Sag mal, Microsoft, was soll diese Schlamperei?

Microsoft hat sich in letzter Zeit alle Mühe gegeben, mein Vertrauen durch kleinere und grössere Ausrutscher zu erschüttern.

Wenn man bei Windows 10 ins Suchmenü klickt, erscheint ein Fenster, dass einem einerseits Informationen zum Coronavirus anbietet.

Wer ist dieser Microsoft Ed?

Andererseits gibt es am unteren Rand auch Werbung in eigener Sache: «Holen Sie sich den neuen Microsoft Ed…» steht da. Man fragt sich natürlich sofort, wer dieser Ed ist. Ein neuer Mitarbeiter, der auf Anfrage bei mir zu Hause vorbeikommt – natürlich mit Schutzmaske –, um mir mein PC-Gehäuse abzuwischen und einige Sicherheits-Updates zu installieren? Oder eine künstliche Intelligenz, die mir das Plauderstündchen mit meinen Freunden ersetzt?

Was hat dieses Deutsch aber auch so viele Buchstaben!

Nein, natürlich nicht. Microsoft zeigt an dieser prominenten Stelle, dass die Anpassung des Betriebssystems an die diversen Sprachen dieser Erde noch immer ein Problem ist. In Englisch dürfte da so etwas wie «Get the new Edge browser» stehen – ein kurzer und bündiger Satz, der problemlos auf einer Zeile unterkommt. Da Deutsch etwas mehr Buchstaben benötigt, hat das entscheidende Wort nurmehr halb Platz. (Aber zugegeben – dieser Satz ist auf Deutsch auch sehr lang. Nicht einmal das sonst notorisch platzverschwenderische Französisch kommt auf so viele Buchstaben. «Obtenez le nouveau navigateur Microsoft Edge.» hat 45 Zeichen, die deutsche Variante 48.)

Der Pries ist hiess.

Ein abgeschnittenes Wort ist nicht schön – aber immerhin nicht so schlimm wie ein peinlicher Tippfehler an zentraler Stelle in einem Dialogfenster, mit dem man auf eine entscheidende Neuerung in einem seiner Produkte anpreist.

Auch dieser Fauxpas ist Microsoft neulich unterlaufen. Als Word beim Aufstarten eines Morgens verkündete, Office 365 heisse nun Microsoft 365, hatte die Unterzeile einen amüsanten Buchstabendreher zu bieten. Pries statt Preis. Das ist natürlich nicht nur mir aufgefallen, sondern vielen anderen auch. Am besten gefiel mir dazu dieser Tweet hier:

Aber zurück zur der Sache mit dem Suchfenster und der Anpreisung von Microsoft «Ed». Ich fand, «wieso nicht?»,  und klickte den Link an. Schliesslich ist Microsoft dabei, Edge umzubauen und mit der Chromium-Engine auszustatten. Ich hatte das seinerzeit kritisiert, und ich finde es nach wie vor keine gute Idee. Aber das sollte mich nicht daran hindern, mir die Sache näher anzusehen.

Microsoft hält Microsoft für nicht sicher

Den Edge-Browser herunterzuladen, ist offensichtlich ein äusserst gefährliches Unterfangen.

Doch nun kommts: Beim Klick auf den «Jetzt herunterladen»-Knopf wird nicht etwa ein Download-Prozess in Gang gesetzt.

Nein: Es erscheint stattdessen eine Warnung, in der es heisst, die Website sei nicht sicher: «Dieses Problem deutet eventuell auf den Versuch hin, Sie zu täuschen bzw. Daten, die Sie an den Server gesendet haben, abzufangen. Die Website sollte sofort geschlossen werden.»

Bei den Details heisst es folgendes: «Der Hostname im Sicherheitszertifikat der Website stimmt nicht mit dem Namen der Website überein, die Sie besuchen möchten.»

Der Name der Website ist edgeconsumerwebsite.trafficmanager.net. Eine Whois-Anfrage dazu ergibt, dass sie MarkMonitor gehört. Die ist in San Francisco daheim und betreibt Dinge wie Domain-Management und Markenschutz. Es ist daher anzunehmen, dass keine russischen Cyberkriminelle Windows gehackt haben oder Microsoft selbst eine windige Nummer abzieht.

Nur ein Versehen?

Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass es sich um ein klassisches Versehen handelt. Zertifikatsfehler sind tückisch und kommen immer wieder vor – aber sie sind mitunter auch ein Anzeichen von Schlendrian. Und es ist halt oberpeinlich, wenn man jene Leute, die man neugierig gemacht hat, mit einer solchen Sicherheitswarnung gleich wieder verschreckt. Das steigert das Vertrauen in den Edge-Browser sicher nicht – und womöglich fragen sich manche, ob was eigentlich von diesem Windows zu halten ist.

Ich habe Microsoft um eine Stellungnahme gebeten und bin gespannt, ob man sich dazu äussern wird. Das Problem jedenfalls war ungefähr eine halbe Stunde nach meinem ersten Versuch behoben.

Vielleicht bin ich kleinlich – und wahrscheinlich ist es eine zufällige Häufung von alltäglichen Fehlern, wie sie in den besten Familien und den sorgfältigsten Unternehmen vorkommen.

Trotzdem ist es so eine Sache mit diesen Flüchtigkeitsfehlern, die jedem sofort ins Auge springen: Sie überstrahlen alle Dinge, die richtig, gründlich und zuverlässig erledigt worden sind. Und sie erschüttern das Vertrauen auf völlig überproportionale Weise. Darum sollte man wirklich darauf achten, in seinen Bewerbungsunterlagen keine Tippfehler zu haben. Denn auch wenn die oft passieren, gerade weil man besonders intensiv mit ihnen auseinandergesetzt hat und nicht unbedingt ein Zeichen von Schlendrian sind, erwecken sie genau diesen Eindruck.

Nicht bloss Kleinlichkeit. Oder?

Aber nein – ich bin nicht kleinlich, definitiv nicht. Es geht hier schliesslich nicht um ein am Rand der Überforderung operierendes KMU oder einen Einzelunternehmer, der selbst sein eigener Lektor ist. Es geht um ein riesiges Softwareunternehmen, das sich keine Flüchtigkeitsfehler erlauben darf. Microsoft benötigt eine Organisationsform, in der Kontrolle und doppelte Netze kein Luxus, sondern fundamentale Sicherheitsvorkehrungen sind. Wursteln ist nicht, denn sonst sind die Daten auf Millionen von Geräten, in der Cloud und in unzähligen Unternehmen in Gefahr.

Also, Microsoft, gib dir ein bisschen mehr Mühe.

… und wenn ihr hier findet, ich würde mich hier an Kleinigkeiten abarbeiten, statt an den wirklich wesentlichen Dingen, dann darf ich euch beruhigen. Morgen geht es dann tatsächlich um den Edge-Browser. Und da drehe ich richtig auf. Im Beitrag Microsoft hat den Edge-Browser über die Kante geschubst.

Beitragsbild: Ja, Chef, ich habe ganz genau nach Fehlern gesucht! (Marten Newhall, Unsplash-Lizenz)

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