Von 22 auf 27 Zoll ist ein beträchtlicher Sprung

Ein grösserer Monitor mit mehr Pixeln und einer grös­seren Arbeits­flä­che sollte eine reine Freu­de sein, oder? Ich habe mir einen an­ge­schafft und un­er­war­tete Komp­li­ka­tio­nen beo­bachtet – und gemerkt, dass ich meine Arbeits­weise über­den­ken muss.

Die meisten Leute nehmen mir ab, dass ich ein waschechter Nerd bin. Man könnte auch sagen, dass ich den technikverliebten Lifestyle für mein Umfeld überzeugend lebe.

Allerdings nur bis zu einem Punkt: Wenn die Leute in mein Büro marschieren, dann kann ich ihnen zusehen, wie schlagartig sie der Zweifel überfällt: Bin ich bloss ein Blender? Ein Wichtigtuer, der die Rolle, die er sich angeeignet hat, nicht auszufüllen vermag?

Der Grund für den plötzlichen Argwohn steht auf meinem Schreibtisch: Bzw. er stand bis vor ein paar Tagen dort. Er musste inzwischen weichen. Sein Nachfolger passt zwar besser zur Nerd-Erzählung, ist aber nicht das, was man einen überzeugenden Kronzeugen nennen würde.

Das Corpus Delicti ist der Monitor, den ich privat und fürs Homeoffice verwende. Es handelte sich bis zum letzten Black Friday um den Samsung Syncmaster S22B350H, den ich 2013 zusammen mit meinem damaligen Windows-8-Rechner erworben hatte: Ein 22-Zoll-Monitor mit Full-HD-Auflösung, der nach heutigen Standards nurmehr fürs Solitär-Spielen benutzt werden kann.

Damit könnte man ein Raumschiff steuern

Nerds, die ihre Rolle überzeugender ausfüllen, sitzen vor mindestens zwei Monitoren. Er hier hat einen iMac 5k, den er parallel mit einem gekrümmten 34-Zoll-QLED-Monitor von Samsung benutzt. Er hier verwendet zwar nur einen Bildschirm. Aber dafür hat der 49 Zoll und eine Auflösung von 5120 auf 1440 Pixel. Das sind 3,55-mal mehr als mein elf Jahre alter Syncmaster.

Vielleicht hat das mit meiner Sozialisierung zu tun. Meine Begeisterung für Computer war nie von der Bildschirmdiagonalen abhängig. Ich habe mit Pagemaker leidenschaftlich gern gelayoutet, auch wenn das beim Classic-Mac – Auflösung: 512 auf 342 Pixel, also known as Mäusekino – mit ständigem Zoomen und Scrollen verbunden war. Meinen ersten eigenen Computer habe ich mit SVGA-Auflösung betrieben (800 × 600 Pixel). Ich glaube, ich habe in bis auf XGA hochgerkiegt (1152 × 864 Pixel). Allerdings zum Preis einer so miesen Bildwiederholrate, dass mir heute noch davon die Augen schmerzen.

Weniger Pixel als ein heutiges Handy – aber trotzdem ein tolles Arbeitsgerät.

Ich habe mir in der Zeit nicht nur das Zoomen und Scrollen verinnerlicht, sondern auch weltmeisterliche Alt-Tabulator-Fähigkeiten zum Durchblättern der Programme entwickelt. Ich habe mal ein Programm gesucht, das loggt, wie oft ich pro Tag diese Tastenkombination betätige, bin aber leider nicht fündig geworden. Aber eine dreistellige Zahl erreiche ich locker.

Fast eine Verdoppelung

Nun habe ich am letzten Black Friday auf gewissen äusserlichen Druck einen Kauf getätigt, der mich dazu zwingt, mich neu zu orientieren. Ich habe nämlich einen neuen Monitor gekauft. Der stammt von Philips und ist nicht zu vergleichen mit einer Nerd-typischen Ausstattung. Er hat eine Bildschirmdiagonale von «nur» 27 Zoll (68,6 Zentimeter) und eine Auflösung von «nur» 2560 auf 1440 Pixel (WQHD), also etwa 1,8-mal mehr als bisher.

Bei mir läuft allerdings Windows.

Es handelt sich um den 275V8LA/00 von Philips, den es mit Rabatt für um die 130 Franken gab. Der reguläre Preis ist auch nicht viel höher; bei Amazon habe ich ihn für um die 145 Euro gesehen. Die Frage liegt auf der Hand, warum ich nicht noch etwas mehr investiert habe. Schliesslich gibt es schon für weniger als das doppelte Geld mehr als dreissig Zoll mit 4k-Auflösung.

Ich habe mich das auch gefragt. Eine Rolle gespielt hat mein ökologisches Gewissen, denn eine grössere Bildschirmfläche bedeutet mehr Stromverbrauch.

Ausserdem habe ich festgestellt, dass ich bei Riesenmonitoren dazu neige, den vorhandenen Platz nicht auszunutzen. In Lightroom, Audacity oder Premiere ist die grossflächige Darstellung zwar toll. Aber wenn ich im Browser meinen Blogpost schreibe, dann reicht mir ein Fenster in einer der Ecken völlig aus. Und ich bin vehement dagegen, sich Leistung auf Vorrat zu kaufen: Das artet beim Individualverkehr in einer völlig sinnlosen SUV-Schwemme aus und beim Computing führt es dazu, dass Millionen von Pixeln über Stunden bloss den leeren Desktop-Hintergrund anzeigen.

Boah ey, Philips, warum kein höhenverstellbarer Fuss?

Das meine Überlegung vorab. Nach dem Kauf finde ich sogar, dass sich die 27-Zoll-Bildschirmgrösse an der oberen Grenze bewegt. Es führt dazu, dass die obere Kante des Monitors für meinen Geschmack eher zu hoch positioniert ist. Für eine entspannte Nackenmuskulatur bevorzuge ich es, wenn diese Kante sich unterhalb meiner Augen befindet und ich leicht nach unten blicken kann. Das ist bei diesem Monitor nur möglich, weil ich meinen Bürostuhl noch etwas höher stellen konnte.

Denn – und das ist meine grösste Kritik – der Fuss ist für meinen Geschmack zu hoch und nicht höhenverstellbar. Letzteres sollte heutzutage eine Selbstverständlichkeit sein, weil aus ergonomischen Gründen zwingend. Immerhin lässt sich der Fuss neigen und es gibt eine Vesa-Halterung. Ich liebäugle nicht erst seit gestern mit einem Monitor-Arm. Doch jetzt ist diese Anschaffung deutlich nähergerückt.

Mit der Nase am Schirm

Ansonsten ist das Fazit positiv: Die Bildqualität ist einwandfrei – mit der Einschränkung, dass meine eh schon kurzsichtigen Augen aufs Alter nicht besser werden. Wenn man so nah am Monitor hockt, wie ich es tue, fällt es auf, dass der Helligkeitsverlauf nicht gleichmässig ist, sondern zu den Rändern hin abfällt. Mit dem empfohlenen Abstand von 91 Zentimetern (😱) sollte das kein Problem sein.

Der Monitor hat zwei HDMI-Anschlüsse und einen Displayport. Er hat eingebaute Lautsprecher, aber die sind so unterirdisch schlecht, dass ich sie nicht einmal für Videokonferenzen empfehlen kann. Wer Musik hören möchte, wird an diesem leicht scherbelnden und komplett Bass-befreiten Klang keine Freude haben. Klar, im Notfall sind schlechte Lautsprecher besser als keine. Aber ich werde weiterhin entweder Kopfhörer oder die Lautsprecher meines Laptops verwenden.

Bemerkenswert finde ich eines: Ein neuer Monitor mit mehr Pixel und Fläche bringt mich dazu, meine Arbeitsweise zu überdenken und mir neue Gewohnheiten anzueignen. Denn bisher habe meist mit einem Fenster gearbeitet und selten von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mehrere Programme nebeneinander anzuordnen (z.B. mittels Snap-Layouts). Bei 27 Zoll drängt sich das geradezu auf.

Und plötzlich stehen neue Nerd-Fragen im Raum: Wie holen wir das Maximum aus dieser Bildschirmfläche? Aber das ist ein Thema für einen eigenen Blogpost, der erklärt, wie wir die Fenster-Organisation perfektionieren.

Beitragsbild: Das könnte ich sein (Dall-e 3 zum Prompt «A man with huge glasses sitting close in front of a large computer monitor, working happily. In a comic style»).

3 Kommentare zu «Von 22 auf 27 Zoll ist ein beträchtlicher Sprung»

  1. Die Vorlieben für Bildschirme sind erstaunlich individuell. Von Dir hätte ich gedacht, dass Du schon lange mit zwei Monitoren arbeitest und jetzt auf einen richtig grossen Curved-Monitor umgestiegen bist.

    Ein Kunde hat seine Mitarbeiter (vorwiegend Architekten und CAD-Zeichner) entscheiden lassen, was sie für eine Kombination möchten. Zwei oder drei normalgrosse Bildschirme oder ein Curved-Display. Ich hätte gewettet, dass 80 % ein Curved-Display bevorzugen, so wie ich. Es waren dann nur 50 %. 40 % wollten zwei normale Bildschirme, 10 % deren drei.

    Ein diesbezüglich extremer Kunde hat drei Curved-Displays nebeneinander auf einem Eckpult. Er muss fast nie ein Fenster minimieren, sondern hat immer alles geöffnet. Nicht überraschend gehört er zur „PC läuft immer“-Fraktion.

  2. Nicht höhenverstellbar war mein Ausschlusskriterium Nr. 1 bei der Evaluation neulich.
    Geschenkt habe ich mir sodann den gebogenen Philips 34M1C5500VA/00 3440 x 1440 Pixel 34″ und bin gewiss zufrieden damit, da ich immer Hundert Dinge gleichzeitig am Suchen und Bearbeiten bin … .
    Unbedingt zu beachten ist die sehr kleine tatsächliche Darstellung wegen der Mikropixelgrösse. Rückt das Auge näher für grössere Ansicht, rücken die Ecken etwas ins Abseits, und die Krümmung ist dann zu gering, um gleichmässige Abstände im Zentrum und in den Ecken zu bieten, auch reichen Augenbewegungen nicht mehr aus, der ganze Kopf muss sich bewegen.
    Das Ganze ist trivial, in der Praxis aber schon gewöhnungsbedürftig, insbesondere natürlich bei etwas eingeschränkten Sehfunktionen. Mehrere weniger hoch auflösende Monitore wäre m. E. tatsächlich eine gute Alternative, bräuchte aber definitiv viel mehr Platz.

  3. Bisher konnte mich mein verzweifeltes Umfeld nicht zum Kauf eines (Monster) Fernsehers überzeugen. Ein AV Receiver von Onkyo dient als Zuführung eines Dell Monitors (24 Zoll). Damit 4 + 2 Eingänge möglich.
    Ach, mein 21.5 Retina iMac (OC Patcher) reicht.

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