Danke Apple!

Die Werbebranche malt die «IDFA-Apokalypse» an die Wand: Einnahmen und Jobs würden verloren gehen, weil Apple in iOS14 dem Tracking der App-Nutzer Schranken setzt. Dabei bekommt die Branche nun bloss die Rechnung für ihre unanständige Gier nach Nutzerdaten präsentiert.

Die nächste Version des iPhone-Betriebssystems wird eine Neuerung bringen, die für die Nutzer nicht sichtbar ist – die aber schon ihre Schatten vorauswirft. Apple will nämlich den IDFA abschaffen, bzw. weniger leicht zugänglich machen.

Was natürlich die Frage aufwirft: IDFA? Wie bitte?

Es handelt sich um den Identifier for Advertisers. Er wird hier wie folgt beschrieben:

Man kann sich den IDFA wie ein Werbe-Cookie vorstellen: Werbetreibende können feststellen, wenn der Benutzer eine Anzeige anklickt oder eine App installiert.

Eingeführt wurde der IDFA mit iOS 6. «Der Spiegel» hat uns 2012 wissen lassen, wer sich damals über diese Cookie-artige Erfindung gefreut hat. Und – Spoiler – es waren nicht die Nutzer:

Die Werbetreibenden sind begeistert: Über eine eindeutige Nummer können sie Gewohnheiten von iPhone- und iPad-Nutzern beobachten und ihnen passende Werbung servieren.

Allerdings konnten das die Werbetreibenden schon vorher. Denn der IDFA war 2012 keine Neuerfindung, sondern ein Ersatz dafür, dass Apple den Entwicklern den Zugang zum UDID entzogen hat.

Eine eindeutige Geräte-Identifikationsnummer

Wie das Kürzel erahnen lässt, ist auch das eine Nummer im Dienste der Identifikation. Sie bezieht sich aber nicht auf den Nutzer, sondern auf das Gerät: Der Unique Device Identifier ist in die Hardware eingebrannt und lässt sich nicht ändern.

iOS 14 bringt eine Verschärfung bei der der Nutzung des IDFA. Apple schafft ihn nicht ab, gibt aber den Nutzern die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie ihn einem App-Anbieter preisgeben möchten oder nicht.

Es steht zu erwarten, dass die allermeisten Nutzer ihre Zustimmung zum Tracking verweigern werden. Natürlich – denn es gibt keinen offensichtlichen Vorteil für den Nutzer, wenn man sich tracken lässt. Die Hersteller und Werbetreibenden haben keine andere Möglichkeit, als sich in luftige Versprechen zu ergehen. Ich stelle mir Überzeugsversuche im Stil von «… dank deinen Daten erlaubst du uns, dir massgeschneiderte Apps und ein optimales Benutzererlebnis zu bieten…» vor.

Die Reaktionen auf diese Neuerung unterscheiden sich erfahrungsgemäss eklatant, je nachdem, aus welcher Ecke sie kommen. Die Game-Entwickler und die Werbetreibenden beschwören ein Untergangsszenario herauf. iOS 14 werde die Werbung für mobile Games aus der Spur werfen und Entlassungen provozieren, behauptet «Venture Beat».

Düstere Aussichten

Der Autor zitiert einen Blogpost von Brian Bowman, den Chef eines Unternehmens, das sog. «Profitable Social Advertising» betreibt. Er entwirft zwei Szenarien; eines davon sehr düster:

Wenn Apple und andere Tech-Titanen keinen Kompromiss finden, wird es mit der Einführung von Apples iOS 14 und App Tracking Transparency bis Mitte November branchenweit zu Entlassungen bei Werbetreibenden für mobile Apps aller Grössenordnungen kommen, da Einnahmen schrumpfen und die Unternehmen gezwungen sind, die Kosten im Verhältnis zu ihrer neuen Umsatzrealität zu steuern.

Auch Facebook ist nicht glücklich. In einem Blogbeitrag gibt es folgende Einschätzung:

Dies ist keine Änderung, die von Facebook vorgesehen war. Doch leider wurde die Entscheidung durch die von Apple durchgeführte Aktualisierung von iOS 14 erzwungen. Wir sind uns bewusst, dass diese Situation die Möglichkeit zur Monetarisierung auf iOS 14 mit dem Audience Network für Publisher wahrscheinlich stark beeinträchtigt. Trotz unserer Bemühungen wird diese Änderung das Audience Network auf iOS 14 leider derart unwirksam machen, dass es keinen Sinn ergibt, das Audience Network für iOS 14 in Zukunft anzubieten.

An dieser Stelle lohnt es sich, ein paar Worte über das Audience Network zu verlieren. Das wurde 2014 eingeführt und ermöglicht es, Facebook-Werbung auch ausserhalb von Facebook anzuzeigen.

Eine aus Facebook-Sicht naheliegende Idee, die sehr erfolgreich war. Schon ein Jahr später konnte man vermelden:

Es hat sich zu einem der weltweit größten Netzwerke für Werbeanzeigen entwickelt. Tatsächlich machen mobile Apps, die über das Audience Network laufen, sechs Prozent der gesamten in mobilen Apps verbrachten Zeit aus.

Ein Fazit – aus Nutzersicht

Damit sind wir beim Fazit – das ich hier aus der Sicht des Nutzers ziehe.

Als Nutzer kann man nicht anders, als Apple für diese Entscheidung zu loben und Danke zu sagen. Denn das Tracking in den Apps hat ein groteskes Ausmass angenommen. Nicht nur bei den Spielen, sondern auch in vielen breit genutzten Apps. Das hat sich neulich gezeigt, als viele Apps nicht mehr funktionierten, weil sie eine Softwarekomponente von Facebook enthalten. Betroffen waren u.a. die Apps von Spotify, Pinterest, Tinder und anderen. «The Verge» hat das wie folgt erklärt:

Die Ursache für die Ausfälle scheint das Software Development Kit (SDK) von Facebook gewesen zu sein, das viele Apps fürs Login verwenden. Benutzer müssen sich nicht über Facebook in eine App einloggen, um betroffen zu sein – sie müssen noch nicht einmal die Facebook-App installiert haben.

Es wäre interessant, was dieses Facebook-SDK sonst noch tut. Die Vermutung, dass es so viele Daten über die Nutzer und die App-Nutzung sammelt, wie irgendwie möglich, scheint mir nahe liegend.

Wir sehen also: Im Web werden wir nach beim Surfen nach unserer Zustimmung für jedes einzelne Cookie gefragt. Je nach Webbrowser haben wir die Möglichkeit, das Tracking zu steuern und zumindest einzudämmen. Bei der Nutzung von Apps hingegen sind wir den Datensammlern ausgeliefert. Wenn man deren Aktivitäten eindämmen will, muss man zu aufwändigen Massnahmen greifen und z.B. ein Pi-hole in Betrieb nehmen.

Mitleid ist nicht angebracht

So bedauerlich Entlassungen wären, wenn sie denn wirklich notwendig sein sollten: Ich habe kein Mitleid mit Leuten, die das systematische, verdeckte Anhäufung von Nutzerdaten zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben. Sie hätten in der letzten Zeit immer wieder Gelegenheit gehabt, Zurückhaltung zu üben und beispielsweise – wie von Apple gefordert – die UDID seinerzeit eben nicht mit Nutzerprofilen in Verbindung zu bringen.

Diese Chance hat diese Branche verpasst. Und jetzt bekommt sie die Rechnung präsentiert: Dass eine Mehrheit der Nutzer mutmasslich nicht gewillt sein wird, sich tracken zu lassen, haben sich die Werbetreibenden ganz allein selbst zuzuschreiben.

Fazit: Aus heutiger Sicht steht eine solche Nutzer-ID, die über alle installierten Apps abrufbar ist, quer in der Landschaft. Apple tut sich seit einiger Zeit als Vorzeige-Datenschützer und Anwalt der Nutzer hervor. Apple will sich deutlich von Google abgrenzen und hat in der letzten Zeit auch in Safari die Trackingmöglichkeiten der Nutzer zurückgefahren: Die Cookies von Dritten dürfen komplett verweigert werden. Da ist auch die App Tracking Transparency nichts als richtig und konsequent.

Beitragsbild: Keine Angst, er will nur Ihre Daten (Sergiu Nista, Unsplash-Lizenz).

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