Die subtile Kunst, das Wort Fuck in jedem zweiten Satz zu verwenden

Achtung, ein leicht un­flä­tiger Blog­post über ein Buch, das uns bei­bringen will, uns nicht über jeden Kack auf­zu­regen.

Ich glaube nicht an Selbsthilfebücher. Trotzdem habe ich neulich eines gelesen. Denn bei so einem schönen Titel konnte ich einfach nicht widerstehen: Das Buch heisst The Subtle Art of Not Giving a Fuck (Amazon Affiliate). Auf Deutsch heisst das Buch nicht ganz so prägnant und bezaubernd: «Die subtile Kunst des darauf Scheissens» (Amazon Affiliate).

Und leider sind an dieser Stelle zwei Exkurse unvermeidlich. Falls ihr nicht sonderlich auf meine Abschweifungen steht, dann könnt ihr diesen Teil überhüpfen; ein Untertitel zeigt dann an, wo die eigentliche Rezension anfängt.

Das Sternchen ist scheinheilig.

Exkurs 1: Sternchen

Also, Exkurs 1: Können wir aufhören, das Wort Fuck mit Sternchen zu schreiben? Es gibt Situationen, bei denen das vielleicht angezeigt ist. Ich stelle mir einen Pfarrer vor, der aus einem triftigen Grund ein Zitat in seine Sonntagspredigt eingeflochten hat, in dem ein kräftiges «Fuck» vorkommt – er sich aber verpflichtet fühlt, dieses Wort im Haus Gottes nicht zu verwenden. Dann fände ich es in Ordnung, von der Kanzel herab die verbale Sternchen-Variante von «Fuck» zu verwenden, die bekanntlich «das F-Wort» lautet.

Aber in einer Buchhandlung? Wer einen solchen Ort aufsucht, muss damit rechnen, dort mit allerlei Wörtern konfrontiert zu werden. Die Möglichkeit ist gegeben, dass in der riesigen Menge auch welche dabei sind, die gewisse Sensibilitäten tangieren. Und es sind nicht nur die einzelnen Worte. In den Werken, die in einer Buchhandlung dargeboten werden, sind so viele Ideen und Konzepte niedergelegt, dass es sich nicht vermeiden lässt, dass auch einige fragwürdige, schwierige oder sogar beleidigende Gedankengänge darunter sind.

Damit muss man umgehen können. Wers nicht kann, sollte Bücher generell meiden. Darum wäre es allenfalls sinnvoll, über der Eingangstür eine Triggerwarnung anzubringen: «Achtung, dieser Ort kann Inhalte aufweisen, die in jeglicher Hinsicht verstörend sein könnten.»

Und was das Buch angeht: Ich habe nachgezählt, und es enthält das Wort «Fuck» in ausgeschriebener Form ganze 175-mal. Wenn man das in ausgeschriebener Form nicht einmal beim Cover verkraftet, sollte man dieses Werk besser meiden.

Exkurs 2:  Die unglaubliche Flexibilität eines Vier-Buchstaben-Wortes

Exkurs 2 beschäftigt sich mit der deutschen Übersetzung. Mein herzliches Mitgefühl mit dem Übersetzer! Wie hätte man den Titel denn gut übersetzen können? Mir gefällt «Am Arsch vorbei geht auch ein Weg», was der Titel eines Buchs ist (Amazon Affiliate), das im gleichen Jahr erschienen ist. 2016 scheint das Jahr gewesen zu sein, als die Leute sich den Wert einer «Mir ist das kackegal»-Haltung und den Wundern der Gleichgültigkeit bewusst geworden sind.

Es ist leider nicht nur der Titel, der in seiner Prägnanz unübersetzbar ist. Es gibt viele weitere Stellen, die mit der unübertroffenen Vielseitigkeit des Worts Fuck operieren:

Most of us struggle throughout our lives by giving too many fucks in situations where fucks do not deserve to be given.

In Deutsch:

Die meisten kämpfen sich durch ihr Leben, indem sie sich in Situationen, die das überhaupt nicht wert sind, zu sehr einen Kopf machen.

Wir kommen nicht umhin, die Schönheit und Klarheit des Englischen sowie die Vielseitigkeit der Einsatzmöglichkeiten dieser wunderbaren Vokabel zu bewundern. Das ist eine Lektion, die uns dieses Buch lehrt – selbst wenn es darüber hinaus gar keinen Wert haben sollte.

Jetzt endlich: die Rezension!

Und damit sind wir zurück bei der Rezension: Hat dieses Buch von Blogger Mark Manson einen Wert? Ich kann das nur anhand meiner Erfahrung damit beurteilen. Die ersten Kapitel sind wunderbar unterhaltsam geschrieben und versprühen eine Lebensfreude, die gerade wohltuend ist, wenn wir feststellen, dass wir selbst akut in Situationen stecken, in denen wir zu viele Ficks geben, obwohl die Ficks es nicht verdienen, ausgeteilt zu werden. In den hinteren Kapiteln kommt das Wort Fuck immer weniger häufig vor und im gleichen Mass verlieren die Ausführungen an Elan. Zwischendurch schlägt Manson den Lebensberater-Tonfall an und wird auch mal moralisch. Das erinnert mich dann daran, warum ich kein Fan von Selbsthilfebüchern bin.

Trotzdem finde ich das Buch unter dem Strich erhellend. Es hat mir kein ultimatives Aha-Erlebnis vermittelt, aber geholfen, ein paar Gedanken zu präzisieren, die schon vorher in meinem Kopf waren. Die Kernbotschaft lässt sich auf zwei Sätze zusammenfassen: «Du bist nicht schuld, was dir passiert. Aber du bist immer verantwortlich dafür, wie du damit umgehst.»

Das ist eine gute Botschaft, die Manson fundiert untermauert. Aber sie ist nicht der ultimative Augenöffner.

Das wäre allerdings auch die falsche Erwartung. Ein grosses Problem mit Selbsthilfebüchern besteht darin, dass viele von uns sie in der Hoffnung kaufen, darin einen Zauberspruch gegen sämtliche Schwierigkeiten im Leben zu finden. Das ist eine Illusion und ein implizites, aber leeres Versprechen dieses Genres. Das beste, was so ein Buch erzielen kann, ist, in unseren Köpfen ein paar gute Gedanken in Gang zu setzen. Diese Gedanken entwickeln sich im Idealfall so weit fort, dass sie uns im Alltag genau im richtigen Moment einfallen: dann, wenn wir gefährdet sind, einen Fick zu geben, obwohl er nicht angezeigt ist.

Beitragsbild: So kann man es auch ausdrücken (George Pagan III, Unsplash-Lizenz).

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