Eine App für sämtliche Videos aus dem Netz

Die Play-App verfolgt ein heh­res Ziel: Sie will eine zen­tra­le An­lauf­stel­le In­halte von Youtube, Netflix, Disney+ und den anderen Streaming­diensten schaf­fen. Das gelingt lei­der nur halb.

Von der Play-App habe ich schon viel Gutes gelesen. Es handelt sich um ein Hilfsmittel, das uns helfen soll, unseren Videokonsum in geordnete Bahnen zu lenken.

Konkret geht es um Clips aus dem Netz. Die App unterstützt gemäss ihrem Entwickler Marcos Tanaka mehr als ein Dutzend Dienste¹, darunter auch viele, die ich bisher nicht kannte. Zu den grossen Namen zählen Netflix, Disney+, AppleTV und Vimeo. Aber hauptsächlich scheint mir die App nützlich für Youtube zu sein: Zumindest, was mich angeht, ist der Organisationsbedarf bei Googles chaotischer, Müllhalden-ähnlicher Plattform am grössten.

Mittels Tricks hat es doch noch geklappt, die «Später ansehen»-Liste in die App zu bekommen.

Also, bisher hat mich das wirklich hässliche Logo der App abgeschreckt, sie mir näher anzusehen. In einem hellsichtigen Moment habe ich meine Kriterien hinterfragt und mir die App für drei Franken fürs iPhone besorgt.

Sie hält auf der Startseite die Kategorien New (Neu), Watched (Gesehen), All und No Tag bereit. Beim ersten Start der App ist hier natürlich noch alles leer. Wir können das am schnellsten ändern, indem wir links unten auf das Plus-Symbol klicken und den Befehl Import from Playlist wählen.

Beträchtliche Importhürden

Es liegt auf der Hand, die Später ansehen-Wiedergabeliste anzugeben (Watch Later). Doch das funktioniert leider nicht: Die App gibt nur eine Fehlermeldung aus («No videos were imported»). Das könnte bereits einen gewissen Frust erzeugen. Es liegt daran, dass es sich bei Später ansehen um eine spezielle, private Wiedergabelisten handelt. Und anders als bei normalen Wiedergabelisten können wir sie nicht auf öffentlich setzen – nicht einmal temporär, um den Import durchzuführen².  Das Gleiche gilt auch für die 👍-Playlist (Videos, die ich mag).

Marcos Tanaka, der Entwickler der App, empfiehlt für dieses Problem einen Workaround³. Der funktioniert sowohl für Watch Later als auch für die Favoriten – aber benutzerfreundlich ist anders.

Schuld ist natürlich Youtube

Natürlich, das ist vor allem die Schuld von Youtube. Google hat in den letzten Jahren die Kontrolle verschärft und die Möglichkeiten für Dritt-Apps massiv eingeschränkt. Andere tun das auch – so verweigert sich Netflix auf dem AppleTV seit jeher der globalen Suche. Zur Erinnerung: Apple hat schon 2015 eine universelle Suche eingebaut, mit der man App-übergreifend Inhalte finden sollte. Doch Netflix fand wohl, das würde ihren (überbewerteten) Algorithmus unterlaufen und klammert sein Angebot aus – was dieses Feature unbrauchbar macht.

Über das Sharesheet (via Teilen-Knopf in Safari) fällt das Hinzufügen relativ leicht.

Ich habe daraufhin mein Glück mit einer anderen Wiedergabeliste mit einigen Lieblingsvideos versucht. Auch mit der hat es nicht geklappt. Seltsamerweise fehlt bei der das Menü, um zwischen Privat und Öffentlich umzuschalten. Auch dieses Problem habe nicht nur ich, aber eine plausible Erklärung oder gar eine funktionierende Lösung habe ich nicht gefunden.

Leider etwas zu umständlich

Fazit: Ich finde den Gedanken hinter der Play-App einleuchtend. Und ich würde es schätzen, eine zentrale Anlaufstelle für meine Webvideos zu haben. Aber in der Praxis befriedigt die Play-App nicht. Es ist für meinen Geschmack zu umständlich, Videos hinzuzufügen und zu verwalten.

Drei Ergänzungen dazu:

  • Es gibt eine Möglichkeit, mehrere Videos manuell hinzuzufügen. Dazu brauchen wir eine Liste mit den URLs, die wir via Plus-Knopf und den Menüpunkt Add Multiple hinzufügen. Am Computer könnte das ein gangbarer Weg sein, zumal es für das Extrahieren der Links aus Wiedergabelisten das passende Browser-Script gibt (mehr zu Greasy Fork). Am Handy ist mir das zu umständlich.
  • Wenn wir Youtube oder eine andere Video-Plattform in Safari nutzen, fügen wir einen Clip über den Teilen-Knopf und dem Share-Sheet-Befehl Add to Play unserer Sammlung hinzu. Mit der Youtube-App funktioniert diese einfache Methode leider nicht.
  • Es gibt auch eine Mac-Version der App; die Videos werden via iCloud synchronisiert.

Wie angedeutet, lassen sich die Videos mittels Tags organisieren. Das ist für eine grössere Sammlung natürlich nützlich, ist aber mit Aufwand verbunden. Mir fehlen dafür Zeit und Geduld. Ich vermute, dass es auch vielen anderen so geht. Schon in Youtube selbst fristet die Später ansehen-Wiedergabeliste ein Schattendasein – und zwar einfach deswegen, weil es eine so gigantische Auswahl gibt, dass keine Notwendigkeit besteht, auf Videos zurückzugreifen, für die wir schon früher nicht die Zeit aufbringen konnten, um sie anzusehen.

Es gibt von Play auch eine Variante für die AppleTV. Das ist ein echter Pluspunkt, der die App für manche Nutzerinnen und Nutzer vielleicht herausreisst: Denn via Fernsehbox will niemand seine Videosammlung pflegen. Das via Handy oder sogar per Mac tun zu können, ist ein Vorteil.

Ein Minuspunkt gebe ich wegen des Umstands, dass wir es zwar mit einer Kauf-App zu tun haben, die uns dennoch nicht den vollen Funktionsumfang zur Verfügung stellt. Für diesen braucht es zusätzlich ein Abo, das zwanzig Franken pro Jahr kostet. Ich verstehe, dass Softwareentwickler von etwas leben müssen. Aber Kaufpreis und Abo finde ich aus Anwenderinnensicht unfair.

Die App zeigt, wie schön ein freies Netz wäre

So zeigt die App vor allem eins: Nämlich, wie unfrei das Netz geworden ist. Was Play versucht zu erreichen, müsste eine Selbstverständlichkeit sein. Es sollte die Entscheidung von uns Nutzerinnen und Nutzern sein, wie und in welcher App wir unsere Videos ansehen. Dass die Betreiber dieser Plattformen eine so simple Angelegenheit erschweren, zeigt, wie wenig von der ursprünglichen idealistischen Idee des Internets noch übrig ist.

Fussnoten

1) Netflix, Disney+, AppleTV, Letterboxd, Apple Music, Apple Developer, LinkedIn Learning, Rumble, Khan Academy, Vimeo, BBC, O’Reilly Learning, TED, Nebula und Odysee.

2) Auch das ist eine Quelle für Frustration, wie dieser Reddit-Thread offenbart. Da gibt es Leute, die diese Liste aufwendig kuratieren und sie ihren Freunden zur Verfügung stellen möchten, nur um festzustellen, dass das nicht geht. Einer hat dann eine Sammlung von 4913 Video für Video in eine neue Liste übertragen.

3) Wir betätigen den Knopf Zufallsmix in der Später Ansehen-Playlist. Wir landen auf der Wiedergabeseite von Youtube, auf der am rechten Rand die Warteschlange mit den weiteren Videos aus der Später ansehen-Playlist erscheinen. Wir fügen nun ein beliebiges Video zur Warteschlange hinzu. Das tun wir, indem wir auf der Seite bei den Vorschlägen auf den Drei-Punkte-Knopf klicken und den Befehl Zur Wiedergabeliste hinzufügen betätigen.

Nachdem wir die Liste erweitert haben, bietet uns Youtube an, die Warteschlange als neue Wiedergabeliste zu speichern und sie auch gleich öffentlich zu machen. Und siehe da: Nun klappt auch der Import in die Play-App.

Beitragsbild: Nein, das ist nicht meine Videosammlung; sondern die des Play-Entwicklers Marcos Tanaka (PD).

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