So praktisch das Streaming ist: Es beinhaltet eine subtile Machtverlagerung. Anders als ein normaler digitaler Inhalt, den man als Nutzer herunterladen und selbst speichern kann, verbleibt die Verfügungsgewalt bei den gestreamten Dateien beim Anbieter. Er kann sie jederzeit aus dem Verkehr ziehen oder auch nachträglich verändern.
Bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten gehört das sogenannte Depulizieren zum ganz normalen Alltag: Gemäss Rundfunkstaatsvertrag müssen Inhalte in Deutschlandnach einer bestimmten Zeit entfernt bzw. dem Zugriff der Nutzer entzogen werden. Bei vielen Sendungen ist das nach einem Jahr der Fall, bei aktuellen Programmen sogar nur sieben Tage.
Als Internetfan und Wissensmensch kann ich das nur als horrender Blödsinn bezeichnen:
Ein Hirnriss sondergleichen
Die Stärke des Web ist es nun mal, alle möglichen und unmöglichen Gedanken, Ideen, Fakten, Bilder, Texte und Clips auf Abruf bereitzuhalten und es den Nutzern zu überlassen, was sie damit anstellen. Wenn man sich fragt, wie ein solcher Hirnriss entstehen konnte, landet man bei den Verlegern. Die wollten weniger Konkurrenz durch die gebührenfinanzierten Anbieter, weswegen sie diese grenzdebile Depublizierungs-Regelung durchgedrückt haben.
Und ja, klar, wenn mein Blog das einzige wäre, das im ganzen weiten Web zu finden wäre, dann hätte ich vermutlich eine etwas höhere Einschaltquote. Aber vermutlich auch ein deutlich unzufriedeneres Publikum, zumal mein Programm hier nicht jederfraus Sache ist. Jedenfalls bin ich der festen Überzeugung, dass man die Konkurrenz nicht fürchten braucht, wenn man ein eigenständiges, solides Angebot machen kann. Dass es kleinteiliger wird, ist unvermeidlich – aber zu verkraften, wenn man sich den gesellschaftlichen Fortschritt und nicht bloss die betriebswirtschaftliche Seite ansieht.
Aus diesem Grund halte ich es für richtig und wichtig, dass es Mittel und Wege gibt, diese Depublizierung zu unterlaufen. Einen weiteren Grund erkläre ich im Beitrag Wie steht es eigentlich um die private Streaming-Kopie?. Es geht darum, dass Journalisten, Forscher, Anwälte oder auch einfach nur neugierige Menschen das Web als Quelle für ihre Arbeit verwenden. Wenn sie nun auf eine Aussage im Netz Bezug nehmen wollen, kommen sie unter Umständen in die Situation, dass sie diese Aussage belegen wollen. Wenn sie auf einem fremden Server gespeichert ist, dann muss man sie entsprechend dokumentieren.
Screenshots anfertigen, PDFs sichern oder ausdrucken
Bei Textinhalten und Websites ist das einfach, weil das Anfertigen von Screenshots, Ausdrucken oder PDF-Faksimiles technisch nicht sonderlich anspruchsvoll ist. Einen gestreamten Video- oder Audio-Inhalt zu speichern, ist hingegen schwierig. Es gibt auch keine allgemeingültige Anleitung, aber was Youtube angeht, empfehle ich nach wie vor Individuous.
Für öffentlich-rechtliche Inhalte bietet sich mediathekviewweb.de als Anlaufstelle an. Das ist ein Schwester-Projekt von MediathekView, einer auf Java basierenden Anwendung, die Zugriff auf die Sendungen von ARD und ZDF, deren Spartenkanäle und den dritten Programmen in Deutschland ermöglicht. Aus Österreich stammen die Inhalte des Österreichischen Rundfunk ORF und aus der Schweiz die Videos von SRF¹. Nicht verüfgbar sind die Programme aus dem französischen und italienischen Landesteil (TSR und TSI).
Dank der Website hat man via Browser Zugriff auf den Datenbestand und durchsucht sämtliche Mediatheken in einem Rutsch – was deutlich komfortabler ist, als sie einzeln abzuklappern. Übrigens, ein kleiner Einschub: Unter mediatheksuche.de gibt es eine ähnliche Meta-Suche, die aber noch mehr Sender umfasst, insbesondere auch die deutschen Privatkanäle (RTL, Pro7, Sat.1)².
Zurück zu MediathekViewWeb: Der Clou ist nun, dass man hier die Mediatheken nicht nur durchsuchen, sondern gefundene Sendungen auch herunterladen kann – und zwar als offene MP4-Datei, die man nach Gutdünken archiviert. Je nach Mediathek gibt es die Datei in mehreren Qualitätsstufen.
Transkripte von Sendungen und Beiträgen abgreifen
Als Extratipp sei darauf hingewiesen, dass es für manche Sendungen auch die Untertitel zum Download gibt. Das allein kann Gold wert sein, indem es einem die Mühsal erspart, eine Sendung zu transkribieren, wenn man die Inhalte in schriftlicher Form benötigt.
Soweit ich gesehen habe, stehen die Untertitel im Timed Text Markup Language-Format (TTML) zur Verfügung. Das lässt sich z.B. hier in das pflegeleichtere SDL konvertieren.
Fussnoten
1) ARD, ZDF, Arte, 3Sat, SWR, BR, MDR, NDR, WDR, HR, RBB, ORF, SRF ↩
2) 3SAT, ARD, ARTE.DE, ARTE.EN, ARTE.ES, ARTE.FR, ARTE.IT, ARTE.PL, BR, DW, FUNK.NET, HR, KABEL1, KABEL1DOKU, KIKA, MDR, NDR, NTV, ORF, PHOENIX, PRO7, PRO7MAXX, RBB, RBTV, RTL, RTL2, RTLNITRO, RTLPLUS, SAT1, SAT1GOLD, SIXX, SR, SRF, SRTL, SWR, VOX, WDR, Welt, ZDF, ZDF-TIVI ↩
Beitragsbild: Wir Gebührenzahler dürfen ruhig ein bisschen besitzergreifend sein (Ali Pazani, Pexels-Lizenz).