Wie wir die Nase in alte Schweizer Zeitungen stecken

Auf e-news­paper­archives.ch sind alte Schwei­zer Zei­tungen in digitaler Form archiviert. Der Bestand ist zwar nicht voll­stän­dig, aber gross genug für span­nen­de Recher­chen.

Neulich ging es hier im Blog um die Frage, wann in den Schweizer Medien zum ersten Mal von der künstlichen Intelligenz die Rede gewesen war. Daraufhin habe ich auf Linkedin einen heissen Tipp bekommen – notabene von jemandem, der sich mit digitalen Datenbeständen auskennt. Diego ist nämlich Wikipedia-Experte.

Diego hat mich auf eine Website verwiesen, auf der digitalisierte Zeitungen abrufbar sind:  e-newspaperarchives.ch. Die Plattform wird, wie hier nachzulesen ist, von der Schweizerischen Nationalbibliothek und ihren Partnern betrieben.

Meine hochfliegenden Hoffnungen, hier alle Ausgaben aller Schweizer Zeitungen zu finden, wurden leider zerstreut. In der Rubrik Blättern nach Titeln stellen wir fest, dass einige bekannte Titel vorhanden sind, diverse unbekannte – und bedauerlicherweise meiner Lieblingsblätter durch Abwesenheit glänzen. Der Winterthurer «Landbote» zum Beispiel, oder auch der «Tagesanzeiger». Als Erklärung dafür heisst es, dass «Zeitungen, die von Institutionen mit eigener Zugangslösung» nicht vorhanden seien. Es gibt eine Liste mit den «anderen Plattformen», wo ich die erwähnten Publikationen aber auch nicht gefunden habe.

Unbedingt ein Lesezeichen wert!

Der OCR-Text mit dem Faksimile in der Archivansicht.

Trotzdem ist dieses digitale Zeitungsarchiv natürlich ein Lesezeichen im Browser wert – und auch eine Besprechung hier im Blog. Dank Diego habe ich herausgefunden, dass die NZZ nicht der erste Titel war, der in der Schweiz über die künstliche Intelligenz berichtet hat.

Diese Ehre kommt gemäss der Quellenlage der Zeitschrift «Aktiv» zu, die als gemeinsames Gewerkschaftsmagazin zwischen 1930 und 1998 von diversen Gewerkschaften herausgegeben worden ist. Hier hiess es am 5. Dezember 1957:

Ingenieur Garcin führte in seinem von Lichtbildern begleiteten Vortrag aus: Die Automation, der Mechanismus der Roboter wolle die menschliche Intelligenz nicht verdrängen, sondern in die Tätigkeit der Roboter einbauen. Er vertrat die Ansicht, dass die Automation dahin ziele, einen Gegenstand ohne menschliches und manuelles Eingreifen herzustellen. In der Uhrenindustrie sei sie vollkommen anwendbar. Ingenieur Garcin erklärte das Funktionieren der Roboter, die in der Lage seien, jede auch noch so komplizierte Tätigkeit auszuführen, wie es das Kopiersystem der Cybernetik auf Grund der Formologie und der Morphocinetik erlaube. Er erblickt darin eine künstliche Intelligenz, die dem Roboter allerdings zuerst vom Menschen eingegeben werden müsse.

Es geht hier, wie vielleicht zu erahnen ist, um die Uhrenindustrie und um die Anwendung von Robotern in der Fertigung und eher um manuelle Geschicklichkeit denn universelle Problemlösung, wie wir sie heute von der KI und dem maschinellen Lernen erwarten. Darum ergibt sich kein Erkenntnisgewinn. Wir erfahren im Artikel noch nicht einmal den Vornamen von Ingenieur Garcin. Im Artikel wird er als Gründer des Centre de Cybérnetique Horlogère eingeführt, das uns aber keinen einzigen Google-Treffer liefert.

Hey SRF: Suchauftrag für euer Archiv!

Doch wir stossen auf einen weiteren Ansatzpunkt: In den «Freiburger Nachrichten» wird am 20. April 1960 aufs Programm des Schweizer Fernsehens verwiesen, wo um 21:15 Uhr der Film «Maschinen, welche denken können» lief, der sich mit der «künstlichen Intelligenz von elektronischen Automaten» beschäftigte. Tipp für die Kollegen beim SRF: Grabt den doch mal aus und stellt ihn den tollen SRF-Archiv-Youtube-Kanal.

Aber wie sieht es mit anderen Themen aus? Im Beitrag Die Steinzeit der Computerberichterstattung hatte ich mich darüber beklagt, dass 1984 die Geburt des Macintosh hierzulande medial nicht angemessen gewürdigt worden ist. Kann e-newspaperarchives.ch die Reputation wiederherstellen?

«Der Bund» zeigt der NZZ den Meister

Leserinnen von «Der Bund» sind notorisch gut informiert.

Antwort: Ja! Am 3. November 1983 hat «Der Bund» einen Bericht vom Korrespondent in Washington veröffentlicht, in dem es um den IBM-PC Junior (IBM PCjr) ging:

Mit dem Peanut ist auch die Konkurrenz herausgefordert worden: Japanische Firmen (Panasonwic; sic!) werden in den nächsten Monaten gleichartige Modelle auf den Markt bringen und Apple, bisher führend in der Herstellung von Personalcomputern, will im Januar den Heimcomputer Macintosh vorstellen. Nach einem turbulenten Jahr mit ersten Konkursen (Osborne), hohen Verlusten (Atari) und dem Produktionsverzicht (Texas Instruments) soll der auf 2 Mrd Dollar geschätzte Heimcomputermarkt zur Ruhe kommen. IBM setzt mit dem PC Junior, während der Entwicklung bekannt geworden unter dem Codenamen «Peanut» (Erdnüsschen), neue Massstäbe für den jungen Industriezweig.

Und wie sieht es mit Windows aus, wo ich mit der Berichterstattung seinerzeit auch nicht zufrieden war (Als Windows erst für eine Randbemerkung gut war)? Hier bleibt es dabei: Microsoft hat die Schweizer Medien damals keinen Deut interessiert.

Übrigens: Nach einer Anmeldung haben wir die Möglichkeit, Faksimiles der Zeitungen im PDF-Format herunterzuladen – praktischerweise immer gleich eine Ausgabe als ganzes. Für Zeitungsfans und Archivmäuschen grossartig!

Beitragsbild: In Papierform haben sie längst verflüchtigt, aber als digitale Faksimiles leben sie weiter (Congerdesign, Pixabay-Lizenz).

One thought on “Wie wir die Nase in alte Schweizer Zeitungen stecken

  1. Danke für den Hinweis, das Archiv ist eine Goldgrube!

    Im „Journal du Jura“ vom 17.12.94 war ein Pentium 90 inseriert, mit 8 MB RAM, 720 MB HDD, CD-ROM, Windows 3.11 und 15″-Monitor. Für (laut Anbieter) sensationelle CHF 4495.-. Wenigstens war die Lieferung und Installation inklusive.

    Am 06.04.95 ist im „Thuner Tagblatt“ ein Inserat für ebenfalls einen Pentium 90 erschienen, nur mit 540 MB HDD, ohne CD-ROM und mit 14″-Monitor. Das System war für CHF 3390.- zu haben.

    Spannend auch, dass die Systeme zu dieser Zeit meist als „Komplettsystem“ inkl. Monitor angeboten wurden. Für die meisten Käufer war das wohl der erste PC.

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