Den Podcast Servus. Grüezi. Hallo. (RSS, iTunes, Spotify) steht schon seit längerer Zeit auf meiner Rezensionsliste. Der Abwechslung wegen habe ich ihn vor mir hergeschoben. Denn letztes Jahr habe ich vier Podcasts aus dem gleichen Haus vorgestellt; und auch wenn die alle differierende Themen und unterschiedliche Tonalitäten haben, so sollen hier im Blog auch Vielfalt bei den Anbietern herrschen.
Also, dieser Podcast stammt von drei Redakteuren der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» und hat die Unterzeile «der transalpine Politikpodcast». Lenz Jacobsen aus Deutschland, Florian Gasser aus Österreich und Matthias Daum aus der Schweiz unterhalten sich über globale und nationale politische Ereignisse.
Was diese Konstellation spannend macht, sind zwei Dinge: erstens das ständige Aufeinanderprallen von Aussen- und Innensicht. Jeder der drei ist gleichzeitig eine Art Erklärbär für die Absurditäten und Eigentümlichkeiten des eigenen Landes und in aufklärerischer Mission unterwegs, um die beiden anderen aus der Reserve zu locken und dazu zu bringen, Gewissheiten übers eigene Land zu hinterfragen.
Kein Blick durchs Mikroskop
Das ist eine gelungene Konstellation, weil sie dazu führt, dass niemand nur Subjekt oder nur Objekt ist, sondern jeder der drei Podcaster ist immer beides. Das ist eine gute Versicherung dagegen, überheblich zu wirken.
Wenn an dieser Stelle ein kleiner Seitenhieb gegen SRF gestattet ist: Wie entscheidend dieser Unterschied ist, zeigt sich im Vergleich mit dem Podcast Die Woche in Tessin und Romandie des Schweizer Radios. In der Sendung handeln Korrespondenten die Geschehnisse in den Landesteilen ab, und auch wenn die sicherlich nicht antreten, um Schulmeisterei zu betreiben, so wirkt es doch wie ein Blick durchs Mikroskop auf eine fremde und schwer begreifliche Lebensform.
Kleiner Tipp am Rand für SRF: Das Konzept liesse sich eins zu eins als «Salut. Ciao. Grüezi» adaptieren; natürlich mit der Einschränkung der Sprachbarriere. Oder vielleicht doch? Ich habe keine Ahnung, wie viele Schweizerinnen und Schweizer es gibt, die in allen drei Landessprachen sattelfest genug sind, um einer politischen Diskussion zu folgen. Jedenfalls wärs ein echter Beitrag zur Überbrückung von Polenta- und Röstigraben.
Nachhilfeunterricht für die Deutschen?
Und ein kleiner Tipp am Rand für «Die Zeit»: Der Beschrieb wird dem Podcast nicht gerecht: «Vieles von dem, was in Deutschland politisch neu und brisant scheint, ist in Österreich und der Schweiz längst normal. Es wird Zeit, den beiden Ländern zuzuhören», heisst es da, und das erweckt den Eindruck, als ob Florian Gasser Matthias Daum nur dazu da wären, den Deutschen Nachhilfeunterricht zu geben. Allein aufgrund der Beschreibung hätte mich nicht angesprochen gefühlt.
Falls ihr euch erinnert, habe ich zwei Dinge erwähnt, die den Podcast spannend machen. Hier kommt das zweite:
Und das ist die Chemie in diesem Trio. Podcasts sind ein anschauliches Beispiel dafür, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Da ich nicht annehme, dass dieser Podcast das Resultat eines langwierigen Casting-Verfahrens war, muss man annehmen, dass irgendjemand bei «Die Zeit» ein ausserordentliches Gespür für solche Konstellationen hat, weil auch Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer in «Ok, America» mit unterschiedlichem Temperament perfekt harmonieren.
Klischees? Bitte sehr!
Der polternde Daum, der listige Gasser und der unbestechliche Jacobsen passen wie die Faust aufs Auge. Das hat für mich die Folge «Die Zebrastrategie» gezeigt, in der Florian Gasser Quarantäne-bedingt abwesend war. Es war trotzdem eine informative und unterhaltsame Sendung – aber ohne den Esprit, den die andere Sendung auszeichnet. (Was man mir aber bitte nicht so auslegt, dass Österreich in gesamtdeutschsprachigen Raum für den Esprit zuständig wäre – obwohl das zum Umstand passen würde, dass im Podcast vor Klischeevorstellungen selten Halt gemacht wird.)
Beitragsbild: Auf dass der Nebel sich lichte (Eberhard Grossgasteiger, Unsplash-Lizenz).