Ich habe gestern die These aufgestellt, dass der Erklärungsbedarf in der digitalen Welt gesunken ist. Das Smartphone ist im Vergleich zu einem Computer mit Desktop-Betriebssystem simpler in der Bedienung: Es administriert sich quasi selbst, verwehrt den Nutzerinnen und Nutzern den Zugriff auf heikle Systembereiche und setzt weniger Vor- und Spezialwissen voraus. Und auch der Desktop-Computer vollzieht diese Entwicklung nach, auch wenn er sich unter der Haube die ursprüngliche Komplexität bewahrt hat.
Nun könnte dieser Beitrag eine pessimistische Wendung nehmen:
Denn mit dieser Entwicklung geht auch ein Verlust an Freiheit und Autonomie des Nutzers einher. Bei einem Computer lässt sich das Betriebssystem auswechseln, bei einem Smartphone nicht. Die Cloud, die viele Dinge massiv vereinfacht, erhöht die Abhängigkeit. Und während das alles stimmt und mir auch Sorgen macht, soll es heute explizit nicht darum gehen. Stattdessen habe ich in meinem Archiv geblättert, um an dieser Stelle das Verschwinden diverser Fussangeln, Problemquellen und Ärgernis-Ursachen zu feiern.
11) Ärger mit fremden Zeichensystemen
Falsche Umlaute in E-Mails – früher ein gängiges Problem, heute nicht ganz, aber fast ausgestorben. Schwierigkeiten beim Tippen von Zeichen aus anderen Zeichensystemen war ebenso eine Herausforderung. Die ist zwar ebenfalls nicht ganz überholt, aber dank cleverer Neuerungen viel einfacher zu bewältigen (etwa durch die «schnelle Akzentuierung»; siehe hier).
10) Nervige Datenträger
Weil die Kapazität unserer Festplatten beschränkt waren, kamen wir nicht umhin, Daten auszulagern. Das CD-Brennen war anfangs der Nullerjahre eine Art Volkssport. Allerdings einer mit viel Potenzial fürs Scheitern und mit vielen Unsicherheiten.
9) Der hohe Wartungsbedarf
Computer früher wollten ständig betüdelt werden. Da war die leidige Sache mit der Defragmentierung und den diversen anderen Massnahmen, die zum Unterhalt des Systems notwendig waren. Wer sich heute daran stört, dass sich die Betriebssysteme und Programme gelegentlich aktualisieren wollen, der sollte sich vor Augen führen, dass es diese Notwendigkeit damals auch schon gab, sie aber von Hand ausgeführt werden musste und deutlich öfter Probleme auftraten als heute. Das war zeitraubend und auch teuer – denn die grossen Updates gab es damals nicht gratis.
8) Inkompatible Dateiformate
Wer früher seine Dokumente mit Wordperfect geschrieben hat, konnte sie mit Winword nicht öffnen – und umgekehrt. Die proprietären Dateiformate waren eine echte Plage und Probleme beim Datenaustausch an der Tagesordnung. Nicht nur das: Auch die Datenträger selbst waren inkompatibel. Ein Windows-PC konnte mit einer für Mac formatierten Diskette nichts anfangen.
Dieses Problem ist zwar nicht gänzlich verschwunden; proprietäre Formate gibt es noch immer. Aber das Internet und die Cloud haben ganze Arbeit geleistet, die Hürden auszuräumen. Es haben sich genügend Standards etabliert, dass der Datenaustausch keine Plage mehr darstellt. Und falls uns doch einmal eine Datei unterkommt, die sich nicht direkt öffnen lässt, gibt es dafür Konvertierungsmöglichkeiten im Netz.
7) Von wegen USB und Bluetooth
Die Anbindung von externen Geräten war keine Freude. Plug and Play, also Einstecken und Benutzen, ist zwar eine Errungenschaft, die Microsoft schon mit Windows 95 versprochen hat. Bis das ansatzweise der Fall war, hat es aber gedauert. Bis dahin haben wir uns mit der seriellen und der parallelen Schnittstelle herumgeärgert, SCSI-Karten installiert und uns mit Terminatoren herumgeschlagen und versucht herauszufinden, welcher Interrupt noch frei sein könnte, damit wir unseren schönen Scanner auch verwenden können.
Und ja, meistens war ein Neustart nötig, bevor man sein Gerät auch tatsächlich verwenden konnte.
6) Treiber-Querelen
Hatte man es dann geschafft, sein Gerät so an den Computer anzuschliessen, dass es beim nächsten Neustart keinen Bluescreen gab, hiess das noch nicht, dass man es auch benutzen konnte. Dafür bedurfte es auch des passenden Treibers. Wenn man den nicht hatte, gab es keinen Sound, kein Moorhuhnballern, keine PC-Card und kein bedrucktes Papier aus dem Drucker.
Treiber sind auch heute nicht überflüssig – und es kann tatsächlich auch im Jahr 2023 noch passieren, dass wir in die Verlegenheit kommen, einen solchen installieren zu müssen. Aber wir finden den notwendigen Download ruckzuck im Netz. Und dass wir Suchen müssen, ist eher die Ausnahme denn die Regel: Nach bald dreissig Jahren ist das Versprechen von «Plug & Play» erfüllt.
5) Konfigurations-Querelen
Ich sage dazu nur: Config.sys und Autoexec.bat.
4) Fehlermeldungen, Abstürze
Klar, Softwarefehler gibt es auch heute noch. Doch es kommt viel weniger häufig vor, dass sie uns ernsthaft an der Verrichtung unserer Tätigkeiten hindern. Das war früher anders: Seltsame, nichtssagende Fehlermeldungen beim Start, Hänger während des Betriebs, Bluescreens und nochmals Bluescreens waren recht häufige Begleiter bei der Computerarbeit. Doch es ist schon ewig her, dass ich bei Windows einen Totalabsturz (Bluescreen) erlebt habe – und beim iPhone habe ich noch überhaupt nie einen gesehen. (Der Fairness halber sei aber gesagt, dass es mit dem Black Screen of Death ein Äquivalent in der Smartphone-Welt gibt, das nicht so selten ist.)
3) Die Hardware ständig am Anschlag
Ein typisches Smartphone hat heute so viele Leistungsreserven, dass wir kaum je in die Verlegenheit kommen, dass es für irgendeine App zu langsam sein könnte. Nur mit sehr billigen Geräten oder nach vier, fünf Jahren kommen wir an den Punkt, feststellen zu müssen, dass das letzte Update ein Fehler war – weil das Betriebssystem jetzt so langsam vor sich hinkriecht, dass es uns den letzten Nerv raubt.
Früher war das wirklich andauernd der Fall.
2) Sicherheit brauchte Eigeninitiative
Die vielen Sicherheitsmängel von Windows, die Microsoft in einer Mischung aus Ignoranz und Nonchalance verbrochen und dann über Jahre nicht in den Griff bekommen hat, haben mir über Jahre viel zu schreiben gegeben. Zur Erinnerung: Wir mussten eine selbst eine Firewall und einen Virenschutz installieren, weil die im Betriebssystem nicht vorhanden war und Spam-Mails entweder von Hand löschen oder technische Gegenmassnahmen ergreifen. Und es gab auch noch Spyware, Adware und anverwandte Übeltäter. Nicht, dass die heute verschwunden wären – aber im Vergleich zu damals sind die Geräte von Haus aus viel sicherer und besser gerüstet, um mit derlei Bedrohungen fertig zu werden.
1) Die Plagerei, bis man online war
Von wegen Breitband und Flatrate – von wegen Gigabit-Verbindung. Wir haben uns damals mit lärmenden Analog-Modems eingewählt, was nicht immer klappte. Dann haben wir wie de Häftlimacher darauf geachtet, dass wir die Verbindung getrennt haben, sobald unsere Online-Geschäfte erledigt waren. Davon hat uns irgendwann das Breitband erlöst. Doch auch da war das Tempo nicht immer über alle Zweifel erhaben.
Ursprünglich war unser Internet-Endgerät per Kabel ans Modem gefesselt. Ich habe nachgesehen: Das erste Mal, dass im «Tagesanzeiger» der Begriff WLAN gefallen ist, war am 4. September 2000, als ich ein Produkt von Siemens vorgestellt habe:
Die Preise der Accesspoints betragen je nach Ausführung 1149 oder 1449 Franken, ein mobiler Port kostet in der PCI-Card-Version 459 und als PC-Card 379 Franken.
Die Preise waren fünf Jahre später vertretbar und das WLAN daher schon alltäglich geworden. Was aber nicht heisst, dass es immer zuverlässig funktioniert hätte.
Ist da noch mehr?
Klar; diese Liste ist keinesfalls abschliessend. Es gibt noch viele weitere Dinge, die heute viel besser und weniger Reibung funktionieren als vor zehn oder zwanzig Jahren. Aber habe ich etwas vergessen, das in die Top Ten gehört hätte? Falls ja: Lasst es mich via Kommentar wissen. Es könnte dann gut sein, dass daraus eine bereinigte Version 2.0 dieses Listicles entsteht.
Beitragsbild: Mal wieder ein Bluescreen? (Mart Production, Pexels-Lizenz).
Was heute noch besser ist als früher: die Zuverlässigkeit der Hardware. Während meiner Ausbildung ums Jahr 2000, gab es auf hundert PCs sicher einen Defekt pro Jahr. Meist hat die Festplatte komische Geräusche gemacht, seltener war das Netzteil defekt oder ein RAM-Riegel. Oder der Röhrenmonitor hat sich mit einem lauten Knall verabschiedet und die Sicherung mit in den Tod gerissen.
Und dann das Putzen der Mäuse… Kugel raus, mit Alkohol reinigen, Rollen mit Wattestäbchen von Staub befreien, „Speichenräder“ (die vor der Lichtschranke) mit Druckluft ausblasen. Damals hat man auch Tastaturen gereinigt und lange verwendet, heute ist bei jedem neuen Rechner eine Tastatur dabei.
Aber früher waren die Rechner für Laien besser benutzbar, weil sie sich vorhersagbar verhalten haben. Ich meine nicht die Installation, Einspielung von Updates etc., was der Bekannte vom Fach übernehmen kann.
Man konnte den Rechner aufstarten und es sah alles aus wie immer. Umlernen musste man nur ca. alle fünf Jahre für ein neues Betriebssystem.
Das ist heute nicht mehr so und ich finde das extrem schade. Ich kann zwar damit umgehen, aber mich stören die unnötigen Ablenkungen.
Heute erscheint anstelle des Desktops einfach mal eine bildschirmfüllende Meldung, man solle doch ein Microsoft-Konto einrichten, das böte viele Vorteile. Das „später erinnern“ ist ein Button ohne Umrandung in grauer Schrift.
Oder man wird gefragt, ob man Windows 11 wolle. Der Edge fragt nach ein paar Wochen zur Sicherheit nochmals, ob man seine Favoriten wirklich nicht synchronisieren wolle. OneDrive meldet sich mit einem Sonderangebot für mehr Speicher. Und Teams könne nun mehr, deshalb sei es jetzt im Autostart. Besucht man Google, muss man zuerst eine Cookie-Warnung bestätigen und kurze Zeit später poppt eine Meldung auf, der Chrome wäre doch eigentlich der bessere Browser. (Installiert man den, fragt ein paar Tage später Windows, ob man nicht wieder Edge verwenden wolle.)
Einzig Apple scheint sich diesbezüglich recht gut zurückhalten zu können. Was ein Grund sein könnte, weshalb viele Senioren ein iPhone und kein Android-Gerät haben.
Ich würde es begrüssen, wenn es ein „no bullshit“-Windows gäbe. Einmal installiert, Sicherheitsupdates für fünf Jahre, aber kein „Gugus“. Dafür würde ich sogar einen Aufpreis bezahlen. Einfach, weil es viel Frust bei meinen älteren Bekannten (und damit mir, weil bei bildschirmfüllenden Meldungen geht der TeamViewer nicht) verhindern würde.
Ach ja, früher war es vielleicht mühsamer, Treiber zu beschaffen, dafür waren diese nicht wie aktuell die HP-Druckertreiber 300 MB gross und haben fünf unnütze Tools mitinstalliert. Und man konnte Scannen, ohne ein HP-Konto erstellen zu müssen. Nein, kein Witz, ist bei „HP Scan“ aktuell wirklich so. Deshalb kaufe ich keine HP-Drucker mehr.
Habe soeben ein HP entsorgt, u.a. darum
+1
@smartphonres: es gibt einig, auf denen man alternative OS installieren kann, ohne Guugel, zB Fairphone. Also auch da hat sich einigea getan 🙂
Stimmt, aber es schwierig. Ich habs versucht, bin aber gescheitert. Immerhin habe ich mein Telefon nicht «gebrickt». Aber allgemein empfehlen würde ich es nicht.
Die Fairphones 2, 3 und 4 sind dafür gemacht, da macht man nix kaputt. Die E-Foundation mit seinem Murena ist ein offitieller Partner von Fairphone. Ubuntu touch geht auch. Auch SHIFTphones und andere gibt es mit entguugeltem Android.. Und es gibt solche, die haben Jolla Sailfish direkt installiert. 🙂
Ja, aber das ist die Ausnahme. Mit den normalen Telefonen ist das Rooten und Flashen schwierig bis unmöglich. Bei den Desktop-Computern war es, zumindest vor den Zeiten des Secure Boot möglich, mehr oder weniger auf jedem Modell möglich, das Betriebssystem auszutauschen. Und nur das gibt Nutzerinnen und Nutzer die Freiheit, das System auszutauschen, auch wenn sie beim Kauf des Geräts das noch nicht angestrebt haben.