Youtube ist für mich ein Medium, auf das ich zwar nicht verzichten würde, doch von dem ich auch nicht allzuviel erwarte. Es gibt dort Millionen von Clips – nicht nur Schrott, sondern auch viele lustige und gute Sachen.
Dennoch versprüht Youtube den Charme von Amateurhaftigkeit und Chaos. Wackelige Handyvideos, Verschwörungstheorie-Clips, mitgeschnittene und mutmasslich nicht sauber lizenzierte Fernsehausstrahlungen, lustige Fundstücke und Unsinniges, wie Hitler, der zehn Minuten lang Nein sagt und dafür 3,5 Millionen Views bekommt – das ist Youtube.
Die Stärke von Youtube ist, dass man dort meistens irgend etwas zu einem Thema findet, zu dem man ein Video sucht. Man kann Videos selbst kostenlos hochladen und sehr einfach auf seiner eigenen Website einbinden – das ist um Welten simpler, als wenn man sie selbst hosten müsste. Und da sich sehr viele Leute auf Youtube tummeln, haben Videos eine unter Umständen sehr lange Halbwertszeit.
Mein Interview mit Richard Stallman hat nach mehr als anderthalb Jahren noch immer eine Wiedergabezeit von um die 100’000 Minuten pro Monat (also mehr als 69 Tage), weil es in den Videovorschlägen auftaucht. In der Analytics-Sektion – hervorragend auch über die Youtube Studio-App (iPhone/iPad und Android) zu nutzen – sieht man die wichtigsten Quellen. Und da sind andere Youtube-Videos mit Abstand der wichtigste Treiber für die Einschaltquote.
Das zeigt mir auch, dass Youtube von vielen Leuten anders genutzt wird als von mir. Die besuchen Youtube, um dort etwas zu sehen – so, wie ich früher den Fernseher und heute Netflix anmache. Ich suche im Netz nach Inhalten und schaue sie mir halt auf Youtube an, wenn sie auf Youtube zu finden sind. Aber ich zappe mich selten durch die Liste der nächsten Videos, und niemals würde ich Youtube auf Autoplay schalten.
Ich, der Anti-Youtuber
Aber gut, dass ich nicht der typische Youtube-Nutzer bin, das lässt sich schon an meinem Artikel erahnen, den ich am 10. Juli 2006 über die Plattform geschrieben habe. Youtube war damals nicht mehr brandneu (schon anderthalb Jahre alt) und ziemlich erfolgreich: «70 Millionen Clips schickt sie pro Tag auf Computerbildschirme in aller Welt», habe ich damals geschrieben.
Naja, das ist im Vergleich zu heute lächerlich wenig. Laut dieser Statistik hier sind es inzwischen fünf Milliarden pro Tag. Mein Urteil damals im Beitrag Millionen von Filmschnipseln abrufbereit:
Youtube als globaler Kinosaal für die Amateurfilmer hat ein enormes Potenzial. Die postulierte «neue Clip-Kultur» lässt sich bis jetzt nur mit viel Wohlwollen erkennen. Als Alternative zur Ödnis auf dem TV-Schirm taugt Youtube.com aber schon jetzt, denn so gut wie viele Pannen-, Werbespot- oder «Lustige Heimvideos»-Shows im Privatfernsehen ist die Video-Community allemal.
Das war nicht völlig falsch – zumal es damals noch keine Youtube-Stars gegeben hat. Die kamen erst später – und die darf man wohl zu der «neuen Clip-Kultur» zählen, auch wenn ich persönlich gut ohne sie auskomme.
Egal. Youtube ist gross genug, damit für jeden etwas dabei ist.
Hier knistern die Tonspuren…
Einer der wenigen Kanäle, die ich abonniert habe und für die ich tatsächlich gezielt Youtube einschalten würde, ist SRF Archiv. Das Credo ist:
Hier knistern die Tonspuren und flimmern die Bilder über den Bildschirm wie anno dazumal. Machen Sie eine Zeitreise und entdecken Sie Archivperlen aus über einem halben Jahrhundert.
Und das ist für mich, der ich eine Schwäche für Zeitreisen habe, eine Möglichkeit, in die Vergangenheit abzutauchen. Zum Beispiel mit dem Video über Punk oben oder mit dem Video noch weiter oben zu den autofreien Sonntagen 1973, der einen über die Polizeiuniformen, die Autos und Velos und die Reporterschnäuze von damals staunen lässt…
Was ist hier antiker? Das Betriebssystem oder Herr Klapproths Schnauz?