Eine App für Künstler und Antikünstler

Die Concepts-App hat alles, was es fürs Zeich­nen, Skiz­zieren und für aus­ufern­de gra­fische Wer­ke braucht. Sogar mangeln­des Talent kann sie (teil­wei­se) wett­machen.

Alle Jahre kürt Apple die «App des Jahres». Im Feld der diesjährigen Finalisten habe ich zwei, drei interessante Apps entdeckt, von denen ich die eine oder andere hier im Blog besprechen werde.

Heute ist die App Concepts an der Reihe (die nicht «App des Jahres» geworden ist). Mit ihr können wir skizzieren, zeichnen oder Notizen kritzeln. Und es gibt sie nicht nur fürs iPhone und iPad, sondern auch für Android und für Windows. Zuerst aber noch eine allgemeine Bemerkung: Trotz einzelner Entdeckungen finden sich unter den Nominationen viele alte Bekannte. Es gibt nur wenige Konzepte, die neu oder überraschend wären. Es herrscht Stagnation, nicht Innovation; so mein Eindruck.

Aber vielleicht ist es tatsächlich genauso wertvoll, bewährte Ideen graduell zu verbessern, statt das Rad neu zu erfinden.

Womit wir zurück bei Concepts wären: Diese App hat das Zeichnen nicht erfunden. Aber sie hat so viele gute Ansätze, dass sie den Spass am kreativen Kritzeln neu zu entflammen vermag.

Das sind die Dinge, die mir besonders gut gefallen:

Das Tool Wheel

Die Zeichenwerkzeuge wählen wir aus einem digitalen Behältnis, das Tool Wheel (Werkzeug-Rad) genannt wird: Das sitzt normalerweise in der linken oberen Ecke. Es braucht sogar am kleinen iPhone-Display wenig Platz. Es lässt sich auch an den rechten oder linken Rand ziehen (dazu den Finger erst für eine kurze Zeit gedrückt halten), woraufhin es sich in eine Tool Bar (Werkzeugleiste) verwandelt.

In der runden Form hat es mehrere Ringe, die sich auch drehen lassen, damit die gewünschten Instrumente sichtbar werden bzw. am direktesten zugänglich sind: Im äussersten Ring befinden sich die Werkzeuge. Standardmässig gehören Bleistift, Wasserfarbe, Markierstift, Airbrush, Füller, dynamischer Stift und Stift mit fester Breite zum Angebot, plus Werkzeuge wie Auswahl, Stupsen, Zerschneiden, Harte Maske sowie Befehle zum Rückgängigmachen und Wiederholen.

Das ausgeklappte Farbrad.

Aber es viele weitere Werkzeuge, die entweder kostenlos oder aber als In-App-Kauf oder über das Abo erhältlich sind. Um die zu aktivieren, tippen wir das bereits ausgewählte Werkzeug einfach ein zweites Mal an.

Der mittlere Ring enthält Einstellungen, etwa zu Pinselgrösse, Deckkraft und Stich-Eigenschaften. Und der innere Ring – der eigentlich nur ein rundes Feld ist – der bringt die Farbauswahl zum Vorschein. Tippt man ihn an, wird in einer ziemlich spektakulären Animation ein Farbrad aufgefächert, das nach diversen Farbmodellen sortiert werden kann (RGB, HSL, Copic).

Das Stupsen

Ein originelles Werkzeug heisst Stupsen (Nudge). Das erlaubt es, bereits gezogene Striche zu verändern. Wir können einen geschwungene Linie in die eine oder andere Richtung verändern und die Kurve weiterziehen oder enger machen. Man kann sich das wie ein Gummiband vorstellen, das zwischen den Fixpunkten flexibel bleibt.

Natürlich: Wer seine Linien auf Anhieb richtig zieht, braucht das nicht. Aber für Anfänger wie mich ist das grossartig: Wir können so uns an die gewünschte Form herantasten und halb geglückte Linienzüge flicken, ohne radieren und neu anfangen zu müssen. Das macht mangelndes Talent zumindest zu einem kleinen Teil wett.

Die endlose Leinwand

In einem neuen Dokument haben wir zwar einen anfänglichen Zeichenbereich. Der lässt sich aber in alle Richtungen ausweiten: Wir können mit zwei Fingern den Ausschnitt verschieben oder mit der Kneifgeste auch auszoomen. Ausserdem lässt sich die Zeichenfläche auch drehen, was nicht nur für ausufernde Zeichnungen, sondern auch konzeptionelle Zwecke nützlich ist.

Und klar: Auch eine «endlose» Leinwand ist nicht wirklich endlos – spätestens die begrenzten Ressourcen des Arbeitsgeräts werden einem ausufernden Kunstwerk gewissen Grenzen setzen. Aber bei meinen Tests konnte ich das Dokument nicht sprengen, sodass ich vermute, dass entweder die Ausdauer oder die kreativen Ressourcen der Nutzerin oder des Nutzers der limitierende Faktor ist.

Falls das entstehende Werk bestimmte Masse aufweisen muss, lässt sich in den Einstellungen zum Arbeitsbereich die Zeichenfläche auch begrenzen.

Das Drumherum

Über das Dreipunktemenü rechts oben werden alle weiteren Funktionen angesteuert:

  • Gitter: Über diesen Knopf können wir ein Raster einzublenden oder eine Einrast-Funktion aktivieren, die Zeichenstriche am Gitter ausrichtet bzw. Striche dort einrasten lässt. Auch der Zeichnungsmassstab lässt sich hier festlegen und wir können Hilfslinien zeichnen.
  • Ebenen: Die App erlaubt es, manuell Ebenen in beliebiger Anzahl anzulegen. Sie legt automatisch separate Ebenen an, z.B. für die unterschiedlichen Werkzeuge. Die Ebenen lassen sich in der vertikalen Reihenfolge ändern, ausblenden und in der Deckkraft anpassen.
  • Objekte: Über dieses Menü bringen wir Linien, Rechteecke, Dreiecke, Sterne in die Zeichnung ein. Über den Markt stehen auch komplexere Objekte wie Icons, Cliparts und Piktogramme zur Auswahl, die einzeln gekauft werden können.
  • Importieren: Über dieses Menü werden Fotos, Dateien oder Elemente aus der Zwischenablage platziert. Nebst Text kann Concepts JPG, PNG, PSD und PDF verwenden.
  • Exportieren: Das Werk lässt sich als JPG, PNG, SVG, DXF, PSD und PDF speichern. Für Gratisnutzerinnen und Nutzer steht nur JPG zur Verfügung. Für die professionelle Weiterverwendung würden wir aber ein Vektorformat wie SVG oder das Photoshop-Format PSD nutzen wollen. Für die qualitativ beste Reproduktion kommt PDF infrage und für technische Belange DXF von Autocad. Diese Extraformate sind als Einmalkauf für fünf Franken erhältlich.
  • Einstellungen zum Arbeitsbereich: Hier wählen wir einen Hintergrund, ein Gittertyp, stellen die Optionen für die Zeichenfläche und den Zeichnungsmassstab ein und konfigurieren auch die Oberfläche.

Fazit: Für kreative Menschen fast schon ein Muss

Eine hübsche App, an der alles dran ist, was ich von einer Zeichnungs-App erwarte – und zwar in einer so simplen und einleuchtenden Oberfläche, dass die Nomination als App des Jahres wohlverdient erscheint. Mir gefällt auch, dass ich sie nicht nur am Smartphone oder Tablet, sondern auch am Desktop-Computer verwenden kann. Keine Frage: Ich würde Concepts gern nutzen, wenn ich ein minimales Flair hätte, mich grafisch und mit Stift auszudrücken.

Die Basisfunktionen lassen sich gratis nutzen, aber die App weist immer mal wieder auf das Abo hin, das fünf US-Dollar im Monat oder dreissig Dollar im Jahr kostet. Es ist auch möglich, einzelne Funktionen wie den PDF-Export als Einmalkauf zu erwerben. Das ist fair und erlaubt es uns, die App entsprechend unseren Bedürfnissen zu nutzen.

Es geht auch technisch – wobei gestandene Architekten vielleicht doch bei einer CAD-Software bleiben sollten.

Für wen ist Concepts geeignet? Der Schwerpunkt liegt meines Erachtens klar bei der grafischen Gestaltung, d.h. für Skizzen oder ausgefeilte Zeichnungen – und zwar möglichst per Freihand (Stift) ausgeführt. Es spricht aber nichts dagegen, die App auch für Notizen, Mindmaps oder als Whiteboard zu benutzen, auch wenn eine App wie Miro für diesen Zweck mehr zu bieten hat. Es gibt aber einen Präsentationsmodus, der visuell und gestalterisch veranlagte Menschen auf die Idee bringen könnte, Powerpoint gegen Concepts einzutauschen.

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