Die Pixel Watch 2 im ersten Augenschein

Ich habe Googles neue Smart­watch in­spi­ziert, sie mit den Uhren von Garmin und Apple ver­gli­chen und ein grosses Plus, ein grosses Minus sowie Ver­bes­se­rungs­po­ten­zial ent­deckt.

Das höchste Lob gleich zu Beginn: Die Pixel Watch 2 von Google ist die Smartwatch, die mir äusserlich am besten gefällt. Ich finde sie viel schöner als meine Alltagsbegleiterin, die Garmin Fenix 7. Und ich mag das Design lieber als das der Apple Watch. Ja, tatsächlich: Google hat es geschafft, Apple auszustechen. Mein Urteil basiert erstens darauf, dass mir runde Uhren besser gefallen als eckige. Natürlich verstehe ich, dass funktionale Gründe für die Form der Apple Watch sprechen: Es finden mehr Informationen auf dem Display Platz, und bei vertikalen Menüs können wir nicht bloss den Eintrag in der Mitte lesen.

Darum ergibt sich schon gleich zu Beginn dieses Blogposts ein klares Fazit: Die universelle Smartwatch existiert auch weiterhin nicht. Wir kommen nicht um eine klare Prioritätensetzung herum: Steht die Informationsvermittlung im Vordergrund? Wollen wir uns über die Uhr als Sportkanone zu erkennen geben? Oder gefällt uns eine Alltags-Uhr, die alles ein bisschen kann? Je nachdem wählen wir die Apple Watch, eine Uhr von Garmin oder eben die Pixel Watch 2.

Diese sanften Rundungen!

Aber zurück zum Design der Uhr: Mir gefällt zweitens die sanfte Rundung, mit der die obere Fläche in die Umrandung übergeht. Dank des Always-on-OLED-Displays ist bei einem Zifferblatt mit schwarzem Hintergrund überhaupt nicht zu erkennen, wo der Bildschirm aufhört und der Rand anfängt. Beim Standardzifferblatt erscheinen die grünen Ziffern direkt auf der Oberfläche.

Im Vergleich dazu schliesst meine Fenix das Display – das sichtbar tiefer liegt als das Schutzglas darüber – mit einem kantigen Metallring ein. Und es gibt obendrein einen inneren Ring, auf dem die Minuten aufgetragen sind – was bei einem Ziffernblatt mit Zeiger einen gewissen Sinn ergeben mag, bei der Anzeige von Zeitziffern («Digitaluhr») aber völlig nutzlos ist.

Darf ich an dieser Stelle einen politisch womöglich heiklen Vergleich machen? Meine Garmin-Uhr tritt in diesem Aufgebot als «männliche» Uhr auf; während die Pixel Watch feminin wirkt. Und die Apple Watch steht als non-binär dazwischen: Sie hat zwar ein eckiges Display, aber auch ihre Rundungen.

Okay, das ist eine so platte Analogie, dass sich ein Shitstorm nicht lohnt, liebe Internet-Community.

Es dauert, bis die Uhr endlich läuft

Während der Installation werden wir darüber aufgeklärt, wie man das Armband wechselt.

Zurück zur Pixel Watch 2: Der Prozess, um die Uhr in Betrieb zu nehmen, zieht für meinen Geschmack etwas zu sehr in die Länge. In meinem Fall dauert es besonders lange, weil ich noch ein Fitbit-Konto habe. Vor sieben Jahren habe ich ein Fitbit Flex 2 benutzt und bekanntlich hat Google dieses Unternehmen im November 2019 übernommen. Das führte nun dazu, dass meine damaligen Aufzeichnungen nun bei Google gelandet sind.

Womit wir wiederum bei einem grundsätzlichen Punkt geladen wären: dem Datenschutz. Möchten wir wirklich Google unsere Gesundheitsdaten anvertrauen? Die Uhr kann einen Herzrhythmus-Check und ein EKG durchführen, sie betreibt ihre Sensoren rund um die Uhr und sie trackt unsere Aktivitäten. Da kommen sehr persönliche Daten zusammen, die bei Google Health landen. Bekanntlich ist es Googles Geschäftsmodell, Daten zu Geld zu machen.

Will man sein EKG Google anvertrauen?

Das halte ich in bei Sport- und Gesundheitsdaten für problematisch. Es muss jeder für sich entscheiden, welchem Unternehmen er sein Vertrauen schenken möchte – denn ob das gerechtfertigt war, wissen wir leider immer erst hinterher. Was mich angeht, habe ich mich entschieden, Health von Apple zu nutzen, weil ich Apples Bemühen um den Datenschutz zwar nicht als perfekt, aber als grundsätzlich glaubwürdig erachte. Bei Google ist das nicht der Fall, weswegen ich selbst bei diesem Test ein ungutes Gefühl nicht verhehlen konnte.

Während des Joggens fotografiert: Die Fitbit-App zeigt mit dem Balken links, in welcher Leistungszone man sich bewegt.

Die Bedienung der Uhr erinnert stark an die Apple Watch: Es gibt ein Touch-Display, auf dem wir per Wischen in alle vier Richtungen Funktionen aufrufen:

  • Von oben nach unten erscheint das Kontrollzentrum mit Flugzeugmodus, Telefonsuche, Wallet, Google Home, Nicht-Stören, Kinomodus und den Einstellungen.
  • Von rechts nach links erscheint eine Übersicht der Schritte, die Herzfrequenz, der Schnellstart zum Tracking von Rennen, Velofahren und Training, zum Schlaftracking, den nächsten Terminen, Google Assistant, Wetter und Navigation.
  • Von links nach rechts blättern wir diese Informationen in die andere Richtung durch.
  • Von unten nach oben erscheinen die Benachrichtigungen.

Das Kontrollzentrum und die Benachrichtigung können wir auch durch Drehen an der Krone von oben nach unten bzw. von unten nach oben aktivieren. Wenn wir die Krone drücken, erscheinen die Apps¹. Es gibt auch einen Knopf, der (beim Tragen mit der Krone rechts) oberhalb der Krone liegt und die zuletzt benutzten Apps anzeigt.

Um zum Zifferblatt zurückzukehren, können wir wischen. Und wie bei der Apple Watch ist es möglich, mit der flachen Hand aufs Display zu klatschen. Dann erscheint bei der Pixel 2, die eine Always-on-Anzeige hat, eine Art Sperrbildschirm.

Horizontal wischen

Die Auswahl der Zifferblätter.

Wenn wir horizontal durchblättern, gelangen wir durch Tippen auf auf eine der Informationstafeln wie Wetter oder Schrittzahl zu der entsprechenden App; im Fall der Schritte ist das Fitbit Today.

Durch ein langes Tippen werden die Ansichten (inklusive Zifferblatt) konfiguriert: Wir können die Reihenfolge ändern oder die Einstellungen anpassen. Durch Ziehen nach oben wird ein Informations-Panel entfernt und über das Plus-Symbol lassen sich weitere hinzufügen. Zur Auswahl stehen u.a. Körperreaktionen, Letzte Aktivität, Timer, Notiz erstellen, UV-Index, Podcasts und die Heavy Rotation bei Youtube Music.

Die Watch-App am Smartphone hilft bei der Konfigration der Uhr.

Es gibt wie bei der Apple Watch eine App auf dem Smartphone, über die wesentliche Einstellungen vorgenommen werden.

Fazit: Weniger prätentiös als die Apple Watch

Mir hat sich die Bedienung der Pixel Watch 2 schnell erschlossen. Im Vergleich zu Watch OS von Apple wirkt WearOS 4 von Google weniger ausgeklügelt – es ist offensichtlich, dass Apple mehr Erfahrung und Entwicklung in sein Produkt und dessen Benutzerfreundlichkeit gesteckt hat. Beispiel EKG: Bei der Apple Watch ist die EKG-App von Haus aus vorhanden. Bei der Pixel Watch musste ich mich erst durch die Hilfe kämpfen, um herauszufinden, dass ich die Fitbit ECG App manuell installieren muss.

Unter dem Strich sind aber alle wesentlichen Funktionen vorhanden – und wenn wir die Bedienung der Garmin-Uhren heranziehen, ist diese Uhr auf alle Fälle pflegeleichter.

Das Einzige, was ich vermisse, ist ein Home-Knopf, der in allen Lebenslagen zurück aufs Zifferblatt führt. Ach ja, und die Batterielaufzeit dürfte länger sein. Sie entspricht plus/minus der der AppleWatch. Das heisst, dass die Uhr einmal pro Tag an den Stecker muss.

Für wen ist diese Uhr? Sportfans dürften Garmin weiterhin die Stange halten und Leute, die Spass an der Apple Watch haben, werden sich nicht zu einem Wechsel veranlasst fühlen. Und es bleibt leider dabei, dass sich smarte Uhren und smarte Telefone nicht beliebig kombinieren lassen. Als Android-Nutzerin eine Apple Watch zu verwenden, ist keine reine Freude und für die Pixel Watch 2 verlangt Google ein Smartphones mit Android 9 oder höher.

Das heisst an dieser Stelle, dass zwischen der Pixel-Uhr und der Apple Watch kein echter Konkurrenzkampf stattfindet. Man könnte sogar sagen, es sei müssig, hier überhaupt einen Vergleich anzustellen, weil Leute, die ihr Smartphone nicht wechseln wollen, eh keine Wahlfreiheit haben.

Ich bedaure das. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Das würde auch für die Smartwatches gelten, wenn es echte Konkurrenz gäbe.

Endlich Interoperabilität aller Smartwatches!

Wie würde die Situation aussehen, wenn die Interoperabilität gewährleistet wäre? Ich nehme an, es würden mehr Android-Nutzerinnen eine Apple Watch kaufen als umgekehrt iPhone-User eine Pixel Watch. Aber ich kann mich auch täuschen: Die Apple Watch ist so omnipräsent, dass man als sich als Pixel-Watch-Träger tatsächlich als Nonkonformist fühlt.

Und ich empfinde die Pixel Watch auch als weniger prätentiös als die Apple Watch: Zum Beispiel, was die Ringe angeht. Die sind zwar konzeptionell ausserordentlich gelungen. Aber auf Dauer können sie auch ganz schön nerven. In der Fitbit-App gibt es zwar auch Ziele für Schritte, stündliche Aktivitäten und die sogenannten Aktivzonenminuten – aber ohne das Ring-Brimborium habe ich deutlich weniger Hemmungen, z.B. die stündlichen Aktivitäten einfach zu ignorieren.

Darum hat die Pixel Watch ihre Daseinsberechtigung. Doch was mich angeht, würde ich wegen des Datenschutzes dann doch der Apple Watch den Vorzug geben. Aber vorerst bin und bleibe ich mit der Uhr von Garmin zufrieden.

Fussnoten

1) Das sind die Apps, die standardmässig installiert sind:

  • Google Assistant
  • Einstellungen
  • Fitbit Training
  • Fitbit Relax für Entspannungs- und Atemübungen
  • Fitbit Today mit einer Übersicht der täglichen und wöchentlichen Aktivitäten, Herzfrequenz, etc.
  • Das Google Wallet
  • Google Home zur Konfiguration eines Smarthomes
  • Kalender
  • Kamera zur Foto-Fernauslösung am Telefon
  • Kontakte
  • Mediensteuerung
  • Messages
  • Notizen
  • Persönliche Sicherheit: Hier lassen sich Notfall-Meldungen absetzen und medizinische Informationen bereithalten. Durch fünfmaliges Drücken der Krone lässt sich ein Alarm auslösen
  • Play Store
  • Stoppuhr
  • Taschenlampe
  • Telefon
  • Telefon suchen
  • Timer
  • Wecker
  • Wetter
  • Youtube Music

One thought on “Die Pixel Watch 2 im ersten Augenschein

  1. Ich bleibe trotzdem sehr altmodisch – ich trage nach wie vor eine mechanische Taschenuhr mit mir herum, die ich jeden Morgen aufziehen darf/soll/muss, aber immerhin mit Tagesdatum, Mondphase und Stoppuhr, das reicht mir vörig 😉

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