Zeit für Superhelden?

Superhelden gibt es in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen, wie meine nicht-repräsentative Auswahl (Asterix, Misfits, Ex-Heroes von Peter Clines und Todesengel von Andreas Eschbach) zeigt.

In den letzten Jahren ist der Wunsch nach Superhelden beträchtlich gestiegen. Kein Wunder, dass wir in Zeiten des Terrors gerne Lichtgestalten hätten, die auf unseren Strassen patroullieren und uns guten Menschen die Bösewichte vom Leib halten. Und so irreal wie diese übermenschlichen Retter in der Not erscheinen, so wenig nah an der Wirklichkeit sind oft auch die Antipoden.

Bei Ex-Heroes von Peter Clines sind es Zombies. Also keine Selbstmordattentäter oder Dschihadisten, sondern Zombies. In Clines Welt hat sich der so genannte Islamische Staat selbst überlebt, so wie auch die meisten anderen Staaten nur noch eine vage Erinnerung sind. Hier hat nämlich ein Virus zugeschlagen, sodass nun Mutanten mit Superkräften auf der einen Seite und untote Hohlbirnen auf der anderen stehen.

Hätten längst die Welt gerettet, wenn das nicht so langweilig wäre (Originalbild: JD Hancock/Flickr.com)

«Superman», «Asterix und Obelix»

Superhelden übten auf mich lange Zeit nur eine beschränkte Faszination aus. Comics wie «Super-», «Spider-» oder «Batman» waren mir in meiner Jugend zu … amerikanisch. Sprich: Zu weit weg von meiner Fantasiewelt, die durch europäische und vor allem belgische und französische Comics geprägt war. Nun, klar, in gewisser Weise sind auch Asterix und Obelix Superhelden – aber dass sie nicht so genannt werden, ist gleichzeitig auch ihre Stärke. Superhelden haben immer auch das Problem, dass sie durch ihre überragenden Kräfte zu langweiligen Figuren werden. Denn ihnen ist kaum einer gewachsen, sodass ein dramatischer Konflikt nur dann entsteht, wenn auch die Gegner übermenschlich sind. Und damit entschwindet die Story auf eine Super-Ebene, die mit mir als normalem kleinem Menschlein nichts zu tun hat.

«Misfits»

Mein Verhältnis zu den Superhelden hat sich mit der Zeit gewandelt. Das liegt an näher am Leben angesiedelten Verfilmungen wie die Dark Knight-Trilogie von Christopher Nolan. Die Heroes-Serie hätte mir diese Regung fast wieder ausgetrieben. Doch dann kam zum Glück Misfits daher (siehe auch Noch so eine Droge der Digital-Ära). Diese Serie lebt davon, das die Superhelden so überhaupt nicht heldenhaft sind, sondern spätpubertierende Loser, bei denen die Welt zu retten so etwa das letzte ist, was ihnen einfallen würde. Ausserdem haben sie teils absurde Superkräfte. Beispiel: Vollkommene Kontrolle über Milchprodukte, sogar im Körperinneren.

«Ex-Heroes»

Was nun Ex-Heroes angeht, habe ich neulich das Hörbuch gehört. Leider ohne die Begeisterung, die ich für Clines Bücher The Fold und 14 aufgebracht habe. Zombies geben IMHO einfach langweilige Gegner ab. Sie sind tot und wahnsinnig langweilig. In dem Buch ist leider nie eine gruslige Stimmung aufgekommen und auch die Helden sind alles andere als packende Figuren.

«Todesengel»

Wie man eine Superheldengeschichte auch erzählen kann, exerziert Andreas Eschbach vor, den ich vor Kurzem schon einmal hier gelobt habe. Sein Superheld ist ein totgeweihter Mann, der wegen seiner Drogensucht seine klaren Momente schon längst hinter sich gelassen hat. Er wähnt sich auf dem Pfad des Kriegers und wird dadurch zum Todesengel. Er rächt Opfer von Jugend- und Strassengewalt, indem er sie noch am Tatort exekutiert.

Und eben: Die Geschichte kreist um ein wirkliches, akutes Thema: Gewalttätige Jugendliche, der gesellschaftliche Umgang mit ihnen und die Vernachlässigung der Opfer. Es geht um Fälle wie den von Mike B., Ivan Z. und Alex D., die als «Schläger von München» bekannt wurden, weil sie im Juli 2009 veranstaltet haben, was die Süddeutsche Zeitung einen Amoklauf nennt. Eschbach kritisiert im Buch den Umgang der Medien mit solchen Fällen, die sich mehr für die Täter als für die Opfer interessieren, und er stellt mit dem Journalisten Ingo Praise dem Todesengel eine Parallelfigur zur Seite, die in seiner Fernsehsendung diejenigen Opfer medial rächt, die von der Justiz ungerecht behandelt wurden – weil sie beispielsweise eine harte Strafe bekommen haben, weil sie sich mit übertriebenen oder illegalen Mitteln zur Wehr setzten.

Ein untypischer Eschbach, weil nicht von Scifi-Motiven motiviert. Und ein untypischer Superhelden-Roman, bei dem sich (und das ist jetzt kein übertriebener Spoiler) der Superheld als hochproblematische Figur entpuppt und ein moralisches Dilemma um die Frage der Selbstjustiz entbrennt. Das ist ein sehr naheliegender Stoff, wenn es um Superhelden geht, und es ist entlarvend für das amerikanische Verhältnis zur Selbstjustiz, dass die Legitimität von selbstjustiz bei den klassischen Superhelden, aber auch bei all den TV-Serien mit mehr oder minder heldenhaften Hauptfiguren nie aufgeworfen wird.

Gesellschaftskritisch, und trotzdem nicht dröge

Ein spannendes, und trotz des gesellschaftskritischen Leitmotivs gut lesbares Buch. Bei der moralischen Diskussion hatte ich über weite Strecken das Gefühl, Eschbach schlage sich zu sehr auf die Seite des Journalisten Ingo Praise. Der macht aus dem Soziologieprofessor Neci eine lächerliche Figur und diskreditiert in nach allen Regeln der Kunst, was auch sein Anliegen in ein schlechtes Licht rückt: Neci entlastet die Täter und entschuldigt sie, weil die Gesellschaft durch ihre Vernachlässigung der Jugendlichen letztlich die Schuld an der Gewalt trägt. Klagen über die «Kuscheljustiz» und das Recht auf eine kompromisslose Selbstverteidigung sind Forderungen der Law-and-Order-Populisten, die die Welt aber auf keinen Fall besser machen – und mit denen ich mich nicht identifizieren will.

Aber natürlich ist Eschbach Profi genug, sich nicht mit einer seiner Figuren gemein zu machen. Darum ist «Todesengel» kein Buch, das die Selbstjustiz propagieren würde, sondern eine Geschichte, die den Superhelden mit seinem leuchtendweissen, einer neuen Kunstfaser zu verdankenden Kostüm eine menschliche Figur macht, die uns nicht von unserer Eigenverantwortung enthebt…

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