Die App, die Podcasts durchsuchbar macht

Die Idee ist beste­chend: Snipd ver­sieht Podcast-Epi­so­den mit einem Tran­skript. Mit dem können wir sie durch­su­chen und wich­tige Stel­len an­steuern. In der Praxis klappt das leider nicht.

Snipd ist eine neue App zur Wiedergabe von Podcasts, die es fürs iPhone und für Android gibt. Sie hat ein besonderes Merkmal – und ich bin sicher, dass ihr jetzt nicht übermässig überrascht seid, wenn ich das erwähne: Ja, natürlich, Snipd verwendet künstliche Intelligenz.

Snipd hat automatische Kapitel erstellt und die interessantesten Stellen mit einem roten Flämmchen markiert.

Die ist dazu da, den Inhalt einer Folge zugänglicher zu machen: Die KI transkribiert den Podcast, teilt ihn automatisch in Kapitel ein und zeigt für jedes davon eine Zusammenfassung an. Wir können uns daher einen Überblick verschaffen, wenig interessante Dinge überspringen und jederzeit zu den denkwürdigen Momenten zurückkehren.

Podcasts «querlesen»

Die Idee dazu leuchtet ein: Podcasts sind zwar oft hervorragende Informationsquellen. Doch es macht mehr Arbeit, sie sich zu erschliessen, als eine Website, ein Buch oder ein Paper querzulesen. Audio ist von Haus aus nicht durchsuchbar und man muss es in Echtzeit konsumieren – oder sich an die doppelte oder anderthalbfache Abspielgeschwindigkeit gewöhnen.

Ist es daher nicht grossartig, wenn Snipd dieses Manko wettmacht und es uns über das automatische Transkript nicht nur erlaubt, innerhalb einer Episode zu navigieren, nach bestimmten Stichworten zu suchen und die entsprechenden Stellen direkt anzuspringen und Zitate daraus zu kopieren, zu teilen oder auch als kurze Audio-Segmente festzuhalten und weiterzugeben?

Die Werbepausen überspringen?

Und nebenbei bemerkt würde uns diese Funktion doch auch erlauben, lästige Werbung zu identifizieren und in einem Rutsch zu überspringen?

Also, eigentlich eine geniale Idee. Bei meinem Test hat mich Snipd aber leider überhaupt nicht überzeugt.

Das grösste Problem ist ein technisches: Bei meinen Stichproben hat das Transkript nicht mit der Audio-Wiedergabe übereingestimmt. Es hinkte der Wiedergabe um mindestens 15 Sekunden hintendrein, was es praktisch unbrauchbar macht.

Die dynamische Werbung macht alles kaputt

Das Transkript ist durchsuchbar und erlaubt es theoretisch, eine bestimmte Stelle direkt anzuspringen.

Ich vermute, dass die Werbung schuld daran ist. Bei vielen Podcasts gibt es inzwischen individuelle Werbespots. Das nennt sich Dynamic Ad Insertion.

Diese dynamische Werbung ist, soweit ich das beurteilen kann, nicht im eigentlichen Sinn personalisiert. Aber sie ermöglicht es, dass je nach Weltregion unterschiedliche Spots ausgespielt werden. Ich habe in englischen Podcasts schon Spots in Deutsch und sogar in Schweizerdeutsch gehört.

Ein zweiter Vorteil besteht darin, dass auch über alte Episoden neue Werbung verbreiten lässt. Das ist für die Podcaster natürlich ein riesiger Vorteil, weil der Content über eine viel längere Zeit monetarisiert werden kann. Für uns Hörerinnen und Hörer ist es ein Nachteil, weil sich Podcasts immer mehr nach Privatfernsehen und -radio anhören. Aber das nur nebenbei.

Für Snipd bedeutet diese dynamische Werbung, dass die Synchronisation zwischen Transkript und Tonspur nicht mehr gewährleistet ist: Für mich als Hörer in der Schweiz gibt es in einem Podcast, der sich an ein Publikum in den USA richtet, typischerweise deutlich weniger Werbung. Das macht das Transkript annähernd unbrauchbar: Ich kann es zwar noch durchsuchen oder durchlesen; aber das Navigieren funktioniert nicht.

Das muss auf dem Server passieren

Damit ist der Ansatz von Snipd zum Scheitern verurteilt. Die App müsste das Transkript direkt auf dem Endgerät erstellen. Doch das wäre viel zu rechenintensiv. Es würde nur funktionieren, wenn die Podcastepisoden mit Transkript ausgeliefert würden, d.h. die Verschriftlichung und automatische Kapiteleinteilung in den Audiodateien stecken würde.

Und natürlich: Da gehört sie auch hin. Beim Nerdfunk erzeugen wir seit einiger Zeit ein Transkript mittels Whisper, aber das kommt bei den Podcast-Apps bislang nicht zum Zug. Ich hoffe sehr, dass sich das bald ändern wird – das wäre ein hervorragender Extranutzen!

Fazit: Für mich ist das Transkript kein Grund, meiner angestammten Podcast-App Pocket Casts (siehe hier und hier) den Rücken zu drehen. Es kommt erschwerend hinzu, dass die Transkription bislang nur für englischsprachige Produktionen verfügbar ist.

Mit Snips denkwürdige Ausschnitte teilen

Unter dem Strich bleibt für Konsumenten von Podcasts in anderen Sprachen nur ein Merkmal übrig, die Snipd von der Konkurrenz unterscheidet. Das ist die Snips-Funktion, die der App auch ihren Namen gegeben hat.

Mit ihr halten wir denkwürdige Momente in einem Podcast fest. Wir können einen Ausschnitt in Audioform nehmen und diesen mit einer Beschreibung und einer Notiz versehen und auf Twitter, Facebook, Reddit oder via Whatsapp bzw. als Link teilen.

Das ist über einen Knopf in der App möglich. Es funktioniert auch via Kopfhörer, indem wir dreimal hintereinander die Wiedergabetaste betätigen (stoppen, starten, stoppen). Das ist in der Tat praktisch, indem es uns erlaubt, unterwegs eine Stelle zu markieren, ohne zum Smartphone zu greifen.

Wer brauchts?

Naja, es ist praktisch für Leute wie mich, die Podcasts rezensieren und daher auch beim Joggen unvermittelt eine Pause einlegen und eine Notiz erfassen mussten. Sicher gibt es auch Leute, die Podcasts zum Beispiel zum Sprachenlernen verwenden und froh sind, schnell zu einer Stelle zurückkehren zu können, um z.B. Verständnisfragen zu klären. Die meisten Leute, so vermute ich es, hören Podcasts zur Unterhaltung und legen sich keine Notizen an.

Snips ist kostenlos; aber dafür gibt es nur zwei per KI aufgewertete Episoden pro Woche. Für den unbeschränkten Zugang zu allen Transkripts benötigen wir ein Abo, das sechs Franken pro Monat oder 71.90 Franken pro Jahr kostet. Dafür erhalten wir zusätzlich 15 Stunden KI-Bearbeitungszeit pro Monat, um Podcasts nach eigener Wahl zu bearbeiten – für die gelegentliche Nutzung ist das zu teuer.

Beitragsbild: Beim Sport Notizen nehmen, weil in einem Podcast etwas Interessantes gesagt worden ist? (Dall-e 3 zum Prompt «A woman in sports clothes and running shoes, standing outside on a running track. She is wearing headphones and has her mobile phone and a note pad in one hand and tries to write with a pen in her other hand. In a light, friendly style.»)

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