Wie man im Internet einen Baum pflanzt

Wir alle brauchen eine eigene Prä­senz im Web. Link­tree ist eine simple Mög­lich­keit, eine sol­che ein­zu­rich­ten und die ver­zet­tel­ten Accounts zu bün­deln – und viel­leicht sogar eine Com­mun­ity aufzu­bauen.

Braucht jeder Mensch eine eigene Website? Nein, natürlich, ein Gesetz oder ein sozialer Zwang besteht nicht – es ist und bleibt freiwillig, und das ist auch gut so. Es zeigt sich aber, dass es Vorteile hat, wenn man eine eigene, selbstbestimmte Präsenz im Web hat.

Der wichtigste Vorteil ist folgender: Wir können so das Bild bestimmen oder zumindest beeinflussen, das jemand bekommt, der nach uns googelt. Das ist inzwischen völlig normal – sei es vor einem Date, bei einer Bewerbung oder aus reiner Neugierde. Und es wird durch die KIs nicht besser: Bekanntlich können wir auch Bing Chat nach Personennamen fragen. Wenn handfeste Informationen auffindbar sind, gibt Bing eine gute Antwort. Falls nicht, erfindet er irgendeinen Blödsinn.

Eine Wikipedia-Seite für jeden

Wie ich hier aufzeige, wäre es sinnvoll, dass jeder Mensch, der möchte, eine Seite auf Wikipedia haben kann. Doch das widerspricht leider den Relevanzkriterien. Bei Leuten, die im Lexikon nicht vertreten sind, bezieht sich Bing gern auf Linkedin. Allein deswegen ist es nicht verkehrt, sich dort einen Account anzulegen.

Eine persönliche Website ist die bessere Variante: Der drücken wir unseren persönlichen Stempel auf, was interessanter ist als ein dröges Linkedin-Profil. Für ein Experiment bietet sich wordpress.com an: Dort lässt sich via WordPress ein hübscher Onepager mit allen relevanten Infos anlegen. Ich habe längere Zeit about.me benutzt (Online-Visitenkarte für jedermann), doch diese Plattform ist spätestens nach einer Übernahme 2019 den Bach runtergegangen, sodass ich mit dem Grav-CMS selbst etwas gebastelt habe.

So pflanzen wir unseren Hyperlink-Baum

Das Resultat der Bemühungen: Alle Links und Profile an einem Ort.

Hier soll es um eine weitere Möglichkeit geben. Neulich bin ich linktr.ee begegnet. Wie der Name sagt, soll man hier einen «Link tree», also einen Verknüpfungsbaum anlegen. Das erlaubt es uns, alle unsere Präsenzen im Web zu bündeln.

Das geht konkret so:

Wir legen einen Account an und wählen einen Nutzernamen. Da ich als Mensch und nicht als Web persona auftreten will, habe ich @mschuessler gewählt, sodass mein Account unter linktr.ee/mschuessler zu finden ist. Dann fügen wir erst sein Bild und danach alle relevanten Links hinzu:

Nachdem wir uns registriert haben, machen wir uns daran, die Links hinzuzufügen. Für jeden Link gibt es interessante Zusatzfunktionen: Wir können einen Link umleiten, mit einem Thumbnail-Bildchen versehen, priorisieren oder auch sperren: Die gesperrten Links sind nur Leuten zugänglich, die bestimmte Kriterien erfüllen, z.B. die Linktree-Seite abonnieren, den richtigen Code eingegeben haben oder ein gewisses Alter aufweisen – man sieht, hier ist auch schon für Leute mit einem Onlyfans-Konto vorgesorgt.

Für die feinen Extras braucht es ein Abo

Zwar ist Linktree gratis, doch für die meisten dieser Link-Anpassungen ist ein bezahltes Abo nötig. Das Starter-Abo gibt es für vier US-Dollar im Monat. Es existiert auch eine Pro- und eine Premium-Mitgliedschaft (7.50 bzw. 19.50 US-Dollar pro Monat). Bei den teureren Varianten dürfen wir das Linktree-Logo zum Verschwinden bringen, Mailchimp, Google Analytics und Youtube-Videos einbetten, persönliche Informationen über die Besucher sammeln und erhalten Statistiken über unsere Besucher.

Hier werden die Links hinzugefügt, wobei eine Vorschau in Echtzeit zeigt, wie sich die Seite am Handy präsentiert.

Die einzelnen Links dürfen wir über Header in Abschnitte einteilen. Und unter Appearance passen wir die optische Erscheinung unserer Seite an. Dafür gibt eine Reihe von Themes, wobei die extravaganteren natürlich den zahlenden Kunden vorbehalten bleiben.

Die Links zu den Social-Media-Profilen fügen wir übrigens nicht unter Links ein, sondern in den Einstellungen (Settings). Hier findet sich die Rubrik Social Icons, über die wir etliche Dienste via URL oder Handle einfügen: Twitter, Youtube, Facebook, Linkedin, Spotify, Instagram, Tiktok, Discord, Clubhouse, Threads, Soundcloud und Pinterest habe ich für mein Profil ergänzt, es gäbe aber auch Dinge wie Snapchat, Whatsapp, Signal, Telegram, eine simple Mailadresse, Bandcamp, Bereal, Cameo, Etsy oder Patreon.

Was ist mit Xing?

Das ist eine grosse, aber nicht vollständige Auswahl: Ich vermisse Plattformen wie Flickr, 500px oder Eyeem.com oder aber – natürlich – Xing, VKontakte, Kwai, oder was es sonst noch so gibt.

Linktree – und das ist das Spezielle an dieser Visitenkarte – soll auch für Einnahmen sorgen. In den Einstellungen können wir nebst einer Maillingliste auch Bezahl-Möglichkeiten und E-Commercie-Dienstleister integrieren: Paypal, Shopify, Spring und Square, um einige zu nennen. Es gibt auch diverse Tracking-Dienste und schliesslich dürfen wir auch ein Support Banner anlegen, das die drei Optionen Anti-Racism, Stand with Ukraine und Pride zur Auswahl hat.

Die Bäume wachsen nicht in den Himmel

Fazit: Als simple Möglichkeit, die Links zu all den Webpräsenzen, Online-Profilen und Social-Media-Accounts an einer Stelle zentral zu bündeln, finde ich Linktree praktisch: Einfach zu benutzen, zweckdienlich und ganz ordentlich für Leute, die sich nicht mit Technik herumschlagen wollen.

Ich bin aber nicht überzeugt, dass die Plattform dazu taugt, als zentrale Anlaufstelle auch für Spenden und für den Aufbau einer Community zu dienen – auch wenn sie sich dafür auserkoren sieht und wohl auch genau mit diesen Kunden ihr Geld machen würde. Dafür hat sie mir zu wenig Ausstrahlung und keinen klingenden Namen. Ich würde, wenn schon, auf eine bekanntere Plattform setzen und meine Community direkt bei Youtube, Tiktok, Instagram oder wo auch immer ansiedeln.

Oder ich würde auf eine eigene Lösung setzen, selbst wenn das mehr Arbeit wäre – aber hier wäre mir die Abhängigkeit von einem Unternehmen, über das ich wenig weiss, zu gross.

Apropos: Linktree schreibt über sich selbst Folgendes:

Heute, mit über 35 Millionen Nutzern weltweit, helfen wir Marken, Künstlern, Verlagen, Agenturen und Influencern, ihre Online-Präsenz besser zu kontrollieren. Mit der zunehmenden Fragmentierung des Internets haben wir die Funktionalität von Linktree erweitert, um den Nutzern einen besseren Service zu bieten und den Prozess der gemeinsamen Nutzung von Inhalten zu optimieren.

Hierzulande ist Linktree allerdings fast unbekannt – was sich aber womöglich mit diesem Blogpost hier ändern wird.

Ein Nachtrag

Auf Mastodon hat mich Andreas auf diesen Blogpost hingewiesen, der Linktree als «rechtlichen Totalausfall» bezeichnet. Kritisiert wird auch das Cookie-Consent-Verfahren und schliesslich heisst es:

Aber nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus Marketingsicht hat Linktree einige Tücken. Klicken Besucher Ihres Social-Media-Profils auf den Link, landen diese bei Linktree und nicht auf Ihrer Website. An dieser Stelle bricht erfahrungsgemäss, ein Teil der User einfach ab. Das Weiterleiten auf eine fremde URL sowie das Vorhandensein mehrerer Auswahloptionen dürfte die Quote der Abbrecher eher steigern. Sie erreichen also gerade nicht den gewünschten Traffic auf Ihrer Webseite.

Das leuchtet ein und bezüglich gewerblichem Einsatz war und bin ich auch skeptisch. Ich würde Linktree für Private empfehlen, die sich kein Bein ausreissen wollen.

Beitragsbild: Adobe Firefly zum Prompt «Erzeuge mir ein Bild mit einem Baum, dessen Äste aus langen Zahlenreihen bestehen, bei denen sich die Ziffern 0 und 1 zufällig abwechseln. Ausserdem soll ein Roboter in den Ästen herumkraxeln.»

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