Abgesang auf eine Lieblings-App

ProTube war die bessere Youtube-App. Jetzt musste ihr Entwickler die Waffen strecken, weil Google ihn sonst in Grund und Boden geklagt hätte.

ProTube auf dem iPad.

Protube gehört seit Jahren zu meinen Lieblings-Apps: Eine Alternative zu der Standard-Youtube-App mit vielen nützlichen Funktionen. Ich habe sie seinerzeit aufgrund hervorragender Funktionen für die bessere Youtube-App erklärt.

Zu diesen geschätzten Funktionen zählen die Möglichkeit, die Wiedergabegeschwindigkeit zu ändern, die Videoauflösung einzustellen und die Option, nur den Ton bei gesperrtem Telefon abzuspielen. Bei Vorträgen oder Videopodcasts spielt das Bild oft keine wesentliche Rolle, sodass man darauf verzichten kann. Früher gab es bei Protube auch eine Möglichkeit, Videos für den Offline-Konsum herunterzuladen. Diese Funktion musste der Entwickler auf Druck von Youtube jedoch entfernen.

Als ich neulich ein neues Telefon in Betrieb nahm, ist mir aufgefallen, dass die App gar nicht mehr zur Verfügung steht. Apple hat sie aus dem Store genommen, und in seinem Blog erklärt Entwickler Jonas Gessner, weswegen:

Dies geschah nach mehreren Aufforderungen und Drohungen von Youtube, die letztlich dazu führten, dass Apple die App plötzlich aus dem App Store entfernte. Protube und viele andere Youtube-Apps von Drittanbietern im App Store wurden von Youtube mit Takedown-Anfragen bedroht.

Youtube hat sich an vielen Funktionen gestört und gefordert, das die entfernt werden müssten. Gessner zählt die Möglichkeit auf, Videos mit 60 fps wiederzugeben, Inhalte im Hintergrund zu spielen (d.h. das Video weiterlaufen zu lassen, während man mit einer anderen App arbeitet) und er erwähnt den Nur-Audio-Modus: Also genau die Möglichkeiten, die die Protube-App zu dem gemacht haben, was sie ist. Da Jonas Gessner keine App anbieten wollte, die keinerlei Vorteile gegenüber der normalen App hat und er auch nicht vom Videogigangen vor Gericht gezerrt werden wollte, hat er die App endgültig aus dem Verkehr gezogen.

Eine einträgliche App

Aus dem Blogpost wird klar, dass ihm das nicht leicht gefallen ist. Die App war einträglich für ihn, aber sie ist auch auf sehr grosse Resonanz gestossen:

Sie erreichte in elf Ländern Platz eins in den Charts der bezahlten Apps und in 57 Ländern die Top ten. Als ich Protube im November 2014 veröffentlichte, erreichte die App Platz zwölf in den US-App-Store-Charts, was an sich schon eine erstaunliche Leistung ist. Die letzte Version von Protube (2.5.9) erhielt über 2900 Bewertungen mit einer durchschnittlichen Bewertung von über 4,5 von fünf Sternen. Obwohl die App fast drei Jahre alt war, lief sie immer noch extrem gut (was die Tatsache, dass die App jetzt nicht mehr verfügbar ist, noch schmerzhafter macht).

Das Ende ist auch ein grosser Verlust für die Nutzer. Nun steht es den Youtube- und Google-Managern natürlich frei, wie streng oder locker sie die Kontrolle der eigenen Plattform handhaben.

Ich verstehe durchaus, wenn gewisse Funktionen in Dritt-Apps nicht goutiert werden: Eine App, die Youtube-Videos komplett werbefrei anbieten würde, wäre unfair gegenüber den Youtubern, die sich über Werbung finanzieren möchten. (Abgesehen davon, dass Youtube selbst es den Youtubern schwer macht, ihre Arbeit über Werbung zu finanzieren.)

Trotz des Rückzugs aus dem Store kann man die App weiter benutzen – allerdings nur mit dem eingeschränkten alternativen Player…

Aber darum geht es ja nicht. Die Funktionen, die Protube auszeichnen, lassen sich so implementieren, dass das Geschäftsmodell der Plattform in keinster Weise gefährdet wird. Und die App zeigt auf, dass Offenheit Innovation hervorbringt. Nutzer haben mehr Möglichkeiten, Inhalte so zu konsumieren, wie sie es für richtig halten – und Youtube selbst könnte seine Plattform sinnvoll weiterentwickelt.

Statt bessere Alternativen wie Protube aus dem Markt zu drängen, hätte Youtube ja auch einfach die guten Funktionen für die eigene App übernehmen können. Das hätte deren Attraktivität erhöht und Leute wie Jonas Gessner womöglich zu weiteren kreativen Ideen angespornt.

Youtube will die Kontrolle

Ironisch ist übrigens, dass Youtube in der eigenen Youtube Go-App eine Offline-Funktion anbietet. Allerdings nur in einzelnen Ländern und unter gewissen Umständen. Da finde ich es wiederum gut, dass sich das Herunterladen der Videos, das «Youtube-Ripping», technisch nicht komplett verunmöglichen lässt.

Es gibt noch zwei weitere Punkte. Erstens beschreibt Gessner, wie er versucht hat, eine Einigung auszuhandeln, aber kein Gehör und keinen Ansprechpartner gefunden hat. Das ist auch meine Erfahrung: Auf meine Kritik im Beitrag Ein Stinkefinger für Youtube und bei der Recherche für den Artikel Youtube steckt in der Krise habe ich auch über die Google-Pressestelle nur verspätete und ausweichende Antworten erhalten. Und eine simple Anfrage zur Auszahlung von Werbeerlösen (Google, hat bei euch einer noch den Durchblick?) brachte den Konzern an den Rand seiner kommunikativen Leistungsfähigkeit.

… eine Neuinstallation ist allerdings nicht möglich.

Zweitens zeigt sich ein Problem des App Stores. Auf den Geräten, bei denen man Protube vor dem September 2017 installiert hat, ist die App nach wie vor nutzbar. Zwar funktioniert die Wiedergabe nur mit dem alternativen Player, der allerdings viele Funktionen nicht hat, die Protube auszeichnen – trotzdem kann man der App die Treue halten, wenn man das möchte. Beim Umstieg auf ein neues Gerät steht die App nicht zur Verfügung: Bei der Migration werden die Apps nämlich nicht vom alten Gerät auf das neue übertragen, sondern aus dem Store geladen. Bei Apps, die entfernt wurden, erscheint dann nur eine Fehlermeldung.

Ein Rückschritt

Das ist ein Rückschritt gegenüber der Software, die man selbst installiert. Wenn man bei der die Installationsdatei aufbewahrt, kann man die Software weiterverwenden, selbst wenn sie offiziell nicht mehr verfügbar ist – so lange, wie sie kompatibel zum Betriebssystem bleibt. Mit Tricks wie virtuellen Maschinen kann man selbst Uralt-Programme am Leben erhalten, selbst wenn ich das nicht unbedingt empfehle.

Fazit: Ich bin unzufrieden mit den Machtverhältnissen, die einerseits uns Nutzer und andererseits unabhängige Entwickler wie Jonas Gessner benachteiligen. Wer eine so dominante Plattform wie Youtube betreibt, sollte das Ökosystem zu schätzen wissen, das um diese Plattform herum entsteht.

Ich kritisiere die Art und Weise, wie Google mit den Drittentwicklern umspringt und Nutzerbedürfnisse ignoriert. Aber es passt ins Bild dieses Unternehmens, das sich immer mal wieder recht arrogant gebärdet – dass kleinen Youtubern die Möglichkeit der Monetarisierung genommen wurde, habe ich bereits erwähnt. Doch auch die Interessen der User werden gering geschätzt.

PS: Auf Cydia scheint es die App noch zu geben. Ein Jailbreak kommt für mich aber nicht infrage.

One thought on “Abgesang auf eine Lieblings-App

  1. Youtube hat auf meinem ‚Smart‘-TV die App einfach deaktiviert. Ich wurde gezwungen einen Stick zu kaufen, um weiterhin Youtube schauen zu können. Selbstverständlich werde ich (auf allen Geräten) nie eine Werbung auf Youtube ansehen, und damit solche Geschäftspraktiken unterstützen.

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