Da lässt man sich gern verregnen!

Raindrop.io hat es mir an­ge­tan: Diese Le­se­zei­chen-App macht es einfach, im Web In­for­ma­tio­nen zu sam­meln, zu sor­tie­ren und zu durch­su­chen.

Die Lesezeichen: Es gab sie schon bei den ersten Browsern. Wenn wir Wikipedia glauben dürfen, dann hatten sie ihre Premiere in ViolaWWW vor gut dreissig Jahren. Auf die Gefahr hin, hier eine Wissenslücke zu offenbaren: Das war jetzt das erste Mal, dass ich überhaupt von diesem Programm gehört habe.

Entsprechen Lesezeichen noch den Bedürfnissen? Es liegt einem ein Nein auf der Zunge: Das Netz hat sich seit 1992 massiv verändert. Es ist gewachsen, erfüllt viel mehr Aufgaben als in seiner Anfangszeit, in der es nicht viel mehr als ein statisches Textmedium war. Und natürlich sind auch unsere Bedürfnisse gewachsen – ein hierarchisches Ablagesystem wirkt heute nicht mehr sehr sexy.

Andererseits sind viele der Bemühungen, die Bookmarks neu zu erfinden, gescheitert. Erinnert sich noch jemand an Mister Wong oder Stumbleupon? Eben.

Das Rad nicht neu erfunden. Oder doch?

Trotzdem: Es gibt immer wieder neue Anläufe. Der jüngste ist raindrop.io; ein Lesezeichen-Manager, der einen vollständigen Funktionsumfang verspricht, aber nicht von sich behauptet, das Rad neu erfinden zu wollen. «The Verge» hat vor einiger Zeit ein Loblied auf Raindrop gesungen und dabei noch ein paar weitere verblichene Bookmarking-Dienste ins Feld geführt: Delicious, Diigo, Wink und Furl. Den Ersten und den letzten habe ich seinerzeit auch ausprobiert, falls ich mich recht erinnere.

In der Lesezeichen-Verwaltung sind die Bookmarks mit Bildchen, Tags und Highlights ersichtlich.

Raindrop zeichnet sich dadurch aus, dass es Erweiterungen für die gängigen Browser gibt (Firefox, Safari, Chrome, Edge und Brave) und auch Apps fürs iPhone/iPad und für Android zur Verfügung stehen – ebenso, wie für Windows, Mac und Linux.

Schnell Web-Informationen sammeln

Beim Erfassen eines Lesezeichens mit Dialog können Notizen und Tags vergeben werden.

Wir können unsere Link-Sammlung daher problemlos Browser- und Plattform-übergreifend verwenden. Die Begeisterung von «The Verge» rührt konkret vom einfachen Sicherungsprozess her: Mit der Browser-Erweiterung werden Lesezeichen über ein Tastaturkürzel gesetzt. Bei Firefox ist das standardmässig Shift Alt s, aber es darf auch angepasst werden.

Wie Raindrop beim Betätigen des Lesezeichens verfährt, hängt davon ab, ob Text markiert ist oder nicht:

  • Wenn kein Text markiert ist, dann erscheint ein Dialog, indem wir eine Notiz zum Lesezeichen hinzufügen oder es mit Tags versehen können. Auch die Sortierung nach sogenannten Sammlungen ist möglich.
  • Falls auf der Seite eine Selektion besteht, dann wird das Lesezeichen ohne weitere Interaktion automatisch gespeichert. Der markierte Text wird als Highlight mit dem Lesezeichen gespeichert und ist über die Suchfunktion zugänglich.

Das ist in der Tat praktisch und einfach. Und es erinnert stark an die Web-Clipper, die es für Evernote, Onenote oder auch für Notion gibt. Wir sehen an dieser Stelle, dass die Grenzen zu klassischen Notiz-Apps fliessend sind. Und natürlich erinnert diese Funktionalität auch an Leselisten-Apps wie Pocket oder Intapaper.

Es bestehen Ähnlichkeiten zu Evernote und Pocket

Wir können an dieser Stelle daher schon einmal festhalten, dass es sehr von unserer Vorliebe und der Arbeitsweise abhängt, ob uns Raindrop weiterhilft oder nicht: Die Webclipper der Notiz-Apps haben den Vorteil, dass die gesammelten Links dort gleich mit weiteren Informationen und Gedanken angereichert werden können. Wenn wir Links an eine Lese-App weiterreichen, haben wir die Möglichkeit, sie uns dort z.B. vorlesen zu lassen oder in aller Ruhe zu Gemüte zu führen.

Der Ansatz von Raindrop entspricht am ehesten des Jägers uns Sammlers: Die Adressen oder Highlights lassen sich auf Verdacht hin ablegen, grob nach Themen sortieren und dann bei Bedarf durchforsten. Mir kommt das entgegen – wie ich mir vorstellen könnte, Raindrop zu nutzen, erkläre ich am Schluss.

Durchsuchen, sortieren, organisieren und exportieren

Die gesammelten Lesezeichen sind entweder über eine App oder über den Browser zugänglich. Sie sind über die Sammlungen und auch über die Filter organisiert: Unter Highlights sehen wir alle Lesezeichen, die mit Ausschnitt gespeichert wurden. Natürlich können wir auch unsere Tags und die anderen Metadaten zur Erschliessung nutzen.

Einige weitere bemerkenswerte Dinge:

  • Die Volltextsuche erschliesst den gesamten Inhalt aller Lesezeichen und der Highlights. Bei Epub-Dateien und PDFs ist auch der Inhalt durchsuchbar.
  • Die Lesezeichen lassen sich in einer Sammlung manuell sortieren und von Hand priorisieren.
  • Eine Sammlung lässt sich teilen: Als öffentliche Seite, bzw. für alle mit dem Link oder auch zum Einbetten auf einer Website und via RSS.
  • Und es ist ein Export als HTML, CSV oder Text möglich.
  • Die Vorschau zeigt den Text in einer lesefreundlichen Ansicht, wie man es von Pocket und Instapaper her kennt.

Raindrop fährt ein Freemium-Modell, wobei auch die Gratisvariante einen soliden Funktionsumfang hat (unlimitierte Lesezeichen, unlimitierte Geräte). Eines der besten Features des Pro-Abos besteht darin, dass die als Lesezeichen gespeicherten Seiten als Sicherheitskopie aufbewahrt werden und abrufbar bleiben, selbst wenn das Original aus dem Web verschwindet. Dieses Caching erlaubt es auch, die gebookmarkten Inhalte per Volltextsuche zu durchstöbern. Und es ist möglich, Lesezeichen auch mit Erinnerungen (Reminders) auszustatten.

Ein faires Freemium-Modell

Die Premium-Variante kostet 28 Franken pro Jahr oder drei Franken im Monat, und ich überlege mir ernsthaft, sie mir einmal für ein Jahr zu gönnen.

Also, hier noch der versprochene Exkurs zu meinen Vorlieben, was die Lesezeichen angeht. Ich fahre derzeit dreigleisig:

  1. Die täglich verwendeten Lesezeichen habe ich auf meiner Tabliss-Startseite.
  2. Für alle regelmässig benutzten Adressen verwende ich die Bibliothek des Browsers; in Firefox arbeite ich gern mit Schlüsselwörtern.
  3. Informationen, auf die ich während Recherchen oder zufällig beim Surfen stosse und dich für später, aber nicht unbedingt dauerhaft aufbewahren will, die landen in Pocket.

Mit Pocket bin ich nur halb glücklich. Es ist zwar praktisch, die gesammelten Artikel in Ruhe lesen zu können – aber bei mir steht das Horten von Themen-Ideen und die Recherche im Vordergrund. Dafür ist die Highlight-Funktion Gold wert. Im Vergleich zu den Notiz-Apps wie Evernote oder Notion ist Raindrop aber flinker und leichtgewichtiger.

Die Hervorhebung ist auf der Original-Website direkt sichtbar und kann dort mit einem Kommentar versehen werden.

Auch das kommt mir entgegen, weil ich nicht das Bedürfnis habe, zu den einzelnen Links viele Notizen zu erfassen. Und falls das nötig sein sollte, ist das direkt im Browser möglich, ohne dass ich das Raindrop-Backend aufrufen müsste – sehr praktisch!

Beitragsbild: Jedes Tröpfchen ist Lesezeichen-würdig (Anastasiya Lobanovskaya, Pexels-Lizenz).

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