Selbstschutz auf Twitter

Likers Blocker stellt in einem Rutsch alle Leute ruhig, die an einem fiesen Tweet Gefal­len gefunden haben oder auf einer Liste stehen. Sinn­voll – oder eine Über­reaktion?

Neulich wurde ich vom geschätzten Mario Sixtus auf Likers Blocker aufmerksam gemacht. Das ist eine Browser-Erweiterung, die es für Firefox, Chrome und Edge gibt. Und sie tut genau das, was der Name verspricht: Wenn wir uns die Personen anzeigen lassen, die einen Tweet mit einem Like ausgestattet haben, können wir die in einem Rutsch allesamt blockieren.

Die alle ins Kröpfchen?

Die Erweiterung fügt den Alle blockieren-Knopf auch auf Twitter-Listen hinzu. Entsprechend könnte man sie auch dazu verwenden, sich die Tweets der Leute auf meiner Haareraufen-Liste vom Leib zu halten.

Womit ein Elefant im Raum steht: Ist das eine sinnvolle Erweiterung? Spontan liegt mir ein Nein auf der Zunge. Ist es nicht eher so, dass Leute, die das Bedürfnis haben, Leute massenhaft zu blockieren, auf Twitter am falschen Ort sind?

Was mich angeht, muss jeder, der in den Genuss kommen will, von mir blockiert zu werden, sich dieses Privileg hart verdienen. Ich blockiere nur Leute, mit denen ich einen Austausch hatte, der sich als komplette Zeitverschwendung entpuppt hat. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist ein Mann, der mich nach jedem Artikel zum Metaversum vorgehalten hat, ich hätte keinen blassen Schimmer, worum es überhaupt gehen würde.

Wenn auf den Boten geschossen wird

Im Kern konnte ich seinen Vorwurf nachvollziehen: Er rührt daher, dass es in meinen Artikeln um das Metaversum nach Mark Zuckerbergscher Prägung ging – also das Ding, das der Meta-Chef am liebsten der ganzen Menschheit aufnötigen würde.

Diese Welteroberungsfantasie sollte nicht mit der universellen Idee eines virtuellen, digitalen Raums gleichgesetzt werden. Denn die ursprüngliche Zukunftsvision stammt nicht von Mark Zuckerberg. Es gibt sie seit 35 Jahren. Der Name des «Metaverse» stammt von Neal Stephenson und seinem Buch Snow Crash. Und wir haben reale Implementationen gesehen, als Mark Zuckerberg noch in den Windeln lag. Darum ist es anmassend, das Zuckerberg-Metaversum mit dem Metaversum gleichzusetzen.

Darüber kann man mit mir natürlich gern diskutieren. Allerdings erwarte ich die Fähigkeit, zwischen dem Boten und der Botschaft zu unterscheiden – Stichwort: Don’t shoot the Messenger. Zumal ich nicht in jedem Newsbeitrag die ganzen Hintergründe ausrollen kann.

Sippenhaftung geht mir auf den Wecker

Mein Blockier-Impuls wird auch geweckt, wenn mich jemand mit «den Medien» oder mit meinem Arbeitgeber gleichsetzt. Ich kann den Impuls verstehen – doch wenn einer auch nach entsprechenden Hinweisen nicht damit aufhört, dann neigt sich meine Geduld schnell ihrem Ende entgegen.

Mit anderen Worten: Ich bin dagegen, Leute auf Verdacht hin zu blockieren¹. Das wäre das sozialmediale Gegenstück zum Precrime. Es ist leider aber auch nicht wegzudiskutieren, dass in den sozialen Medien ein rauer Umgangston herrscht. Das ist für Leute, die keine so dicke Haut haben, ein schwieriges Umfeld. Sollten sie zum Selbstschutz auf die sozialen Medien verzichten? Nein – denn dann bleiben bald nur noch die Sorte von Leuten übrig, die an das Recht des Stärkeren glauben und das gnadenlos durchsetzen wollen.

Darum ist der Likers Blocker ein vertretbares Instrument, um Twitter verträglicher zu gestalten. Ich würde dennoch nicht dazu raten, es überzustrapazieren. Aber im Fall eines Tweets, der einen unangebrachten persönlichen Angriff enthält, ist es legitim, sich aus Selbstschutz auch die Mitläufer und Sympathisanten des Angreifers vom Leib zu halten.

Fussnoten

1) Zu dieser Formulierung hat sich auf Twitter eine Diskussion ergeben.

Beitragsbild: In einer idealen Welt überflüssig (Duong chung, Unsplash-Lizenz).

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