Hat es im Internet Platz für weitere Suchmaschinen? Die naheliegende Antwort lautet nein, denn seit fast 25 Jahren dominiert Google dieses Geschäft. Die Konkurrenten – Bing, Duck Duck Go und Qwant oder Swisscows – sind so weit abgeschlagen, dass man sie für überflüssig halten könnte.
Doch je länger dieser Zustand anhält, desto mehr Chancen für einen Herausforderer tun sich auf. Google zeigt gewisse Alterserscheinungen. Und es gibt Grund genug, unser Vertrauen in Google zu hinterfragen: Der Suchmaschinenkonzern habe die Resultate manipuliert, um an «unser Portemonnaie zu kommen», hat «Wired» neulich geschrieben¹. Bei einem Kartellverfahren seien Informationen über das «Project Mercury» ans Licht gekommen, das wie folgt funktioniert:
Diese Bildschirmpräsentation von Google hatte mit der Überarbeitung des SERP-Algorithmus für das «semantische Matching» zu tun. Wenn man eine Suchanfrage eingibt, kann man davon ausgehen, dass eine Suchmaschine Synonyme in den Algorithmus einbezieht und bei der Verarbeitung natürlicher Sprache auch Textphrasenpaare berücksichtigt. Diese Überarbeitung ging jedoch noch weiter und veränderte die Suchanfragen, um mehr kommerzielle Ergebnisse zu erzielen.
«Nur ein weiterer Vektor für Googles Habgier»
Das Urteil im Artikel ist harsch:
Die «zehn blauen Links» oder organischen Ergebnisse, von denen Google immer behauptet hat, sie seien unantastbar, sind nur ein weiterer Vektor für Googles Habgier, getarnt in den Kindergartenfarben des Unternehmens.
Das lässt sich so interpretieren, dass wir in der Tat eine Alternative zu Google brauchen – und zwar eine mit einem alternativen Geschäftsmodell. Und das lässt nur eine Option offen: Nämlich eine Premium-Suchmaschine, bei der es keine Werbung und keine Provision für die Kundenvermittlung gibt. Sondern nur Nutzerinnen und Nutzer, die für die Dienstleistung bezahlen, die sie in Anspruch nehmen.
Zehn Dollar pro Monat für die Websuche?
Wie es der Zufall will, bin ich neulich auf eine solche Premium-Suchmaschine gestossen: kagi.com². Sie wagt das, was bisher undenkbar schien: Sie verlangt Geld für die Nutzung. Es gibt das Starter-Abo für fünf US-Dollar pro Monat, das wir aber auch gleich wieder vergessen können: Dafür gibt es 300 Suchanfragen pro Monat, die bei mir keine vier Tage reichen würden.
Wir müssen also zehn Dollar pro Monat für Professional und die unlimitierte Suche aufwerfen. Es gibt auch Preispläne für zwei Leute (14 Dollar pro Monat) und für eine Familie (zwanzig Dollar pro Monat). Das klingt erst einmal teuer – aber für ein so wesentliches Arbeitsinstrument wäre es mir das grundsätzlich wert.
Auf dem Niveau der Konkurrenz
Dafür müssen aber natürlich die Resultate taugen. Das objektiv zu beurteilen, ist leider unmöglich, weil Kagi wie Google ein proprietäres Produkt ist, das es uns nicht erlaubt, die Grösse des Index zu inspizieren oder die Algorithmen zu vergleichen. Es bleibt uns nur übrig, uns anhand von Stichproben ein Bild zu machen. Dafür habe ich die bereits früher verwendeten Suchläufe durchexerziert und Resultate erhalten, die sich auf dem Niveau der Konkurrenz bewegen. Das ist auch mein Eindruck nach ein paar Tagen mit Kagi: Diese Suchmaschine ist nicht überragend besser, fällt aber auch nicht ab.
Es gibt aber einige Funktionen, die Kagi von der Konkurrenz abheben:
- Suchbereiche: Nebst dem allgemeinen Option Web können wir die Resultate auch nach Bildern, Videos, Nachrichten und Karten einschränken. Kagi hält auch den Suchbereich Podcasts bereit und über More können wir die Suche per Menü auf bestimmte Quellen (wie Reddit etc.) einschränken.
- Sortierung: Über Order by gibt es die Möglichkeit, die Suchresultate umzusortieren. Ich finde hier die chronologische Reihenfolge, die ich bei Google schmerzlich vermisse. Es gibt auch die Möglichkeit einer Sortierung nach Ad/Trackers Count, bei der die werbeverseuchten Sites abgestraft werden.
- Lens: Mit der Funktion lässt sich die Suche nach Themengebieten einschränken: Auf Word News, akademische Quellen, Foren, Programmierung oder PDFs. Über den Edit-Knopf können wir diese «Linsen» bearbeiten und auch eigene einrichten: Grossartig!
- Personalized Result: Über dieses in den Einstellungen (Options) zu findende Formular dürfen wir Domänen hinzufügen, die bei der Suche bevorzugt behandelt oder blockiert werden.
- Quick Answers: Kagi enthält auch eine Art KI, die bei Fragen eine kurze Antwort liefert³.
Übrigens: Es gibt die Oberfläche auch in Deutsch, aber die Sprache muss explizit via Settings > General bei Interface Language umgestellt werden.
Viele Bonuspunkte für die Benutzeroberfläche
Fazit: Die Suchresultate sind, soweit ich das nach ein paar Tagen sagen kann, brauchbar.
Viele Bonuspunkte sammelt Kagi durch die klugen Funktionen zum Filtern und Sortierender Suchresultate. Es gibt auch umfangreiche Einstellungen zur Aufbereitung der Resultate: Wir dürfen festlegen, wie lange die Snippets (Auszüge) sind, die von einer Website angezeigt werden. Es ist möglich, bestimmte Themenbereiche (News, eingebettete Videos, Bilder, Diskussionen, Wikipedia-Artikel, Karten etc.) ein- oder abzuschalten. Wir können Websites mit oder ohne Favicon darstellen lassen. Und es ist sogar möglich, die Darstellung der Resultate über eine CSS-Datei zu steuern – ein gefundenes Fressen für Nerds.
Mit anderen Worten: Ich kann mir gut vorstellen, für Kagi zu bezahlen und meine Google-Abhängigkeit zu verringern. Ob ich das tun werde, entscheide ich, wenn ich mein Kontingent an Gratis-Suchläufen (200) aufgebraucht habe.
Werden die Nutzer in Scharen überlaufen?
Aber werden die Anwender in der breiten Masse bereit sein zu zahlen und Google den Rücken zu kehren? Obwohl Kagi mit seiner Kritik genau richtig liegt⁴, liegen die Hürden für Herausforderer hoch. Es bleibt eine Tatsache, dass Google selbst mit den erwähnten Verzerrungen in den Resultaten eine hervorragende Suchmaschine bleibt.
Ich zähle mich zu den Leuten, die sich bewusst sind, dass sie «kognitive Bandbreite» investieren müssen, um die Suchresultate zu «entzerren». Aber über die Jahre habe ich diesen Vorgang so verinnerlicht, dass Google unter dem Strich dennoch meine Haupt-Suchmaschine bleibt und ich nur gelegentlich auf Duck Duck Go oder Bing ausweiche. Trotzdem: Ich werde Kagi im Auge behalten und wenn sie den eingeschlagenen Weg beibehält, dann dürfte sie nebst Duck Duck Go zu einer echten Säule des alternativen, unabhängigen Netzes werden.
Fussnoten
1) Als ich den Beitrag nachträglich aufgerufen habe, ist sein Inhalt verschwunden. Stattdessen steht nun hier eine «Mitteilung des Redaktors»:
Nach sorgfältiger Prüfung des Meinungsartikels «How Google Alters Search Queries to Get at Your Wallet» und des relevanten Materials, das uns nach seiner Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wurde, hat die Redaktion entschieden, dass der Artikel nicht unseren redaktionellen Standards entspricht. Er wurde entfernt.
Es wäre interessant und wichtig zu wissen, welche Informationen im Beitrag nicht zutreffend waren – zumal so auch der Verdacht im Raum steht, dass die «Wired»-Redaktion dem Druck von Google nachgegeben hat. Ich habe selbst erlebt, dass Google wollte, dass ich einen kritischen Artikel relativiere. Trotzdem gebietet es die Transparenz, auf den Rückzug dieser Kritik hinzuweisen. ↩
2) Dieser Name ist mir nicht unbekannt. Unter Kagi.com war von 1994 bis im Juli 2016 ein Micropayment-Dienst zu finden, über den ich ein einige meiner Softwareprogramme verkauft habe. Es kann daher sein, dass auf dieser Website noch ein paar alte Links auf Kagi.com zu finden sind, die allerdings heute nicht mehr ans richtige Ort zeigen. ↩
3) Auf die Frage «Wer wird der nächste Bundesrat der SP?» antwortet die Quick-Anwers-Funktion von Kagi wie folgt:
Mehrere Politiker der SP Schweiz haben ihr Interesse bekundet, die Nachfolge von Alain Berset im Bundesrat anzutreten, wenn er Ende Jahr zurücktritt. Dazu gehören Nationalräte wie Jon Pult, Daniel Jositsch und Matthias Aebischer. Die SP Schweiz hat bisher aber keine offiziellen Kriterien festgelegt, nach denen sie ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten auswählen wird. Die Wahl der Nachfolge von Alain Berset und Ueli Maurer findet am 7. Dezember 2022 statt.
Nicht schlecht, wäre nicht der letzte falsche Satz, bei dem das Datum falsch ist und Ueli Maurer zu Unrecht erwähnt wird. Es bleibt dabei: Den Antworten der KI-Sprachmodelle dürfen wir nicht unbesehen glauben. ↩.
4) Ein Ausschnitt aus dem Argumentarium, wieso man für die Suche zahlen sollte:
Die Suchergebnisse in «kostenlosen» Suchmaschinen werden in erheblichem Mass von Werbetreibenden und Affiliate-Programmen beeinflusst, die dafür zahlen, um die Ergebnisse zu beeinflussen. Die Ausgaben dafür nicht umsonst. Nutzerinnen und Nutzer wiederum zahlen mit ihrer Zeit und der «kognitiven Bandbreite», die erforderlich ist, um die Ergebnisse zu analysieren und das zu finden, was wirklich relevant ist. ↩
Beitragsbild: Der Hund rührt daher, dass Kagi einen Hund namens «Doggo» als Maskottchen hat. (Die Illustration stammt von Adobe Firefly zum Prompt «a little dog that sniffs at a computer screen»).
@Matthias ich verwende alternativ SearXNG oder Whoogle. Damit habe ich auch sehr gute Erfahrungen gemacht und es werden auch keine personenbezogenen Daten an Google gesendet.