Microsofts neue Sicherungs-App ist ein Totalschaden

Die neue Windows-Siche­rung ist eine Pleite auf ganzer Linie: Sie allein wäre ein stich­hal­ti­ger Grund für eine Kartell­kla­ge gegen Mic­ro­soft.

In Windows gibt es seit Herbst¹ eine neue System-App. Sie heisst Windows-Sicherung (in Englisch Windows Backup) und wird von Microsoft als «One-Stop-Sicherungslösung» bezeichnet. Und damit fangen die Probleme auch schon an.

Erstens provoziert der Name Missverständnisse: Eine Sicherung impliziert nach meinem Verständnis einen Vorgang, bei dem die Daten und Dokumente kontinuierlich oder zumindest in häufigen Intervallen auf ein zweites Medium übertragen werden.

Das Ziel ist eine Absicherung für einen Totalausfall des Arbeitsgeräts. Bei einem Hardwarefehler, einer Schadsoftware, einem Diebstahl oder Verlust soll sie uns in die Lage versetzen, innert nützlicher Frist weiterarbeiten zu können – und zwar mit möglichst allen unseren Daten und Dokumenten. Und natürlich wollen wir auch in der Lage sein, gezielt Dokumente wiederherzustellen, die wir verschlimmbessert haben.

Die neue App kennt nur Onedrive.

Alle diese Ansprüche erfüllt dieses Programm nicht. Es ist vielmehr ein Hilfsmittel für die Datenübertragung der Arbeitsumgebung von einem alten auf einen neuen Computer.

Bei früheren Windows-Versionen hat Microsoft ein Programm namens Windows Easy Transfer mitgeliefert, das die gleiche Aufgabe hatte. Es wurde mit Windows 7 abgeschafft und bislang nicht ersetzt. Das hat den Computerwechsel deutlich verkompliziert. Es existieren zwar Drittprogramme wie PC Mover Express, doch die haben ihre eigenen Tücken. Und es steht ausser Frage, dass das Betriebssystem eine solche Funktion bereitstellen muss.

Ein massiver Rückschritt

Also, wenn wir über den irreführenden Namen hinwegsehen, ist diese App eine gute Nachricht, oder?

Nein. Mit Easy Transfer hatten wir seinerzeit diverse Methoden für den Datentransfer zur Verfügung: eine externe Festplatte oder ein USB-Stick, selbst gebrannte CDs oder DVDs, ein direktes Verbindungskabel oder das lokale Netzwerk. Bei der Windows-Sicherung gibt es nur eine Methode. Ihr ahnt vermutlich schon, um welche es sich handelt: Jawohl, Microsoft Onedrive.

Das macht die Windows-Sicherung in meinen Augen völlig nutzlos:

So weit, so unerfreulich. Ich habe der Windows-Sicherung trotzdem eine Chance gegeben, doch dieser Versuch ging derartig nach hinten los, dass ich in der Folge meinem PC abgekoppelt und die Onedrive-App gelöscht habe.

Microsoft ist es sch**ssegal, was der Nutzer will

Ich hatte die Idee, die Windows-Sicherung unter Umgehung von Onedrive zu nutzen. Dazu wähle ich in der App unter Ordner die beiden Optionen Desktop und Dokumente ab, lasse die drei übrigen Punkte (Apps, Einstellungen und Anmeldeinformationen) jedoch aktiv. Meine Überlegung: Ich nutze die App zur Übertragung von Konfiguration und Programmen. Die Dateien und Dokumente würde ich manuell transferieren. Dazu käme eine externe Festplatte, ein Kabel oder das Netzwerk zum Einsatz.

Der Schalter bei «Dokumente» ist wie von Zauberhand auf «Ein» umgesprungen.

Sobald ich auf Sichern klicke, entwickelt Onedrive sofort Aktivitäten. Die kommen mir bald verdächtig vor, denn zu sichern gäbe es so nur wenige Dinge. Es zeigt sich aber, dass Onedrive meinen gesamten Dokumenten-Ordner hochlädt. Ich stelle fest, dass in den Onedrive-Einstellungen bei Ordner auf diesem PC sichern die entsprechende Option nun aktiv ist, obwohl ich das ausdrücklich nicht will und abgeschaltet habe.

Habe ich mich verklickt? Hat Microsoft meinen Wunsch ignoriert? Ich habe keine Bildschirmaufzeichnung, die den Sachverhalt belegen würde. Aber ich bin mir absolut sicher, die Sache genau geprüft zu haben.

Die Möglichkeit, den Vorgang zu stoppen, habe ich nicht. Microsoft sperrt die Einstellungen, solange eine Datenübertragung im Gang ist. Es scheint so, dass man in meiner Situation bis zum Abschluss des Uploads warten muss, um den Schalter wieder in die Aus-Position zu versetzen.

Das grenzt an Daten-Klau

Nicht ignoriert Microsoft meinen expliziten Wunsch, meine Daten nicht ins Onedrive zu stecken. Microsoft lässt auch keinen Weg offen, einen begonnenen Upload zu stoppen. Das ist übergriffig und grenzt für meinen Geschmack an Daten-Klau.

Das will ich mir nicht bieten lassen. Deswegen stoppe Onedrive auf die harte Tour: Ich logge meinen Computer aus, indem ich in den Onedrive-Einstellungen in der Rubrik Konto auf Verknüpfung mit diesem PC aufheben klicke. Und um den Bruch endgültig zu machen, deinstallieren ich die Onedrive-App.

Onedrive verhunzt die Dateiablage

Wer denkt, die Sache sei damit ausgestanden, der unterschätzt Microsoft. Beim Weiterarbeiten stelle ich fest, dass die Apps ihre Dokumente nicht mehr finden, wenn ich sie aus der Zuletzt verwendet-Liste auswählte. Ausserdem funktionieren meine Batch-Dateien nicht mehr, ebenso wenig mein Synchronisationsprogramm.

Nachforschungen sind unumgänglich. Es zeigt sich, dass Microsoft beim Einschalten des Onedrive-Backups nicht etwa den Dokumenten-Ordner in die Synchronisation aufnimmt, sondern vielmehr den gesamten Inhalt des Dokumenten-Ordners ins Onedrive-Verzeichnis verschiebt und den Original-Dokumenten-Ordner als unsichtbar markiert.

Mein Geduldsfaden, schon zuvor etwas strapaziert, reisst an diesem Punkt. Wer macht so eine wahnwitzige Sch**sse? Sind die völlig bescheuert bei Microsoft? Haben die nicht den geringsten Funken Verstand? Weiss überhaupt einer in diesem Saftladen, wie ihr dämliches Betriebssystem funktioniert?

Ich habe an dieser Stelle das Vergnügen, den von Onedrive angerichteten Schaden von Hand zu flicken:

  • Dazu verschiebe ich die Dateien zurück an die ursprüngliche Stelle.
  • Ich korrigiere in der Registry unter HKEY_CURRENT_USER\Software\Microsoft\Windows\CurrentVersion\Explorer\User Shell Folders den Eintrag Personal, der auf C:\Users\[Benutzername]\OneDrive\Dokumente verändert wurde, zurück auf %USERPROFILE%\Documents.
  • Ich nehme mir vor, Onedrive nie, nie, nie wieder zu verwenden.
Onedrive dilettiert in der Registry herum.

Das ist ein Totalschaden

Ich komme nicht umhin, ein harsches Urteil zu fällen – über diese neue App, über Onedrive und über Microsofts Gängelungsstrategie im Allgemeinen: Bei Windows-Sicherung handelt sich um eine sehr notdürftig kaschierte Werbeaktion für den Haus-eigenen Cloudspeicher. Denn wer die Windows Sicherung benutzt, kommt mit den kostenlosen fünf Gigabyte nicht über die Runden. Er muss zwingend zusätzlichen Spei­cher­platz kaufen; und das je nach Grösse der Datenablage nicht zu knapp. Das ist eine Selbstbevorzugung erster Güte und ein triftiger Grund für eine Kartellklage gegen Microsoft.

Das ist nervig. Aber meine Synchronisationsbedürfnisse muss ich trotzdem stillen. Ich evaluiere daher die Alternativen, und zwar in separaten Beiträgen:

Fussnoten

1) Die App Windows Backup bzw. Windows Sicherung in Deutsch wurde im Herbst 2023 via Build 23466 eingeführt.

Beitragsbild: Ich, während des Tests dieser neuen Microsoft-App – Symbolbild (Thomas Park, Unsplash-Lizenz).

4 Kommentare zu «Microsofts neue Sicherungs-App ist ein Totalschaden»

  1. Dieses Verhalten ist leider üblich geworden in der Branche. Das iPhone kann man nur auf die iCloud sichern und Android nur auf Google Drive. Wobei bei Apple die Sicherung wenigstens mehrheitlich funktioniert und nicht ungefragt den halben Rechner umkonfiguriert…

    iCloud unter Windows ist leider ebenfalls nicht fehlerlos. iPhones speichern alle Fotos im gleichen Verzeichnis und iCloud unter Windows hat Mühe mit vielen Dateien in einem Verzeichnis. Ab ca. 40000 Dateien fängt das Drama an: hohe CPU-Auslastung, neue Dateien werden minutenlang nicht geladen etc.

    OneDrive-Sync ohne OneDrive geht, es gibt einige kommerzielle Tools dafür, unter anderem FileZilla Pro. Kostenlos ist rclone. Dieses funktioniert bestens, bietet allerdings keine GUI.

    Die Einrichtung solcher Tools ist etwas mühsam, da man sie in OneDrive als App erfassen muss, weil Microsoft sie sonst als „Drittanbieter-Clients“ drosselt. Man soll halt schon die offizielle App verwenden.

    Bei vielen Dateien kommen die Tools an ihre Grenzen, weil sie immer einen kompletten Vergleich der Quell- und Zieldateien machen müssen. Der OneDrive-Client bekommt mit, welche Dateien geändert wurden.

    Erfreulicherweise wurde der Nextcloud-Client besser und kann seit einiger Zeit Dateien erst herunterladen, wenn sie benötigt werden. Für mich ist Nextcloud deshalb das Mittel zur Wahl im Bekanntenkreis oder für die Vereinsarbeit. Bei OneDrive muss man den Leuten ein Microsoft-Konto aufzwingen und ist nicht davor gefeit, dass sie mit „interessanten Angeboten“ belästigt werden oder plötzlich MFA einrichten sollen. Ein kleines Nextcloud läuft dagegen direkt auf dem Billig-Webhosting der Vereinswebsite und tut einfach seinen Zweck, ohne Nerverei.

Kommentar verfassen