Ist es zu hart, wenn ich behaupte, dass Google keine Ahnung von benutzerfreundlicher Software habe? Vermutlich: Denn komplett unerfahren ist dieser Konzern in diesen Dingen nicht.
Mein Eindruck ist, dass Google die Benutzerfreundlichkeit der Software indes nicht sonderlich hoch gewichtet. Ein anschauliches Beispiel ist die Suchmaschine: Bei der konnten früher Filtermöglichkeiten direkt über Links in einer Randspalte ausgewählt werden. Heute gibt es ein Menü, das über mehrere Klicks eingeblendet werden muss.
Ein zweites Beispiel: Die Gmail-App will es uns ersparen, Mails aufwändig in Ordner zu organisieren. Stattdessen sollen wir sie lassen, wo sie sind und die Suchfunktion verwenden. Theoretisch eine gute Idee. Doch in der Praxis scheitert die daran, dass die Suchfunktion wahnsinnig schlecht ist.
Womit wir bei Google Docs angelangt wären: Bei Googles Büroanwendungen ist die Absicht spürbar, alles anders und einfacher zu machen als Microsoft bei Office. Das Resultat ist eine Software, die ein bisschen simpler, viel weniger leistungsfähig und überhaupt nicht intuitiv ist.
Ein grosses Durcheinander
Mein Hauptärger bezieht sich auf die Verwaltung der Dateien in Google Docs – und hier konkret auf die Trennung von Docs und Drive. Die ist einerseits naheliegend, weil sich in Drive nicht nur die Office-Dateien verwalten lassen, sondern auch viele andere Dateitypen. Andererseits ist die Aufgabenteilung in die beiden Funktionen Bearbeiten und Verwalten nicht so klar und einleuchtend wie bei Windows und Mac, wo wir ausgeklügelte Dateiverwaltungs-Anwendungen (Explorer/Finder) und ein Betriebssystem zur Verfügung haben, das für diese Arbeitsteilung optimiert ist.
Was nun Google angeht, sind Docs und Drive schlecht aufeinander abgestimmt. Einige Beispiele:
Dokumente richtig verräumen
Wenn ich in Docs ein Dokument anlege, dann landet das im Hauptverzeichnis. Es ist nicht möglich, direkt bei der Kreation einen Unterordner auszuwählen. Um das Dokument dort zu platzieren, muss ich es hinterher via Drive verschieben.
Und ja, es gibt in Docs den Befehl Verschieben, der dafür zuständig sein sollte: Er findet sich am oberen Rand hinter dem Dateinamen, doch wenn ich ihn bei einem neuen Dokument auswähle, erscheint bei mir bloss die (unsinnige) Fehlermeldung «Beim Erstellen der Verknüpfung zu ‹Unbenanntes Dokument› ist ein Problem aufgetreten».
Dokumente finden
Wenn ich docs.google.com aufrufe, dann lande ich auf einer Ansicht mit den zuletzt geöffneten Dokumenten. Das entspricht ungefähr der Zuletzt verwendet-Ansicht, die viele Desktop-Anwendungen im Datei-Menü anbieten und die dort zugegeben auch nicht über alle Zweifel erhaben ist.
Da ich es in meinem Job andauernd mit freigegebenen Dokumenten zu tun bekomme, ist diese Liste nahezu unbrauchbar: Zuvorderst stehen Dokumente von anderen Leuten, die ich eingesehen habe, aber nicht mehr benötige. Und klar, ich kann im Menü von Beliebiger Eigentümer auf Ich bin Eigentümer umschalten. Aber da es vorkommt, dass ich auch an freigegebenen Dokumenten arbeite, bin ich ständig dabei, hin und her zu wechseln.
Wenn ich mir die Mühe mache, meine Dateien nach Ablagen zu organisieren, dann hilft mir das an dieser Stelle nicht weiter. Bzw. erst dann, wenn ich rechts oben auf das Ordnersymbol klicke (Dateiauswahl öffnen), die Auswahl im neuen Fenster von Zuletzt auf Meine Ablage ändere und mich hier zum fraglichen Ordner durchklicke.
Die annähernd nutzlose Stern-Funktion
Beim Erstellen eines neuen Dokuments haben wir die Möglichkeit, neben dem Dateinamen das Sternchen anzuklicken. Das ist eine sinnvolle Möglichkeit: Wir markieren mit diesem Symbol jene Dokumente, die wir gerade in intensiver Bearbeitung haben und immer wieder benötigen.
Doch in Ansicht mit der zuletzt verwendeten Dokumenten in Docs sind diese Sternchen nicht ersichtlich: Weder erscheinen sie beim Namen des Dokuments, noch können wir sie zum Suchen oder Filtern verwenden. Um auf die mit Sternchen versehenen Dokumente zuzugreifen, müssen wir wiederum auf Dateiauswahl öffnen klicken und dort die Rubrik Markiert bemühen.
Randbemerkung: Wieso ist der Stern in Dok selbst als «Stern» beschriftet, wenn in der Ablage bei Google Docs von «Markiert» die Rede ist? Ist die konsistente Benennung wirklich so schwierig?
Es gibt auch die Möglichkeit, Drive heranzuziehen: Dort wählen wir die Rubrik Markiert aus und finden unsere mit Stern ausgestatteten Dokumente.
Die komplett nutzlose Farb-Option für Ordner
In Drive gibt es die Möglichkeit, Ordner mit einer Farbe zu versehen. Dazu klicken wir einen Ordner mit der rechten Maustaste an und wählen Farbe ändern, sowie die gewünschte Farbe aus dem Kontextmenü.
Das wäre eine gute Idee, wenn diese Farbe für mehr gut wäre, als bloss eine optische Orientierung zu bieten: Wieso ist es nicht möglich, Ordner nach der Farbe zu sortieren?
Und überhaupt: Wieso lassen sich nur Ordner, nicht aber Dateien einfärben? Von da aus wäre es nur ein kleiner Schritt, diesen Farben eine Bedeutung zuzuweisen oder aber ein System mit Tags (Etiketten) einzuführen.
Fazit: Nicht zu Ende gedacht
Das ist keine abwegige Idee: Diese Tags – oder Label, wie sie dort heissen – sind ein charakteristisches Merkmal von Gmail. Warum also nicht auch bei Docs und Drive damit arbeiten? Das wäre auch deswegen naheliegend, weil Google unbedingt von den klassischen Desktop-Systemen abheben will. Und diese Tags sind in der Tat etwas, das es bei Windows nicht gibt und das ich dort vermisse.
Beim Mac gibt es sie, und sie sind clever und benutzerfreundlich implementiert. Siehe: Die schlaue Titelleiste von OS X.
Also, zurück zur Anfangsfrage, ob es zu hart wäre, wenn ich behaupte, dass Google keine Ahnung von benutzerfreundlicher Software hat. Ich komme hier zum Schluss: Nein, es ist nicht zu hart. Was ich hier sehe, bringt mich zum Schluss, dass Google die simpelsten Dinge nicht zu Ende gedacht hat – und seit Jahren nichts tut, um offensichtliche Mankos zu beheben.
Beitragsbild: Wo ist dieses verflixte Dokument denn bloss? (Anete Lusina, Pexels-Lizenz)
Ist das schön, dass ich mein IT-Leben habe so einrichten können, dass ich einen riesen Bogen um Guugel herum machen kann. Ich brauche die Produkte dieses elenden Konzerns einfach schlicht nie oder ämel fast nie 🙂