Retrofuturistische Perlen aus dem SRF-Archiv

Wie hat sich das Fern­sehen in den 1980er-Jahren die Zukunft vor­ge­stellt, in der wir heute leben? Zwei Beispiele zum elektro­ni­schen Geld und zur digi­ta­len Bildbear­beitung, die tief blicken lassen.

Beitragsbild: Endlich Online-Shopping! (Btx-Museum 51 France Telecom Minitel-Terminal Magix Club 21, Klaus Nahr/Flickr.com, CC BY-SA 2.0)

Den Youtube-Kanal SRF Archiv habe ich vor fünf Jahren vorgestellt. Heute frische ich diese Empfehlung auf, weil ich mich von dem noch immer köstlich unterhalten fühle. Und immer wieder auch lustige Erkenntnisse habe. Eine Handvoll davon habe ich gesammelt:

Elektronisches Geld und das bargeldlose Bezahlen

Das Tolle an diesen Retro-Clips besteht darin, dass sie uns auf mehreren Ebenen zeigen, wie sehr sich unsere Welt in wenigen Jahrzehnten verändert hat. Dafür ist diese Reportage ein hervorragendes Beispiel. Alles, wirklich alles, was 1984 als Near-Future-Sciencefiction erklärt wird, ist Realität geworden: Das elektronische Geld ist Realität, wir zahlen ganz selbstverständlich mit Apple Pay.

Und trotzdem ist das Bargeld nicht verschwunden, wie die Befürchtung in diesem Beitrag von damals lautete. Auch die Kundenkarten der Grossverteiler gibt es noch. Die klassische Kreditkarte war damals noch eine Ausnahmeerscheinung, aber diese Kundenkarten waren als erstes bargeldloses Zahlungsmittel anscheinend einigermassen verbreitet.

Und schon damals war ihr Hauptzweck das Datensammeln, wie der Film auch offen zugibt: «Teures Werbegeld lässt sich gezielt einsetzen». Diese Interessen der neugierigen Geschäftsbetreiber wird im Film in einer Arbeitsgemeinschaft der Nationalbank durch den Branchenvertreter Hans Thuli eingebracht, der sich sehr vage äussert. Jedenfalls: Von Datenschutzbedenken keine Spur. Und auch es gibt auch kaum Zweifel wegen der Sicherheit.

Letzteres wird spürbar, als der Film das Pionierprojekt für elektronisches Zahlen porträtiert, das damals in Caen in der Normandie stattgefunden hat: Die 25’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten mit ihrer carte à mémoire von Ipso in 250 Geschäften zahlen und hatten keine Bedenken, die Karte zu verlieren, weil die durch einen vierstelligen Code – damals noch etwas sehr Exotisches – geschützt sei.

Das verblüffendste an diesem Film ist allerdings, wie im Rahmen des bargeldlosen Zahlens auch das Online-Shopping gezeigt wird: «Kombiniert mit Videotex, Bildschirm und Zusatzgerät wird die Karte zum Mittel der Telekommunikation». Es wird ein Versuch in Paris gezeigt, bei dem dreihundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein neues System gezeigt, aus dem – natürlich – das legendäre Minitel-System geworden ist. Ich habe das bei meinem Besuch in Paris 1989 bei einer Bekannten meiner Grossmutter im Einsatz gesehen und sie zutiefst darum beneidet.

Im Film wird vorgeführt, wie sich mit diesem System ein TGV-Billett kaufen lässt – aber dass es Potenzial über das Online-Shopping hinaus hat, ist den Machern der DRS-Sendung Menschen Technik Wissenschaft damals völlig entgangen – abgesehen vom etwas plakativen Schlusssatz:

Ein Stück der der Vision der totalen Telekommunikationsgesellschaft wird hier in Paris Realität.

Foto-Bearbeitung am Computer

Eine zweite, etwas nerdige Trouvaille ist diese Reportage von 1987 zur elektronischen Bildbearbeitung, die damals mit dem Kürzel EBV versehen wurde. Ja, wer dachte, dass die Ära mit Photoshop und dem Mac angefangen hat, sieht sich eines Besseren belehrt. Die Mutter der heutigen Bildbearbeitung kam erst drei Jahre später auf den Markt ¹.

Falls wir den Eindruck hatten, dass Photoshop der «Urknall» war, müssen wir den korrigieren. Aber es zeigt sich auch, dass die EBV zu der Zeit noch eine Spezialdisziplin war, die weit davon entfernt war, massentauglich zu sein. Der Fernsehbeitrag erklärt zwar nicht, welches System gezeigt wird. Aber einer der Kommentatoren hat es erkannt:

Das hier dargestellte System heisst Chromacom. Es kam 1979 auf dem Markt und kostete damals 750’000 US-Dollar. Unter anderem hatte es mehrere 200 MB Festplatten. Entwickelt wurde es von der deutschen Firma Hell und damals mussten auch Amerikaner das System in deutscher Sprache bedienen. Das System war damals seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Die Firma Hell lebt heute unter den Namen Heidelberg fort. Ich glaube, die Firma hatte damals den PC Markt wohl verkannt. Ansonsten wäre Adobe eine unbedeutende Firma und wir würden alle Chromacom 2023 benutzen.

Diese Vorläufer schmälern nicht den Erfolg, den das Gespann von Mac und Adobe, Aldus und den anderen Pionieren aus dem Desktop-Publishing-Bereich. Ganz im Gegenteil: Es zeigt, welche ungeheuren kreativen Kräfte die Demokratisierung dieser Produktionsmittel freigesetzt hat. Denn unter uns gesagt: Das «Kunstwerk», das im Film mit dieser superteuren Maschine zusammengepixelt wurde, würde heute jeden Microsoft-Paint-Benutzer vor Scham erblassen lassen.

Bemerkenswert ist, dass dieser Beitrag am Ende eine kulturpessimistische Wendung nimmt:

Die Beweiskraft des Bildes wird unter der elektronischen Bildverwarbeitung leiden. Das hat juristische Konsequenzen.

Zu Wort kommt abschliessend der Medienrechtler Wolfgang Larese, der sich dahingehend äussert, dass man bei einer Fotografie den Eindruck habe, sei ein «Ausschnitt der Realität». Das war natürlich schon 1987 falsch, aber dass sich die Bedeutung der Fotografie verschiebt, damit hatte er nicht Unrecht – auch die juristischen Fragen, die sich daraus ergeben, aus heutiger Sicht nur ein eher unbedeutender Aspekt der Entwicklung sind. Aber klar – das Internet hatte damals keiner der Fernsehmacher auf dem Schirm.

Fussnoten

1) Den Macintosh gab es allerdings schon – der ist schon im Januar 1984 auf den Markt gekommen. Und auch das Desktop-Publishing war bereits ein Begriff, wie ich demnächst in einem Beitrag darlegen werde. Dass dies im Fernsehbeitrag keine Erwähnung fand, ist ein deutliches Anzeichen, dass die Fernsehmacher keinen vollständigen Überblick der technischen Entwicklung hatten.

Kommentar verfassen