maus in einem falschen Ordner gelandet. Windows kann gelöschte Daten über die Vorgängerversionen-Funktion zurückbringen. Daher kann man die Daten im Idealfall mit einer Suche oder mit Windows-Standardmitteln wieder zum Vorschein bringen.
Zum anderen gibt es den Ratschlag, möglichst nicht mehr mit dem Computer zu arbeiten, sondern sofort in den Rettungsmodus zu wechseln. Manche Experten geben sogar den Tipp, den Computer erst gar nicht herunterzufahren, sondern nach dem Datenverlust sofort «abzuwürgen» (d.h. durch langes Drücken auf den Power-Knopf augenblicklich abzuschalten). Und es gibt guten Grund für die Eile, wenn die verlorenen Dateien auf dem gleichen Laufwerk abgelegt waren, auf dem sich auch das Betriebssystem befindet.
Der eigentliche Clou bei der Datenrettung besteht nämlich darin, dass Dateien beim Löschen durch das Betriebssystem nicht entfernt, sondern nur als gelöscht markiert werden. Daher lässt sich der Inhalt einer gelöschten Datei aufspüren und zurück in eine normale Datei überführen. Doch sobald der Inhalt mit neuen Daten überschrieben wurde, ist auch die Chance auf Rettung vertan – überschriebene Daten sind nicht mehr wiederherstellbar.
Eile ist gefordert!
Moderne Betriebssysteme haben nun die Eigenschaft, sehr häufig auf die Festplatte zuzugreifen und Daten zu lesen und neu zu schreiben. Daher schwinden die Rettungschancen schnell, wenn man nach dem Löschen einer Datei mit dem Computer weiterarbeitet. Das gilt besonders für grosse Dateien wie Videos, die Datendatei von Outlook oder die ganze Fotosammlung. Um die in Gänze retten zu können, muss man unmittelbar nach dem Verlust handeln. Das gilt auch dann, wenn man versehentlich sein Systemlaufwerk neu formatierte. Wenn man dann erst das Betriebssystem neu installiert und dann die Datenrettung in Angriff nimmt, ist kaum mehr viel zu holen.
Wenn man den Computer rechtzeitig stoppen konnte, muss man sich Gedanken machen, wie man auf die Datenpartition zugreift, ohne den Computer zu starten. Eine Möglichkeit bietet die Ultimate Boot CD. Sie enthält ein bootbares System, mit dem sich der Computer gefahrlos aufstarten lässt. Dafür muss im Bios unter Umständen die Reihenfolge der Bootlaufwerke angepasst werden. Damit der PC von einer bootbaren CD aufstartet, muss das CD-Laufwerk in der Bootreihenfolge vor der internen Festplatte stehen. Wichtig ist ausserdem, dass man ein zweites Laufwerk, etwa eine USB-Festplatte bereithält. Dieses ist dazu da, die geretteten Daten aufzunehmen, denn die dürfen natürlich nicht auf die Festplatte gespeichert werden, auf der man die Datenrettung durchführt.
Die Ultimate Boot CD enthält diverse Werkzeuge zu Desasterbewältung, namentlich die beiden bewährten Rettungsprogramme PhotoRec und TestDisk. PhotoRec ist ein Programm, das ursprünglich zur Rettung von digitalen Fotos von Speicherkarten entwickelt wurde, und das sich bei dieser Disziplin bei den Kummerbox-Lesern bestens bewährt hat. Ich habe es selbst schon erfolgreich eingesetzt. Eine Beschreibung, wie es eingesetzt wird, gibt es im Kummerbox-Beitrag Fotos verzweifelt gesucht.
Es kann auch andere Dateitypen wiederherstellen. Die Werkzeuge befinden sich im Menü HDD (für Harddisk) unter Data Recovery. Die CD wird als ISO-Image heruntergeladen, das sich mit Windows 7 oder neuer auf eine CD brennen lässt, indem man es mit der rechten Maustaste anklickt und Datenträgerabbild brennen aus dem Kontextmenü auswählt. Bei älteren Windows-Versionen brennt man die CD zum Beispiel mit CD Burner XP.
Betriebsfertige Datenrettungsumgebung
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich eine Linux-Live-CD zu besorgen, beispielsweise die auf der Linux-Variante Knoppix basierende Runtime Live-CD, die eine betriebsfertige Datenrettungsumgebung enthält. Die einzelnen Produkte auf dieser CD müssen u.U. kostenpflichtig registriert werden.
Ein Weg zur Datenrettung eröffnet sich auch dann, wenn man die Festplatte in ein USB-Gehäuse einbaut. Dann kann man sie an einen anderen PC anschliessen und so auf die zu rettenden Daten zugreifen. Auf diesem Weg lässt sich beispielsweise das kostenlose Windows-Programm PC Inspector File Recovery von Convar einsetzen, das sich seit Jahren bei versehentlich formatierten oder sonstwie abhanden gekommenen Partitionen bewährt hat. Das Programm findet verlorene logische Laufwerke und stellt deren Inhalt wieder her.
Ein Programm, das ebenfalls unter Windows ausgeführt wird und in der Standardversion kostenlos ist, heisst Recuva. Es sucht nach bestimmten Dateitypen wie Bilder, Musik, Videos, Office-Dokumente oder E-Mails, kann aber auch für alle Dateitypen verwendet werden. Man kann die Suche auf einen Ordner, auf eine Speicherkarte oder eine externe Festplatte, den Papierkorb oder den Ordner «Eigene Dateien» eingrenzen. In der Liste mit den Fundstellen sieht man den Zustand der gefundenen Dateien, und den Pfad, das Datum der letzten Änderung, einen Kommentar und eine inhaltliche Vorschau. Diese Informationen helfen, die gesuchte Datei zu identifizieren, falls, wie es passieren kann, der Original-Dateiname verloren gegangen ist.
Diese Software ist im Vergleich zu den anderen Programmen einfach zu benutzen. Sie eignet sich dann, wenn man auf die Schnelle nach einer versehentlich gelöschten Datei suchen und sich lieber nicht mit einer bootbaren CD herumschlagen möchte.
Auf dem Mac lässt sich das bereits erwähnte Programm PhotoRec nutzen. Zwei weitere Programme für OS X sind FileSalvage und Stellar Phoenix Mac Data Recovery.