Die Dateien-App von iOS: Was sie nützt und was sie uns vorenthält

Ein ernsthaftes Betriebssystem braucht einen vernünftigen Dateimanager. iOS und iPad OS sind auf halbem Weg dahin.

Meine Erkenntnisse zu den Möglichkeiten (und Limitierungen) der Dateien-App von iPhone und iPad habe ich in einem Patentrezept-Video zusammengefasst. Es basiert auf Tipps, die es zuerst hier im Blog zu lesen gab: Im Beitrag Eine Handvoll nützlicher Tipps zu iOS 13 und unter dem Titel Zwei Dateien-Tricks für iOS 13.

Die Quintessenz ist: Die Dateien-App schaut im Vergleich zum Finder beim Mac und dem Windows Explorer zwar noch immer reichlich dünn aus. Aber man kann mit ihr inzwischen ernsthaft arbeiten. Und es gibt ein Ding, von dem ich mir wünschen würde, dass es den Weg auf den Desktop fände. Nämlich die Integration von Online-Dateiablagen. Sie ist bei iOS und iPad OS vorbildlich gelöst.

Die Cloud-Ablagen direkt in der Dateien-App

Diese Cloud-Ablagen erscheinen gleichberechtigt mit dem internen Speicher. Es ist möglich, Dateien für die Offline-Verwendung vorzuhalten und auch der Dateitransfer ist simpel und komfortabel.

Apple hat die Integration von Cloud-Ablagen nicht erfunden. Microsoft praktiziert sie in Windows auch; ein paar der Möglichkeiten beschreibe ich im Beitrag Zwei handfeste Tricks für Microsofts Einrad. Doch eben: Microsoft integriert nur Onedrive. In der Dateien-App hat man jedoch auch andere Dienste zur Verfügung: Dropbox, iCloud, Nextcloud oder Swisscom MyCloud. Hauptsache, es ist die entsprechende App installiert, die sich in die Dateien-App einklinken kann.

So geht ernsthaftes Arbeiten mit dem iPhone und iPad

Wer mich kennt, dem ist klar, dass ich mir an dieser Stelle Kritik nicht verkneifen kann. Zwei Dinge stören mich nach wie vor ganz gewaltig an dieser Dateien-App.

1)  Nicht sonderlich benutzerfreundlich

Ein Beispiel: Beim Bewegen (Verschieben) einer Datei erscheint ein Dialog, der nach dem Ziel für den Vorgang fragt. Beim Kopieren ist das nicht (oder nicht immer?) der Fall: Da passiert scheinbar nichts. Man muss selbständig zum Zielordner navigieren, dort etwas länger auf eine freie Stelle in der Ablage tippen und aus dem Menü den Einsetzen-Befehl auswählen.

In der Benutzeroberfläche ist nirgends ersichtlich, dass die Datei quasi in der Zwischenablage sitzt. Es wäre hilfreich, wenn dieser Kopiervorgang in der Benutzeroberfläche irgendwie sichtbar wäre.

Das Kontextmenü, mit dem man die «Kopieren»-Aktion beginnt…
… und das Kontext-Menü, mit dem man die «Kopieren»-Aktion beendet.

Und eine seltsame Unstimmigkeit besteht darin, dass das Kontextmenü mal vertikal und weiss, mal horizontal und schwarz ist.

Das mag als Detail erscheinen – aber ich glaube nicht, dass Apple eine App mit solchen Brüchen in der Bedienung beim Reviewprozess in den Store durchwinken würde.

2) Zu stark limitiert

Als Anwender eines Desktop-Betriebssystems wie Windows, Mac oder Linux ist man sich gewohnt, dass man mit seinem Dateimanager in jeden beliebigen Ordner hineinsehen kann.

Und ja, es gibt Ausnahmen von dieser Regel. Bei Windows sind einige Ordner versteckt, beispielsweise C:\ProgramData oder Appdata im Benutzerverzeichnis. Der Mac verbirgt seinerseits den Library-Ordner vor den Augen der Benutzer. Doch, wie in den verlinkten Beiträgen erklärt, gibt es bei den Desktop-Systemen Mittel und Wege, diese Ordner sichtbar zu machen bzw. zu öffnen.

Bei iOS und iPad OS sieht es anders aus: Bei diesen Systemen ist überhaupt nur ein kleiner Ausschnitt des Dateisystems zugänglich: Es sind die Ordner jener Apps, die sich gegenüber der Dateien-App öffnen. Alle anderen Nutzerdaten – und die Programm-Apps und das Betriebssystem –, erscheinen nicht in der App und können demzufolge auch nicht verwendet werden. Das ist ein echtes Manko, weil nur ein kleiner Teil der Apps die Dateien-App überhaupt unterstützt.

Natürlich: An dieser Stelle kann man sich trefflich darüber streiten, ob das ein Vor- oder ein Nachteil ist.

Ich weiss natürlich, dass ein offenes Dateisystem die Nutzer dazu einlädt, Dinge zu tun, die sie nicht tun sollten. Ich habe es während meiner Zeit als Kummerbox-Betreuer oft genug erlebt, dass Leute Dateien aus dem Systemordner gelöscht haben, weil ihnen der Name nicht gepasst hat, weil sie zu viel Platz beansprucht haben oder sonst wie unerwünscht waren. Und ja: Natürlich war hinterher die Betriebssytem-Installation kaputt.

Ein offenes Dateisystem ist unerlässlich

Aber für manche Dinge ist ein offenes Dateisystem unerlässlich. Es erlaubt es uns Nutzern beispielsweise, Konfigurationsdateien gezielt zu sichern und wiederherzustellen. Man könnte, wie im Beitrag So flickt man kaputte Smartphone-Apps erwähnt, auch frühere App-Versionen wiederherstellen, um Softwarefehler zu beheben. Und so weiter. Als mündiger Anwender schätze ich jedenfalls auch weiterhin Betriebssysteme, die mir nichts vorenthalten.

Beitragsbild: Kein Schwerarbeiter – bei mehr als drei Ordnern kommt die Dateien-App von iPhone und iPad ins Schwitzen (Andrea Piacquadio, Pexels-Lizenz).

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